Ruth Frenk ist eine niederländisch-jüdische Sängerin, Autorin, Stimm- und Gesangspädagogin. Kunst ist für sie Auseinandersetzung mit der Geschichte. Als Tochter von zwei Überlebenden des Konzentrationslagers Bergen-Belsen führte sie ihr Lebensweg von den Niederlanden über Genf und New York an den Bodensee. Seit 50 Jahren lebt und wirkt sie vielfältig ehrenamtlich in Konstanz. Für ihr besonderes Engagement erhielt sie kürzlich das Bundesverdienstkreuz.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann überreichte ihr am 8. Dezember anlässlich des Tages des Ehrenamts das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Hinter dem etwas sperrigen Begriff verbirgt sich die höchste Auszeichnung, mit der besondere ehrenamtliche Leistungen gewürdigt werden.

„Ruth Frenks Wirken für den christlich-jüdischen Dialog und die deutsch-Israelische Aussöhnung reicht weit über die Grenzen der Stadt Konstanz hinaus. Ruth Frenk setzt sich für die Erinnerungskultur und gegen Antisemitismus ein. Seit Jahrzehnten ist sie als Sängerin, Stimm- und Gesangspädagogin und Referentin zum Thema jüdische Musik bekannt und aktiv. Im Zentrum ihres musikalischen Engagements steht dabei das Liedgut des jüdischen Volkes, insbesondere Vokalmusik aus dem Konzentrationslager Theresienstadt.“ So würdigt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann Ruth Frenk bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Tage des Ehrenamts. Auch als Autorin zweier Bücher setzt Ruth Frenk sich mit jüdisch-israelischen Themen und ihrer eigenen Lebensgeschichte auseinander. Darüber hinaus ist sie seit 32 Jahren Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Bodensee-Region e.V. sowie Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Konstanz e.V., deren jüdische Vorsitzende sie ist. In dieser Funktion hat sie neben dem Gedenken an den Holocaust auch kulturelle, politische und religiöse Themen rund um das jüdische Leben in Deutschland in den Fokus gerückt, etwa durch die „Woche der Brüderlichkeit“, das Gedenken an die Reichspogromnacht sowie zahlreiche Gesprächskreise und unterschiedlichste kulturelle Veranstaltungen.

Musik ist ihr Leben
Ende 2022 veröffentlichte sie ihre Memoiren „Bei uns war alles ganz normal“. Wer ihr Buch liest, taucht tief in ihre Geschichte ein. Die resolute 77-Jährige mit den strahlenden Augen wurde im März 1946 geboren, also knapp ein Jahr nach der Befreiung ihrer Eltern aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen durch britische Truppen. Sie wuchs gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester in Rotterdam auf. „Über die Vergangenheit wurde in unserer Familie nicht viel geredet“, erzählt sie. Keines der Opfer des Holocaust habe mit seinen Kindern darüber gesprochen. Das gelte erst recht für die Täter. Viele Kinder haben erst als Erwachsene, wenn sie sich für die Familiengeschichte interessiert haben oder Tagebücher Verstorbener fanden, etwas darüber erfahren. Schon als kleines Mädchen sei es ihr Traum gewesen, Opernsängerin zu werden. Ein Traum, dessen Verwirklichung sie ausdauernd verfolgte. Musik ist ihr Leben. Ihre Ausbildung führte sie über Amsterdam und Genf nach New York. Nach mehreren Jahren als Konzertsängerin (Mezzosopran) kehrte sie nach Europa zurück und landete schließlich wegen ihrer Gesangslehrerin Else Seyfert in Konstanz. Sie gab viele Konzerte in Deutschland, der Schweiz, Italien und den Niederlanden. Da sie nun einmal in Deutschland war, wollte sie sich als Jüdin politisch engagieren, sich gegen Antisemitismus einsetzen und den christlich-jüdischen Dialog auf Religionsebene fördern. Darüber hinaus stellte sie ein Programm mit Liedern aus dem Ghetto Theresienstadt zusammen und tourte damit durch ganz Deutschland. 1990 erschien ihre CD Jewish Songs und 1991 „Der letzte Schmetterling“ – Lieder aus Theresienstadt. Sie gründete ihre eigene Gesangsklasse samt Förderverein, wurde international tätige Gesangslehrerin und engagierte sich im Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Gesangspädagogen. Bis heute unterrichtet Ruth Frenk Gesang – sehr modern inzwischen auch online als Fernunterricht. Den Gesangsunterricht bezeichnet sie als ihr Lebenselixier – „Ich liebe meine Arbeit mit meinen Gesangsschülern.“

