Edelsüße Weine sind ein gut gehütetes Geheimnis in der Seeregion. Dabei sind diese mit ihrer dichten Aromafülle hervorragende Weinbegleiter zu Desserts, Schokolade, Käse und teils auch zu Zigarren und eignen sich auch bestens als Aperitif. Sucht man gezielt danach, dann finden sich überraschende Schätze in den Weinkellereien rund um den See.
VON HEIDE-ILKA WEBER
Ein Dessert krönt jede gelungene Mahlzeit. Kommt dazu noch ein passender edler Tropfen, dann ist der Hochgenuss perfekt. Wie es der Name schon ausdrückt, sind Dessert- und Süßweine passende Begleiter zu Süßspeisen. Und nicht nur Süßes – auch der Käseauswahl zum Dessert schmeichelt der eine oder andere edelsüße Tropfen. Als Apéro ausgeschenkt, erzielt man mit der dichten Aromenfülle eines Dessert- oder Likörweins ein ganz besonderes Genusserlebnis. Die gute Nachricht: Von diesen edelsüßen Tropfen gibt es rund um den See eine vielfältige Auswahl. Dabei wird die Bezeichnung Dessert- und Süßwein oft synonym verwendet. Je später die Trauben geerntet werden, desto höher ihr Zuckergehalt und ihre Aromadichte. Deutschland unterscheidet nach dem Süßegrad bei der Ernte verschiedene Prädikatsstufen: Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese, Eiswein. Aufgrund der Klimaveränderung wird der Eiswein jedoch eine immer seltenere Rarität, denn er muss bei -7 Grad Celsius im Weinberg eingefroren geerntet und noch vereist verarbeitet werden. Man findet ihn aber dennoch vereinzelt, beispielsweise beim Winzerverein Meersburg, ein goldgelber opulenter Eiswein 2021 von Müller-Turgau und im Erzinger Weingut LCK einen Spätburgunder Eiswein von 2018.
Erfreulich geringer Alkoholgehalt
Während süße Auslesen in der Seeregion noch recht oft anzutreffen sind, zählen Beerenauslesen und insbesondere die Trockenbeerenauslesen, also die Weine der höchsten Prädikatsstufe, fast schon als Raritäten. Die Trauben bleiben dabei besonders lange am Rebstock, bis ihre Beeren zu verschrumpeln anfangen. Dabei hilft ihnen der Edelpilz namens Botyris Cinerea, der die Feuchtigkeit aus den Beeren saugt. Im Ergebnis gibt das zwar nur eine geringe Menge Wein, dafür aber ein besonders vollmundiger, dichter Geschmack. Im Portfolio der Konstanzer Spitalkellerei finden sich gleich zwei von diesen edelsüßen Spitzenweinen: eine Grauburgunder Trockenbeerenauslese und eine Beerenauslese mit herrlichen Aromen von Quitte, Honig und Rosinen. Das Überlinger Weingut Kress stellt mit der „betörend fruchtigen“ Goldbach Müller-Thurgau Beerenauslese eine Spezialität für besondere Anlässe bereit. Eine der beiden hochkarätigen Beerenauslesen vom Winzerverein Hagnau, den Burgstall Grauer Burgunder Beerenauslese 2018, hat Gault-Millau 2022 mit drei schwarzen Trauben ausgezeichnet; bei der Rosé Burgstall Beerenauslese sorgt ein Weißherbst für „die Glücksstunden des Lebens“. Die Trockenbeerenauslese von der Piwisorte Solaris vom Weingut Engelhof mit dem exotischen Duft von gelbfleischigen Früchten hat der renommierte Wettbewerb AWC Vienna sogar mit Gold ausgezeichnet.
Dank ihrer Süße und konzentrierten Säure haben übrigens edelsüße Weine meist eine viele Jahre längere Lagerfähigkeit. Und was die Auslesen neben ihrem unvergleichlichen dichten Geschmack noch generell erfreulich auszeichnet, ist ihr geringer Alkoholgehalt, der bei vielen Süßweinen bei nur 8 bis 10 % vol. und bei Trockenbeerenauslesen sogar noch niedriger liegt.
