Und jetzt?
Corona beschleunigt Entwicklungen – neben einigen schlechten auch ein paar gute.
Widmen wir uns zur Abwechslung mal den guten Entwicklungen. Regionalität zum Beispiel – das heißt einerseits die Entdeckung der Region auf dem Teller und andererseits „in Echt“.
Plötzlich versteht man viel besser, warum im Sommer seit Jahrzehnten Besucher aus aller Herren (und nichtzuvergessen Damen) Länder so gerne in unsere Region schwappen und was sie hier so im Detail be„suchen“. Mangels Ferne waren die Eingeboren ja geradezu gezwungen, das Gute in der Nähe zu entdecken, Frustwandern wandelte sich so zu Lustwandeln. Selten zuvor wurden wir auf so mannigfaltige Weise auf „tolle Tipps in der Region“ aufmerksam gemacht, häufig verbunden mit der anerkennenden Aufmunterung, dass „ihr mit den vielen regionalen Magazinen das hier ja seit Jahrzehnten vorlebt“. Und so schulterklopft man auch ein wenig den Staub aus, der sich immer zart über das Heimatverbundene zu legen pflegt. Marketing wirkt da überdies antistatisch, wenn an den Ufern des Sees Lodengrün durch Outdoorpink ersetzt, nicht mehr geradelt, sondern gebiked wird, und nicht mehr gewandert, sondern cross-country-getrekked; man nicht mehr ausgediente Wind-Surfbretter armselig zweckentfremdet, sondern stand-up-paddelnd den kleinsten, verwunschenen Ausbuchtungen entlangmäandert. Warum denn in die Ferne schweifen, wenn das Scootern liegt so nah?!
Zu Beginn des Radtourismus vor gut 40 Jahren wurde Radfahrern noch die Hoteltür vor der Nase zugeschlagen, weil man sie als „Arme-Leute-Bewegung“ ansah – heute werden am mittlerweile meistbefahrenen Radweg Europas gleich in Serie ganze Hotels für Radler konzipiert. Jede hippe Welle wird seither im See mit abgeritten, und vieles schwappt sogar bis in höchste Höhen der angrenzenden Berge. „Gipfelsturm“ ist heutzutage weniger ein Wetterphänomen.
Neuentdeckt wird die Landschaft dabei auch im sehr persönlichen Nahbereich: Wo früher kosmopolites Speisen angesagt war, ist über den Tellerrand schauen jetzt out. Hiergeblieben! Nase und Mund gehorchen ebenso den neuen Gesetzmäßigkeiten, „Regional“ ist das neue „Bio“. „Lokal“-Patriotismus feiert Urstände auf Speise- und Getränkekarten.
Alles drängt also ins „Hier“ – und zwar jetzt. Vor allem in diesem Jahr: Denn zu den 4,2 Millionen Einheimischen, die nicht wegkönnen und im Sommer auch immer seltener wegwollen, gesellen sich jedes Jahr über 22 Millionen legal registrierte Gästeübernachtungen in Hotels mit mehr als zehn Betten (Tagestouristen, Family & Friends-Heimsuchungen, Ferienwohnungen und wohnmobile Straßenrandnutzung noch gar nicht mitgezählt). 40 Prozent davon übrigens auf deutscher und – der Schweizer rechnet sich gerne lieber klein – satte 35 Prozent auch am eidgenössischen Ufer; 25 Prozent in Vorarlberg und immerhin 1 Prozent in Lichtenstein (hier spricht man in der Tat von den „oberen 10.000“).
Alle wollen also nur „das Eine“: nämlich das Original. Und wenn einem was „lieb“ ist, dann ist es einem auch „teuer“. Es wäre also schön, wenn wir alle – gerade in diesen Zeiten – etwas „wert“schätzender unterwegs wären. Hier und am besten gleich jetzt!

Markus Hotz,
Herausgeber