Im Frühjahr, wenn auch die Temperaturen frühlingshaft werden, öffnen die Kulturhäuser ebenso wie die Cafés ihre Tore. Kultur findet wieder draußen statt.

Mehr vom „Beispielhaften Bauen“

Nachdem im Februar hier zwei Fälle von beispielhaften Umbauten vorgestellt wurden, kommt jetzt der Neubau in Owingen, in dem auch die Auszeichnungen ausgestellt waren: Das im Juni 2015 eröffnete Bürgerhaus ist – neben der neuen Sporthalle – der Nachfolger der früheren Turn- und Festhalle aus den 70er-Jahren, die eine klassische Mehrzweckhalle im Stil der Zeit war, mit Glasbausteinen und Klinkerwänden im Inneren. Der Bau ist jetzt ausschließlich für Kulturveranstaltungen im weitesten Sinn bestimmt, von Konzerten bis zu großen Hochzeiten, und wird in den fast vier Jahren schon gut angenommen, er ist fast ausgebucht. Der etwas gewöhnungsbedürftige Name „kultur|o“ ist eine „grafische Spielerei“, wie es bei der Gemeinde heißt, wurde aber nicht von einer Agentur erfunden, sondern ist das Ergebnis eines Wettbewerbs unter den Einwohnern von Owingen.

Die Form des Bürgerhauses ist von oben gesehen ein etwas langgezogenes Sechseck, etwa wie die Pfeiler der großen Autobahnbrücken, und bildet damit einen lebendigen Kontrast zu der rechtwinkligen Sporthalle. Zum Vorplatz hat es eine großzügige Öffnung, und vom Foyer kommt man durch eine ganze Reihe von Türen in den Saal. Dieser ist innen vollständig mit Eichenholz ausgekleidet, was ihm – zusammen mit dem leicht zeltförmigen Dach – eine warme Atmosphäre und eine gute Akustik gibt.

Gemeinde Owingen, www.owingen.de
Architekturbüro Josef Prinz, Ravensburg, www.architekturbuero-prinz.de

Architektur und Musik

Es werden immer wieder Parallelen zwischen Musik und Architektur gezogen – der meistzitierte Vergleich ist wohl: Architektur ist erstarrte, gefrorene oder versteinerte Musik. Bei der Preisverleihung in Owingen wurde es vom Vorsitzenden der Jury so ausgeführt: Zur Allgemeinbildung gehöre zu wissen, dass das „Brandenburgische Konzert“ eine höhere Qualität hat als ein Schlager von Roberto Blanco – nur bei der Architektur würde ein solches Urteilsvermögen nicht vermittelt. Wir müssten mehr lernen, Architektur bewusst zu sehen. Wer die Diskussionen über „Bausünden“ an den virtuellen Stammtischen verfolgt, weiß, wie groß die Aufgabe des Kunstunterrichts bei diesem Thema noch ist. Nach Lothar Wölfle, Landrat des Bodenseekreises, hat die Architektur eine Aufgabe, die weit über unseren Zeithorizont hinausgeht: die Städte so zu gestalten, dass sie noch in hundert Jahren sehenswert sind. (Die Preisverleihung „Beispielhaftes Bauen“ im Landkreis Konstanz am 7. Februar war nach Redaktionsschluss.)

Neue „schönste Cafés“ in der Ostschweiz

Wenn der Schweizer Heimatschutz, der nationale Denkmalschutzverband, ein Gebäude in eines seiner jährlich veröffentlichten Büchlein mit den „50 schönsten …“ aufnimmt, ist das schon eine Auszeichnung, denn die Auswahl ist immer ausgewogen und repräsentativ. Der im November nach sechs Jahren neu aufgelegte Führer „Die schönsten Cafés der Schweiz“ enthält eine neue Auswahl von Cafés aus allen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts,  aber auch dieses Jahr wieder 10 Lokale aus der Nordostschweiz, also aus unserem Gebiet. Sie sind es von der Architektur oder Inneneinrichtung her wert, bei einem Kaffee den Raum auf sich wirken zu lassen. Es geht von der Confiserie Rohr mit dem in neuerer Zeit angebauten, verglasten „Millenniums-Erker“ bis zu dem kleinen schlicht, aber stilvoll eingerichteten Café Ernst in Trogen im Appenzeller Vorderland.

Ein besonderes Schmuckstück ist im St. Galler Stadtteil St. Fiden, etwa einen Kilometer vom Café „Kaffeehaus“, das in der Seezunge schon porträtiert war. Das Café Zimmermann/Vögeli-Beck ist in einem Gründerzeit-Bau und hat eine Inneneinrichtung aus den 30er-Jahren. Eine Ausserrhoder Schreinerei hat es damals mit Vogelaugenahorn-Täfer ausgestattet – eine solche aufwendige Schreinerarbeit wäre heute unbezahlbar, und es ist eines der wenigen Beispiele, die heute noch erhalten sind.

Vögeli-Beck, St. Gallen, www.voegeli-beck.com,  www.confiserie-rohr.ch 

Text & Bilder: Patrick Brauns