Vorbild Amarone bei der Herstellung
Ein anderes Trocknungsverfahren wird gern in der Schweiz angewendet. Hier werden die Trauben erst nach der Lese langsam getrocknet, früher vor allem auf Strohmatten (daher die alte Bezeichnung Strohwein). Das Schaffhauser GVS-Weingut hat noch einen Strohwein im Angebot: der goldgelbe Midas-Riesling-Sylvaner duftet nach Honig und Aprikosen und passt prima zu Käse und Kuchen. Martin Wolfer vom Weingut Wolfer in Weinfelden hat bei seinem neuen lachsfarbenen Süßwein auf der Basis von Pinot Noir die Trauben in Kistchen getrocknet, danach hat er den Wein sechs Monate im Barrique reifen lassen. Ein besonders aromatischer Dessertwein nach diesem Verfahren ist auch der Winner Süß aus dem Weinfelder Weingut Burkhart – die frühe weiße Siegerrebe beschert diesem Süßwein eine wunderbare, fast exotische Fruchtigkeit. Drei spannende Beispiele finden sich bei Forster Weinbau in Weinfelden mit dem Fortissimo von Pinot Noir, dem Grand Noir von Garanoir und mit dem Petit Blanc von Müller-Thurgau sogar ein Weißwein.
„Portwein“ vom Bodensee
Eine weitere Kategorie von Süßweinen sind die Likörweine. Vorbild beim Verfahren ist meistens portugiesischer Portwein, der so erzeugte Port darf aber hier aus rechtlichen Gründen nicht so genannt werden. Dabei wird der halbvergorenen Maische von sehr reifen Trauben hochprozentiger Alkohol zugesetzt, um den Gärungsprozess zu stoppen. Dadurch bleibt viel Restsüße erhalten. Naturgemäß sind diese Likörweine dann mit im Schnitt 20 %vol. wesentlich hochprozentiger. Anschließend reift der Wein über viele Jahre in Barrique-Fässern und entwickelt so seinen charakteristischen Geschmack, der auch gut als Aperitif, zu Desserts mit Schokolade und zu Zigarren passt. Das Meersburger Weingut Aufricht bietet mit dem Vintage XV einen nach diesem Verfahren hergestellten, ausdrucksstarken Likörwein mit starken Noten von dunklen Beeren und Kirschen. Der Winzerverein Hagnau hat gleich zwei spannende Likörweine im Portfolio: Der rubinrote Boardwine rot zeichnet sich durch ein dichtes Bouquet von wilden dunklen Beeren, Kirschen, Zwetschgen aus. Der leichtere Boardwine weiß spielt mit Birne und hellen Fruchtaromen sowie zarten Kräuternoten. Aus der Kressbronner Weinmanufaktur Steinhauser kommt mit dem Finost White ebenfalls ein weißer Likörwein mit Nuancen von Honig einem Hauch Holz und einem filigranen Süße-Säure-Spiel. Besonders die Schweizer Winzer haben ein Faible für Likörweine nach dem Portwein-Verfahren. In der Kartause Ittingen schwärmt Leiter Weinbau Philipp Rüttimann von seinem roten Pinobile Likörwein aus Blauburgundertrauben. Im Weingut Burkhart gibt es einen Likörwein mit leichtem Port-Touch. Weinstamm in Thayngen bietet mit Opportun einen roten Likörwein auf der Basis Pinot Noir mit Dornfelder. Auch einige Weingüter im St. Galler Rheintal haben interessante Likörweine im Angebot, so Wein Berneck, Wetli Weine, Tobias Weingut, alle drei in Berneck, sowie das Weingut Steinig Tisch in Thal.
Fazit: Die Seeregion bietet eine Fülle an edelsüßen Schätzen für spannende Apéros und als Weinbegleitung für Desserts, dies hier ist nur eine Auswahl. Aus Platzgründen sind die vielen Spätlesen und Auslesen, aber auch lieblichen Weine von hervorragenden Lagen wie im Staatsweingut Meersburg nicht aufgeführt, die mit Süßspeisen ebenfalls bestens harmonieren. Am besten danach fragen, sich beraten lassen, verkosten – und vielleicht das eine oder andere Vorurteil gegen süße Weine überwinden!
Foto © Deutsches Weininstitut