… kreativ … vernetzt

Die Bodenseeregion ist außergewöhnlich. Sie ist, so Klaus-Dieter Schnell, Geschäftsführer der Internationalen Bodensee-Konferenz (IBK), besonders vielgestaltig und vereint unterschiedliche Perspektiven. Andererseits sind wir Menschen um den See kulturell und wertmäßig vom gleichen Schlag. Kaum eine Region in Europa vereint eine derart hohe Lebensqualität mit einer so hohen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und sehr guten Zukunftsaussichten. Die Zusammenarbeit der vier Länder „Modellregion Bodensee“ kann Vorbild für grenzüberschreitende, nachhaltige Entwicklung sein.

akzent: Wer oder was ist die IBK?

Klaus-Dieter Schnell: In der Internationalen Bodensee-Konferenz (IBK) arbeiten die Regierungen der Länder und Kantone rund um den Bodensee zusammen. Begonnen hat alles 1972 mit der ersten Bodenseekonferenz in Konstanz. Im Lauf der Zeit wurde eine Arbeitsstruktur ergänzt, die die Konferenzen vorbereitet und Projekte umsetzt. Heute bildet die IBK das politische Dach der vielfältigen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Bodenseeregion. Die IBK bearbeitet viele Themen, die wichtig für unsere Region sind: vom Verkehr über Bildung und Forschung, Wirtschaft, Umwelt über Kultur bis zur Gesundheit. 

akzent: Aus welchen Gründen wurde die IBK gegründet?

Klaus-Dieter Schnell: Anfang der 1970er-Jahre war die Zeit offenbar reif geworden für eine engere Kooperation rund um den See, wenngleich es in einigen Bereichen schon Zusammenarbeit gab, etwa die bereits 1959 gegründete Gewässerschutzkommission Bodensee. Der bedenkliche ökologische Zustand des Bodensees als Gewässer war eine Herausforderung, die die Gemeinwesen rund um den See nur gemeinsam bewältigen konnten. Zudem gab es drängende Fragen der Raumordnung und Regionalplanung. In Deutschland war die größte Gebietsreform im Gang, bisherige Landkreise wurden aufgelöst und zu größeren zusammengeschlossen, neue Regionalplanungsregionen wurden gegründet. Da lagen Überlegungen der Abstimmung über die Landesgrenzen hinweg nah.

akzent: Was will die IBK?

Klaus-Dieter Schnell: Die IBK will allen Akteuren der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Orientierung geben. Im Fokus stehen dabei die Länder, Kantone, Landkreise und Regionen mit ihren Regierungen, Parlamenten und Verwaltungen, aber auch die Städte, Hochschulen und Verbände, die allesamt in Netzwerken zusammengeschlossen sind, arbeiten im Städtebund Bodensee zusammen.

akzent: Wo wird die Arbeit der IBK für den Bürger sichtbar?

Klaus-Dieter Schnell: Auch auf bürgerschaftlicher Ebene gibt es kaum ein Thema, bei dem es nicht in irgendeiner Form eine Kooperation über die Landesgrenzen hinweg gibt. Das geht von Musik, Kultur, Bildung über viele Sportarten bis zu kirchlichen und weltanschaulichen Vereinigungen. Die IBK hat mit dem Kleinprojektefonds ein Instrument, um solche bürgerschaftlichen Initiativen auf lokaler und regionaler Ebene zu fördern. Im Mai 2022 wird dazu eine neue Förderperiode beginnen. Mehr dazu beizeiten auf unserer Website.

