Der Jahreswechsel und die ersten Tage des Jahres sind für viele eine Art Brücke ins Neue Jahr. Wer im Bodenseeland in Appenzell Ausserrhoden lebt, hat sogar noch etwas mehr Zeit. Hier wird Silvester zweimal gefeiert. Nach dem „neuen Silvester“ am 31. Dezember feiern die Appenzeller das „alte Silvester“ am 13. Januar – das Datum vor der Zeitumstellung des Papstes Gregor, den die protestantischen Ausserrhoder nicht anerkannten und daher am alten julianischen Kalender festhielten. Den Anlass nutzen wir, um jetzt im Januar ein paar neue reale Brücken zu zeigen.
Im realen wie im übertragenen Sinn ist es gerade in diesen Zeiten wichtiger, Brücken zu bauen, als Mauern. Von Texas über Israel bis zum anderen Ende der Welt werden wieder mehr Mauern geplant und gebaut, aber das wäre ein Thema für sich – die historischen Mauern in der Region werden hier demnächst auch aufgegriffen.
Brücken in den Bergen und am See
Aufgrund ihrer Topografie sind die Schweizer die besten Brückenbauer in Europa geworden, ihre Werke kann man vom hiesigen Thurtal bis zu den Tessiner Tälern bewundern, und vor zwei Jahren konnte man es auch an der Plakatkampagne der Fachhochschule Chur sehen. Als Blickfang zeigte sie die weltberühmte Salginatobel-Brücke, die im Prättigau (von hier aus gesehen hinter Liechtenstein) ein kleines Seitental überspannt – und das Argument „Wer hier bauen kann …“ ist überzeugend. Nur wenig näher, südlich von Bad Ragaz, steht seit Juni 2017 die elegante Taminabrücke #2# über die gleichnamige Schlucht, über die in dieser Rubrik schon vor der Eröffnung berichtet wurde. Letztes Jahr wurde sie mit dem „Supreme Award“ der internationalen Berufsorganisation Institution of Structural Engineers ausgezeichnet.
Auf deutscher Seite sind es weniger die tiefen Täler, die neue Straßenbrücken nötig machen, hier werden noch immer neue Umgehungs- und Schnellstraßen gebaut, die dann wieder von Brücken für den Orts- und Langsamverkehr überquert werden müssen. Seit vielen Jahren wird die B33 neu zwischen Radolfzell und Konstanz mit großem Aufwand vierspurig ausgebaut, wobei es größtenteils ein Neubau ist, kein einfacher Ausbau. Dafür werden einige kleine Brücken durch neue, längere ersetzt, um die erheblich breitere Straße zu überqueren. Die Fahrrad- und Landwirtschaftsbrücke #3# nordwestlich von Allensbach (auf der Höhe des Ortsendes) hat durch ihre nach außen gerichteten Pylone auch eine dynamische Erscheinung und einen ästhetischen Reiz.
Gerade und schräge Brücken
Wie im richtigen Leben gibt es auch bei den gebauten Brücken ganz symmetrische, wie die Bogenbrücken, die in einer Ebene oder einem flachen Tal einen Fluss oder einen Verkehrsweg überqueren, und der Weg geht weiter wie vorher. Klassische Beispiele dafür sind die Bogenbrücken, wie die Thurbrücke #4# in Wattwil im Toggenburg. Und es gibt Brücken, bei denen es auf der anderen Seite ganz anders aussieht als auf der Seite, wo man steht. Manchmal ist auf der bekannten Seite der Weg eben und bequem, auf der anderen Seite geht es steil den Berg hinauf oder gar direkt in einen Tunnel, wie beim berühmten Landwasser-Viadukt der Rhätischen Bahn nach St. Moritz, das direkt an eine Felswand gebaut ist. Oft werden solche gegensätzlichen Landschaften noch betont, indem Brücken asymmetrisch gebaut werden. Ein besonders eindrückliches Beispiel dafür ist die 1995 erbaute Brücke der Nationalstrasse N4 #5# in Schaffhausen, westlich des Stadtzentrums, die den Kanton und die Stadt Schaffhausen mit dem Rest der Schweiz verbindet. Die Schrägseilbrücke wird von einem einzigen Pylonen getragen, der auf dem südlichen Rheinufer, auf dem Gebiet der Zürcher Gemeinde Flurlingen steht und sich zur anderen Seite hin neigt. Mit dieser Konstruktion sollte das Rheinpanorama möglichst wenig beeinträchtigt werden, und die Stadt bekam einen neuen städtebaulichen Akzent.
Wer mal über mehr als nur sieben Brücken gehen möchte, sollte einen Ausflug nach St. Gallen machen: Der St. Galler Brückenweg geht unter oder über 18 Brücken. Und egal ob Sie über reale oder metaphorische Brücken gehen: Kommen Sie gut hinüber!
Seeraum-Tipps:
Brücken und andere Elemente der nächtlichen Stadtlandschaft zeigt auch die aktuelle Fotoausstellung des Architekturforums Konstanz Kreuzlingen. Mit einem grenzüberschreitenden Blick enthält sie 50 panoramaformatige Schwarz-Weiß-Bilder des Konstanzer Fotografen Lukas Ondreka.
bis 19.01.|„Konstanz Kreuzlingen (un)beachtet – Stadtlandschaften auf den zweiten Blick“, Turm zur Katz, Konstanz| www.architekturforumkk.org
Text + Fotos: Patrick Brauns