nachhaltig und gesund

Weltweit werden rund 45 Prozent der gesamten Energie für die Erstellung und den Betrieb von Gebäuden benötigt. Auch beim Materialverbrauch fallen etwa 40 Prozent dem Bau zu. Nachhaltigkeit wird deshalb immer wichtiger, und es wird intensiv geforscht, wie nachhaltiges Bauen geht.

Am Bodensee ist das nichts Neues – Kommunen, Unternehmen, private Häuslebauer und Haushersteller beschäftigen sich mit dem Thema. Vielerorts wird dabei innovative Zukunftsmusik gespielt, und nicht selten begeben sich die Bauherr*innen auf den Holzweg: Neben der energetischen Versorgung ist das verwendete Baumaterial wichtigstes Kriterium für nachhaltiges Bauen. Ebenso wichtig ist wohngesundes Bauen; denn wir Menschen halten uns ein Leben lang zu über 80 Prozent in geschlossenen Räumen auf. Ob zu Hause, im Kindergarten, im Klassenzimmer, im Büro oder im Fitnesscenter.

Marktplatz für gesundes und nachhaltiges Bauen

Peter Bachmann, Geschäftsführer des Sentinel Haus Instituts mit Sitz in Freiburg, sagt, dass beim Bauen und Sanieren möglichst früh die Frage nach „gesünder“ und „nachhaltiger“ gestellt werden sollte. „Wenn man weiß, was man will, und die Kriterien vereinbart, ist allen Beteiligten klar, wo es langgeht. Am besten vereinbaren die Bauherrin oder der Bauherr die maximalen Schadstoffkonzentrationen (beispielsweise für Lösemittel, Kohlendioxid, Formaldehyd und Radon) im Kauf- und Werkvertrag und eine Abschlussmessung. Damit sichern sie sich auch rechtlich ihre Position.“ Wer nachhaltig Bauen möchte, sollte schadstoffarme Baustoffe wählen – völlig schadstofffrei gebe es nicht – die aus nachwachsenden, gut recyclebaren und lange verfügbaren Rohstoffen bestehen. Nachhaltigkeit bedeute auch, dass bereits bei der Herstellung des Baustoffs nur sehr geringe Umweltbelastungen entstehen dürfen. Auf der Homepage des Instituts finden Bauherr*innen den größten Marktplatz für gesünderes und nachhaltiges Bauen, Renovieren und Sanieren. 

Zukunftsstadt Konstanz

Die Zukunftsmusik spielt in der Gegenwart von Konstanz. Die Stadt hat sich mit der Teilnahme am BMBF-Wettbewerb „Zukunftsstadt“ die einmalige Chance gesichert, die Fläche „Am Horn“ zu einem „Quartier der Zukunft“ zu entwickeln. „Am Horn“ soll Leuchtturm sein – für andere Konstanzer Quartiere, für andere Kommunen. Das Konzept von feld72 Architekten und Treibhaus Landschaftsarchitektur zeigt, wie künftige nachhaltige Stadtentwicklung aussehen kann. Der Konstanzer Gemeinderat hat im März den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan beschlossen. „Am Horn“ soll Plus-Energie-Quartier sein. Die Gebäude sollen in Holzbauweise erstellt werden. Für das Energiekonzept soll die Nutzung von Erdwärme und kalter Nahwärme mit Abwärme aus der Bodensee-Therme untersucht werden. Die Stromerzeugung soll mittels Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern erfolgen. Die Planer denken im Modellquartier zugleich an eine Optimierung der Biodiversität. Gebäudefassaden sollen begrünt werden. Teilflächen auf den Dächern werden für Urban Gardening zur Verfügung stehen. Die Freiflächen rund um die Neubauten werden mit Bäumen, Sträuchern und Wiesen gestaltet. Regenwassernutzung ist im Quartier vorgesehen. Das Modellquartier „Am Horn“ ist nicht nur schöne Vision. Es findet bundesweit und grenzübergreifend Beachtung: Die HTWG Konstanz, die seit sechs Jahren das Projekt gemeinsam mit Expert*innen, Baugruppen und Initiativen vorantreibt, pflegt alle Erkenntnisse und Lösungsvarianten in die Datenbank des digitalen LexiKONs der Stadt Konstanz ein. So soll ein umfassendes, digitales Nachschlagewerk für den Quartiersplanungsprozess entstehen, für die Verwaltung, Bauwillige jedweder Art und auch für die Wissenschaft. 

Verantwortungsvolle Holzbaukultur

Nachhaltiges Bauen mit Holz ist ein Weg, den viele schon lange und manche schon immer beschreiten, wie das Unternehmen Baufritz aus Erkheim, das mit Blick auf Wohngesundheit seine Wohnhäuser auch am Bodensee und ausschließlich mit zertifiziertem Holz aus regionalem Anbau baut, mit dem Credo „gesundes, klimaschützendes und energieeffizientes Wohnen.“

 Oder Holzbau Bodensee aus Owingen. Das Unternehmen sagt, „würde man heute einen innovativen Baustoff erfinden müssen, der Antworten auf die drängenden Fragen nach Ressourcenschutz und Klimawandel beantwortet, wäre es Holz.“

Oder die kleine Gemeinde Frickingen am Bodensee, die seit 30 Jahren ihren 600 Hektar großen Wald nutzt und in ihrem schlüssigen Gesamtkonzept eine konsequente und verantwortungsvolle Holzbaukultur mit Nahwärmeversorgung verwirklicht. Sie hat unter anderem ein dreigeschossiges Seniorenzentrum mit energetisch optimiertem Baukörper gebaut. Seine 17 Wohnungen werden über Nahwärme versorgt.