akzent: Beschreiben Sie bitte die gemeinsamen Ziele und Herausforderungen …

Klaus-Dieter Schnell: Die IBK setzt sich vor allem dafür ein, dass die Vierländerregion zwischen Zürich, Stuttgart, München, Bregenz und Vaduz auch in Zukunft ein attraktiver Lebens-, Natur-, Kultur- und Wirtschaftsraum sein kann. In vielen Feldern kann das nur gemeinsam gelingen. Die IBK setzt sich daher dafür ein, dass Bodensee und Rhein die Menschen im Bodenseeraum verbinden und dass die regionale Zusammengehörigkeit gestärkt wird. Die gemeinsamen Herausforderungen der Bodenseeregion sind groß – wenn man nur an die grenzüberschreitende Erschließung im öffentlichen Verkehr oder an den Klimawandel denkt, der alle Nachbarn gleichsam betrifft. Auch treffen am Bodensee unterschiedliche Stufen der europäischen Integration aufeinander: EU mit Deutschland und Österreich, EWR mit Liechtenstein und EFTA mit den Schweizer Kantonen. Trotz dieser verschiedenen Ausgangslagen müssen sich die Nachbarregionen gemeinsam und stark positionieren, damit die Wahrnehmung der Bodenseeregion in den nationalen Zentren verbessert werden kann.

akzent: Welche Meilensteine wurden bislang erreicht?

Klaus-Dieter Schnell: Gelingt die Kooperation, haben alle etwas davon. Das sieht man etwa an der erfolgreichen Zusammenarbeit der Universitäten, Fach- und pädagogischen Hochschulen in der Internationalen Bodensee-Hochschule (IBH), die von der IBK vor über 20 Jahren initiiert wurde und seither mitfinanziert wird. Mit der IBK eng verbunden sind auch weitere Meilensteine: Bodensee-Radweg, dritte Fähre Romanshorn-Friedrichshafen MF Euregia, Wiederinstandsetzung des historischen Dampfschiffs Hohentwiel, Bodensee Ticket, umweltfreundliche Abgasregelungen für Boote, jährliche Konferenz der Rettungskräfte im Bodenseeraum, Lehrlingsaustausch xchange, Bodensee Agenda 21, Statistikplattform Bodensee. Die IBK hat auch dafür gesorgt, dass mit dem „Leitbild für die Bodenseeregion“ eine regionale, grenzüberschreitende Strategie bis 2030 vorliegt.

akzent: Ist es so, dass der Vorsitz in jedem Jahr weitergereicht wird?

Klaus-Dieter Schnell: Ja, die Länder und Kantone wechseln sich jährlich im Vorsitz ab. Die Reihenfolge wurde von der Regierungschefkonferenz bestimmt. Gerade wurde der IBK-Vorsitz vom Kanton St. Gallen an den Kanton Appenzell Ausserrhoden für 2022 übergeben. Darauf folgen Bayern, Appenzell Innerrhoden und Baden-Württemberg. Für Kontinuität sorgen ein Vorstandsgremium mit Vorsitz, Vorgänger und Nachfolger sowie die gemeinsame Geschäftsstelle.

akzent: Was sind die Aufgaben des jeweils Vorsitzenden Bundeslandes oder Kantons?

Klaus-Dieter Schnell: Zum einen übernimmt das Vorsitzland die Leitung des obersten Gremiums, der Regierungschefkonferenz und des Ständigen Ausschusses. Der oder die Vorsitzende der Regierung vertritt die IBK nach außen und führt die laufenden Geschäfte, mit Unterstützung durch unsere Geschäftsstelle mit Sitz in Konstanz.

akzent: Was versprechen Sie sich von der Pilotveranstaltung 2022, dem Treffen der Außenministerien von Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein?

Klaus-Dieter Schnell: In der Tat soll im Frühsommer eine Pilotveranstaltung für eine „Regierungskommission Bodensee“ stattfinden, in der die vier Außenministerien auf hoher Beamtenebene vertreten sein sollen und mit der IBK grenzüberschreitende Themen beraten, die nicht allein in der Region gelöst werden können, sondern wo regionale und Bundeskompetenzen beteiligt sind – denken Sie nur an die überregionalen Verkehrsnetze oder an Katastrophenfälle, die schnell einmal drei oder vier Staaten betreffen können. Um hier Lösungen zu erzielen, braucht es eine Abstimmung auf drei Ebenen: über die Grenzen, zwischen Land/Kanton und Bund sowie zwischen den beteiligten Ressorts (z.B. Außen, Verkehr, Wirtschaft, Umwelt). Das Pilottreffen soll zeigen, wie ein lösungsorientiertes Gremium zum Nutzen der Bevölkerung im Bodenseeraum eingerichtet werden könnte.

akzent: Was bedeutet das neu beschlossene Zielbild „Raum und Verkehr für die internationale Bodenseeregion“? 

