Merkspruch für den Umgang mit News (vorwiegend Social-Media-Spam, aber nicht nur): „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit“, und ich ergänze gerne: „Vor allem vor Dämlichkeit“!
Während der Hochwasser-Phase konnte man es erleben: Social-Media-Posts schwadronierten vom Weltuntergang am Bodensee, gerne vor allem dort, wo eigentlich nix war. Am See direkt gab es einige beeinträchtigte Abschnitte und auch die ansonsten bevorzugte Wohnlage „direkt am Wasser“ war allenthalben auch mal zu direkt. Dort allerdings weiß man aus Erfahrung, wie mit Hochwasser umzugehen ist – feuchte Keller sind da nicht ganz so selten.
Da wo’s wirklich dramatisch wurde, waren reißende Flüsse oder Bäche, die unwetterbedingt zu Flüssen wurden, die Ursache und das vor allem im Oberschwäbischen und im Hegau. Mithin Unter-Regionen, die sich selbst im Marketingsprech gerne mal vom „überlaufenen“ Tourismus-Hotspot Bodensee abgrenzen und gerade auf die Eigenständigkeit pochen. Ein differenziertes, sachliches Bild war denn auch das Flutopfer der ersten Stunde. Denn „reißerisch“ kamen nicht nur Fließgewässer daher: Die Social-Media-Posts nutzten neue und alte Bilder (vom tatsächlichen Hochwasser 1999), rissen munter aus Zusammenhängen und schwadronierten von apokalyptischen Zuständen. Anwohner, aber vor allem Hoteliers und Touristiker hatten daraufhin wochenlang alle Hände voll zu tun, besorgte Anrufer zu beruhigen. Die Flut der Falschmeldungen war daher der große Kollateralschaden für die gesamte Tourismusregion und vor allem, anders als Naturgewalten, vermeidbar!
Kaum war die Hochwasser-Hysterie abgeklungen, schwappte die Mückenwelle hoch: auch hier vielerorts unbegründet. Bekanntlich alle vier Jahre sind die lästigen Plagegeister mal mehr und dann auch wieder weniger. Dieses Jahr mischte sich allerdings in die mückenhaften News noch ängstliche Untertöne: die Tigermücke, tatsächlich in Afrika deutlich mehr verbreitet, in sozialen Medien am See allerdings überdurchschnittlich präsent, kann potenziell Krankheiten übertragen wie das Dengue-Fieber. Allerdings müssten dazu auch viele kranke Menschen überhaupt erst mal da sein, die ein solch exotischer Plagegeist stechen könnte, um überhaupt was „übertragen“ zu können: Doch das Argument sticht hier weit weniger als die Schreckensnachricht. Und wie es so ist bei Wellen, schwappen sie gelegentlich auch zurück. Darum fanden die Social-Mückia-Posts ihren Weg in die „klassischen Medien“ – ein überdies einseitig-politisch gewollt absichtlich sehr undifferenziertes Bild.
Apropos: Die einschlägig bekannte Boulevardpresse rief denn auch bei Campingplatz-Betreibern am See an, um sich nach der Lage zu erkundigen; in gewohnt manipulativer Fragestellung wollte man „aus betroffenem Munde erfahren, wie es denn so sei dieses Jahr mit der Mücken-Katastrophe am See“. Auf die Antwort: „Welche Mückenkatastrophe? Bei uns ist es wie immer“, antwortete man: „Das ist dann leider keine Story.“ Noch Fragen?
Jede Menge! Und viele differenzierte Antworten dazu. Die sind aber langweiliger zu posten als eben die „trockenere“ Wahrheit. Und mit Angst macht man derzeit auf allen Seiten die besten Geschäfte; das hat schon Fassbender 1973 in seinem Werk „Angst essen Seele auf“ thematisiert, wo es um die sozial zerstörerische Macht von Angst geht.
Heute wird aus Seele schon mal ’n ganzer See …
Markus Hotz,
Herausgeber
zur Übersicht über alle bisherigen Intros hier klicken
Beitragsbild: (c) Mirjam Schultheiß