Oder Friedrichshafen: Das neue Landratsamt soll unter ökologischen Gesichtspunkten nachhaltig gebaut werden – und auch hier spielt der Baustoff Holz eine tragende Rolle. 


Die Produktionshallen von Baufritz dürfen besucht werden, um Holz zu riechen und um zu sehen, was beispielsweise in den Holzwänden steckt. Foto: Baufritz

Holz ist idealer Baustoff

Für das Bauen mit Holz sprechen viele Gründe. Dennis Röver, Geschäftsführer von proHolzBW sagt, dass es keinen natürlicheren Baustoff gebe. Jedes vierte Bauwerk in Baden-Württemberg sei mittlerweile aus Holz gebaut. Holz erfüllt als nachwachsender Rohstoff alle Umweltauflagen mühelos. Vom Tragwerk über die Fassade bis hin zum Brandschutz entspricht Holz den verschiedenen Bauansprüchen und übertrifft viele Bestimmungen. Die Verwendung von Holzprodukten schützt das Klima in doppelter Hinsicht. Beim Wachsen entzieht das Holz der Atmosphäre klimaschädliches CO2, welches über die gesamte Lebensdauer im Holz gespeichert wird. Umso sinnvoller also, Holz lange stofflich zu nutzen, bevor es energetisch verwendet wird. Gleichzeitig lassen sich durch Holz Materialien wie Stahl oder Beton ersetzen, die mit hohem Energieaufwand hergestellt werden müssen. Holz aus nachhaltig bewirtschafteten, heimischen Wäldern ist zudem regional verfügbar, wodurch lange Transportwege entfallen, die ebenfalls das Klima belasten.

„Stein auf Stein, das war einmal“ …

… sagen die Schweizer und haben schon vor über 20 Jahren mit Minergie einen Standard für Komfort, Effizienz und Werterhalt gesetzt. Bereits 15 Prozent der Schweizer Einfamilienhäuser sind laut Minergie aus dem nachhaltigen Baustoff Holz gebaut. Zudem setzen die Eidgenossen auf recycelte Baustoffe, Stroh und Lehm. Die Wärmedämmung soll in nachhaltig gebauten Gebäuden aus Naturfasern wie Hobelspänen, Flachs, Holzfasern oder Roggen bestehen. Sonst muss später die Dämmung als Altlast entsorgt werden.

Frauenfeld wird zur Architekturpilgerstätte

Besonders laut und hoch spielt die Zukunftsmusik in Frauenfeld. Architekturstudierende sollen künftig in die etwas über 25.000 Einwohner zählende Gemeinde, die 30 Kilometer von Konstanz entfernt liegt, pilgern. Dort entsteht aktuell die Vision vom höchsten Holzhochhaus der Schweiz – 83 Meter hoch, aus 4500 Kubikmetern Holzbaustoffen bestehend. So viel Holz wächst im Thurgauer Wald innerhalb von zehn Tagen nach. Der Holzdachverband Lignum-Ost hat das Projekt des Eidgenössischen Kompetenzzentrums für Holztechnologie beim Ideenwettbewerb um die TKB-Millionen (aus dem Börsengang der Thurgauer Nationalbank) eingereicht. Das Vorhaben ist von Experten bereits als förderungswürdig eingestuft worden. Es geht um CHF 30 Millionen Fördersumme. Die Baukosten werden mit etwa CHF 80 Millionen beziffert. Im ersten Quartal 2022 soll politisch darüber entschieden werden.

Bauen mit Holz von hier

Nach Vorarlberg pilgern Architekturstudenten bereits. Hier sind Holzbau und Architektur untrennbar miteinander verbunden. Holzkonstruktionen, Holzverschalungen in Innenräumen, Fassaden aus Schindeln, Latten und Brettern zeugen sichtbar vom meisterlichen Handwerk der Region. Wie das Gemeindehaus in Innerbraz, entworfen vom Architektenbüro Nägele aus Vandans und ausgeführt von Sutter Holzbau in Ludesch.  Es wurde aus heimischer Weißtanne gebaut und ist beispielhaft im grenzüberschreitenden Label „Holz von Hier“ zu finden. Aktuell wurde im Dezember 2021 dem Vorarlberger Architekten und Lichtkünstler Georg Bechter vom Klimaschutzministerium der Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit verliehen. Er hat in Hittisau im Bregenzerwald den alten Kuhstall seines Vaters saniert und zu einem modernen, 850 Quadratmeter großen Werk- und Büroraum umgestaltet. Gebaut hat er mit den Naturmaterialien Stroh, Holz und Lehm, verfeinert mit viel Glas, hat eine Solar- und Photovoltaikanlage installiert und heizt ungewöhnlich, aber ebenso naturnah, mit einer Eisspeicheranlage. Ein Tipp für Architektur-Interessierte: Das Vorarlberger Architekturinstitut und Vorarlberg Tourismus haben „Architektouren“ zusammengestellt, die nicht nur Architekten zur Inspiration dienen werden.

Echte Nachhaltigkeit

Die Beispiele für nachhaltiges Bauen in der DACH-Region ließen sich noch endlos fortführen. Der Fokus wird auf die Minimierung des Energie- und Materialverbrauchs gelegt, gesundheitliche, baubiologische und ökologische Faktoren werden miteinbezogen, ebenfalls die ökosoziale Bilanz über die Nutzungsdauer bis hin zum Rückbau. Echte Nachhaltigkeit hört nämlich nicht mit der Fertigstellung eines Gebäudes auf.                   

Text: Susi Donner

Beitragsbild: Nachhaltiges Bauen Vorarlberg, Gemeinde Innerbraz, (c) Holz von hier