Klaus-Dieter Schnell: Im Bodenseeraum existieren viele räumliche Konzeptionen und Leitbilder in verschiedensten Gebietskulissen. Bislang fehlen jedoch gemeinsame Eckpunkte, wie sich die Bodenseeregion räumlich auf lange Sicht entwickeln könnte. Mit dem „Zielbild Raum und Verkehr“ liegt nun ein Orientierungsrahmen für ein gemeinsames Raumverständnis vor. Das Neue sind neben einheitlichen Kartendarstellungen, die man so bisher nicht gesehen hat, vor allem die Formulierung von gemeinsamen Herausforderungen, wie u.a. das Eindämmen der Zersiedelung und der Innenentwicklung, der Bewältigung des Mobilitätswachstums, den Schutz und die Pflege der Natur- und Kulturlandschaften, die Energieversorgung sowie den Umgang mit dem Klimawandel. Es werden gemeinsame Anliegen zu Siedlung, Landschaft und Mobilität formuliert und auf verschiedene Raumtypen zugeschnitten, wie großstädtische Zentren, die Regionalzentren mit Umland, die kulturlandschaftlich oder naturräumlich geprägten Gegenden oder solche mit starkem Tourismus. Damit entsteht erstmals ein gemeinsames Bild der Raumentwicklung – das dann in die rechtsgültigen Regionalpläne, kantonalen Richtpläne und Landespläne Einfließen kann.

akzent: 50 Jahre IBK – was wird speziell im Jubiläumsjahr passieren?

Klaus-Dieter Schnell: Mit dem Jubiläumsprogramm will die IBK vor allem nach vorn schauen. Mit verschiedenen Anlässen wollen wir das Bewusstsein für die regionale Zusammengehörigkeit stärken und zu einer noch engeren länderübergreifenden Zusammenarbeit motivieren. Dies gilt nicht nur für die Regierungen in der IBK oder die zahlreichen Organisationen, sondern auch für die Bürgerin und den Bürger als Nachbarn in der internationalen Bodenseeregion. Den Auftakt am Gründungstag, dem 14. Januar 2022, macht ein Gipfeltreffen auf dem Säntis – der ja ein klein wenig allen Regionen im Bodenseeraum „gehört“. Die Regierungschefs diskutieren dort längerfristige Perspektiven für die Region und setzen sich dabei besonders mit der Sichtweise junger Leute auseinander. Für die interessierte Öffentlichkeit wird es etliche Fachanlässe geben, etwa ein Kulturforum im Mai, eine Tagung zur Zukunft der Pflege im Juni oder ein Forum zu Klimaschutz und Verkehr im Herbst. Die IBK kommt im Rahmen einer Sommertour auch zu den Leuten.

akzent: Und was ist nun die IBK Sommertour?

Klaus-Dieter Schnell: An der Wanderausstellung von Mitte Mai bis Ende Juli gibt es Gelegenheit für alle, die IBK und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit kennenzulernen. Ein Container wird dazu je eine Woche in jedem der 10 Mitgliedsländer Station machen. Es werden verschiedenste Partnerorganisationen vor Ort eingebunden sein, von Gemeinden, Kulturzentren, Bildungseinrichtungen, Wirtschaftskammern, Innovationszentren bis Tourismusorganisationen. Die IBK-Mitgliedsländer und ihre Partner freuen sich auf viele Begegnungen, Austausch und Diskussion.

www.bodenseekonferenz.org

Beitragsbild: (c) Achim Mende