Kinder wollen es wissen
Mit ihrer Autobiografie „Bei uns war alles ganz normal“ ist sie wieder auf Tour. Hält Lesungen in vielen Städten und geht in Schulen. „Das halte ich für eine sehr sinnvolle, notwendige und wichtige Arbeit.“ Ihr Buch sei genau zur richtigen Zeit erschienen. Zu den Lesungen kommen interessierte Leute, die häufig bereits vieles über das Judentum und den Holocaust wissen. „Aber die Kinder in den Schulen haben häufig noch nie eine Jüdin oder einen Juden gesehen. Wieso denn auch, wir sind so wenige und man sieht es den Menschen selten an.“ Sie kombiniere in den Gesprächen, die sie mit den Kindern und Jugendlichen führe, die Geschichte ihrer Eltern und ihre Biografie und versuche zu zeigen, wie sie damit umgegangen sind. Sie erzähle ihnen, wie sie als Jüdin 1974 ausgerechnet nach Deutschland gekommen ist. „Und es war damals etwas anderes, als Jüdin in Deutschland zu sein als beispielsweise in New York. Der Holocaust war noch so nahe.“ Für die heutigen Schüler scheine der Zweite Weltkrieg wahnsinnig lange her zu sein, sie seien aber sehr interessiert, wollten viel wissen, und: „Ich werde von ihnen sehr freundlich und offen empfangen.“

Wenn überhaupt, hilft Bildung
Obwohl sie persönlich gute Erfahrungen mache, glaube sie nicht, dass Antisemitismus jemals verschwinden werde. Und auch nicht, dass die Menschen aus der Geschichte je lernen werden. Mit den aktuellen Geschehnissen gehe es ihr schlecht. „Die Grausamkeiten seit dem 7. Oktober sind furchtbar – so viele Opfer. Der Israelkrieg. Der neu aufgeflammte Judenhass ist unerträglich. Das ist Trauma auf Trauma. Die meisten Israelis sind traumatisiert. Sie haben sich sicher gefühlt in ihrem Land, und jetzt fühlen sie sich nicht mehr sicher. Ich weiß keine Lösung. Niemand weiß eine Lösung.“ Der weltweit neu entfachte Antisemitismus sei erschreckend und in Deutschland zähle er wegen der Geschichte stärker. Wenn überhaupt etwas helfen könne, sei es Bildung, Bildung, Bildung, das habe sie auch Minister Kretschmann bei der Ordensverleihung gesagt.

Ich habe keine Angst
Der Judenhass sei unverständlich und er werde es auch bleiben. Dass er gerade in der arabischen Welt so groß ist, sei ein großes Problem. Dabei gebe es doch nur rund 16 Millionen auf der ganzen Welt. „Ich persönlich habe weder Angst noch habe ich jemals etwas Schlimmes erlebt. Aber in einer Großstadt ist es natürlich anders als in Konstanz – hier lebt man wie in einer glücklichen Blase.“

PS: Ruth Frenk und die Liebe. Wer etwas darüber erfahren möchte – in ihre Autobiografie erzählt sie davon. 

www.ruthfrenk.com

Ruth Frenk ist
Seit 32 Jahren Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft
Seit 25 Jahren Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Konstanz e.V., in der sie die jüdische Vorsitzende ist.
Vorsitzende und Gründerin des Fördervereins der Gesangsklasse Ruth Frenk e.V.

Text: Susi Donner
Beitragsbild: Ruth Frenk mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes. | Foto: Staatsministerium.