Der Bodensee ist eindeutig eine Voralpen-Region, doch die Politik macht ihn zum Alpensee: Ohne Not – zumindest für sie. Blöderweise aber für die Fische(r)…

Der See ist nicht nur sauber, sondern rein – auch zu vergleichbar-riesigen Seen weltweit. Ein gigantisches Trinkwasser-Reservoir mittlerweile. Und was Trinkwasser ist, obliegt klaren Definitionen. Manchen Verwaltungspolitikern genügt das nicht. Für absolute Sauberkeit gibt es zwar Obergrenzen, aber schließlich keine Untergrenze.

Denn schon Clementine in der Ariel-Waschmittelwerbung fabulierte dereinst sinnfrei von „reiner als rein“.  Dieses „Rein“ kippte man in den 60ern und 70ern als Abwasser ungefiltert in den See rein, der daraufhin nicht mehr ganz so „rein“ war. Phosphat spielte seinerzeit eine große Rolle: Überdüngung war das weithin sichtbare Thema (Schaumberge, übermäßiger Algenwuchs usw.). Doch seit man das Wasser ringsherum klärt, hat sich auch das Problem aufgelöst: In Mikrobereiche. Rein wissenschaftlich gibt es keine Notwendigkeit, den See noch nährstoffärmer zu machen, als er eh schon ist.

Reiner als reinwaschen geht allerdings nicht nur in der Werbung: Dabei spielt Phosphat chemisch eine ziemlich untergeordnete Rolle, politisch allerdings, selbst maximal verdünnt, bleibt er ein „Reizthema“. Selbst Ende der 70er Jahre, bei gemessenen Werten von 87mg P /m³, war das Trinkwasser nicht in Gefahr. Doch eine unglückliche Verwaltungsentscheidung definiert den Bodensee auf europäischer Ebene zum „Alpensee“.

Bei der Kategorisierung der Gewässer im Rahmen der Europäisierung wurde für den Bodensee ein verantwortlicher Wissenschaftler abgesandt, der allerdings bei der finalen Abstimmung am Freitagnachmittag von Leipzig schon wieder auf der Heimreise war.  So führte dies dazu, dass der Bodensee als „Alpensee“ definiert wurde, mit weitreichenden Konsequenzen. Der „große Teich“ liegt offensichtlich NICHT in den Alpen, wird aber eben hauptsächlich von Alpenflüssen gespeist und sei daher definitionsgemäß ein Alpensee. Klare Sache! Und für derlei Alpengewässer gelten andere Richtlinien, und die gilt es einzuhalten.

Vorschrift ist schließlich Vorschrift.

So kommt in Alpenseen „naturgemäß“ u.a. weniger Phosphat vor als in Voralpenseen. Der Nährstoff sorgt jedoch schon in geringen Mengen für ein gesundes Wachstum der Unterwasserflora, die wiederum als Nahrungsgrundlage für Fische dient. Ein Alpensee ist darum der Alptraum aller Fische/r. Wer schon mal an einem echten Gebirgs-See den großen Zeh ins Wasser hielt, der weiß, wie klar so ein Bergsee ist. Klar, kalt und …leer. Denn nur wenige Fische und Pflanzen tummeln sich im kargen Gewässer: viel Fels statt viel Wels.

Ein Alpensee darf höchstens 6 mg/ m³ Phosphat haben, um in einem sehr guten Zustand zu sein, ein Voralpen-See hingegen bis zu 19 mg /m³, um ebenfalls „sehr gut“ zu sein. Bei 6 Mikrogramm Phosphatgehalt ist Algenwachstum extrem eingeschränkt. Als der See 12 mg/m³ aufwies, konnten (und könnten) Fische(r) auskömmlicher leben. Als Voralpensee wäre der Bodensee nicht nur phosphattechnisch immer noch reiner als rein – aber eben nicht als Alpensee. Darum muss der Phosphatgehalt immer weiter runter: steht ja so in der Vorschrift!

Dabei liegt der Grenzwert für den Menschen im Trinkwasser bei 6,7mg/Liter, also um das Tausendfache höher als die 6 mg/ m³ und selbst die 19 mg/m³ wären trinkwassertechnisch zu vernachlässigen. Etwas plastischer: Gießt man etwas Kaffeesahne (15g) in seinen Morgenkaffee, und nimmt davon nur einen Schluck, hat man schon mehr Phosphat zu sich genommen, als würde man das ganze Jahr ausschließlich Bodenseewasser trinken. Andersrum: Ein Liter Milch, oder ca. 150 g Käse, decken den Tagesbedarf eines Menschen an Phosphat. Um dasselbe mit Bodenseewasser zu erreichen, müsste man ca. 120.000 Liter reinlaufen lassen. Wasserbauch beim Verbraucher wegen Wasserkopf in der Verwaltung!

Nun ist der See verwaltungstechnisch mit sich im Reinen, allerdings auch von „Felchen bereinigt“: Der Brotfisch der Fischer, der früher zu Tausenden vorkam und in hunderten Tonnen gefischt werden konnte, ist quasi verschwunden. Vereinzelt ziehen Fischer abgemagerte Felchen aus dem See; die fetten Jahre sind längst vorbei! Nebenbei sind diese oft auch vom Kormoran verletzt. Aber auch das darf es aus Verwaltungssicht so nicht geben, denn der fischgefräßige (und ursprünglich nicht am See heimische!) Vogel, jagt nur in Ufernähe, das Felchen lebt aber eher in tieferen Gewässern. Blöd bloß, dass die Kormorane das nicht wissen.

Der Felchen wird zum Fehl-chen! So werden wir gerade Zeuge vom Aussterben dieser Fische und mit ihnen auch der Fischer. Doch wieder hat die Verwaltung einen grandiosen Lösungsvorschlag: totales Felchen-Fangverbot bis sich der Bestand wieder erholt habe! Aber wie kann sich diese strapazierte und ausgehungerte Spezies eigentlich je erholen? Und wie bloß erklärt man ihnen, dass die ausgeworfenen Netze der Fischer jetzt nicht mehr ihnen gelten, sondern anderen, leider ziemlich gleich großen Fischen, wie etwa dem Rotauge, das keinerlei Beschränkungen obliegt?!

Da müssen sich manche Verwalter nun aber arg verkopfen. Apropos: der Fisch stinkt bekanntlich zuerst vom Kopf her…