Ein letztes Mal kämpfen um das Siegerpodest, ein letztes Mal Boxenstopp, ein letztes Mal von der Geschwindigkeit in den Sitz gedrückt werden. Sebastian Vettel beendet nach der Saison 2022 seine Formel-1-Karriere und blickt auf 16 Jahre Motorsport zurück. Sein „Ruhestand“ bedeutet für ihn mehr Zeit für das Familienleben auf seinem ehemaligen Bauernhof im Thurgauer Kemmental – und für den Klimaschutz.
Eine Karriere wie im Bilderbuch. Zumindest zu Beginn. Nun endet diese Geschichte in der 16. Saison seiner Rennsportkarriere. Mit einem Schwarz-Weiß-Video auf Instagram verkündet er seinen Entschluss, erzählt von seiner Kindheit, wie er den Geschwindigkeitssport zu lieben begann und begründet seine Entscheidung, mit dem Profisport aufzuhören.
„Rennfahrer zu sein war nie meine einzige Identität. Meine Definition von Identität ist vielmehr, wer wir sind und wie wir andere behandeln.“
Leben abseits der Strecke
Vettel hat Benzin im Blut, auch wenn er das so nicht sagen würde. Seit geraumer Zeit ist er immer wieder durch seine politischen und umweltbewussten Aussagen aufgefallen. Doch kann das passen? Ein Klimaaktivist, der sein Geld damit verdient, Abgase in die Luft zu pumpen? Für ihn ein innerer Konflikt, den er mit CO2-neutralem Brennstoff, Müllsammelaktionen nach Rennen oder Bauen von Bienenhotels auszugleichen versuchte. Der Widerspruch blieb dennoch bestehen und war wohl mit ein Grund für die Entscheidung, sich von der Formel 1 zu distanzieren. Seine Werte konnte er schlichtweg nicht mehr mit seiner Passion Motorsport vereinen. Schon seit geraumer Zeit kritisierte Vettel die Umgangsweise der Formel 1 mit homophoben, sexistischen und rassistischen Vorfällen. Beim Rennen im österreichischen Spielberg eskalierte die Situation beinahe, denn Zuschauerinnen wurden von alkoholisierten Männern auf den Tribünen schwer beleidigt. Vettel forderte harte Konsequenzen. Dass sein Rennstall Aston Martin in dieser Saison eine Zusammenarbeit mit dem saudi-arabischen Mineralölhersteller Aramco bekannt gab, also eine Kooperation mit einem Land eingeht, das wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik steht, passt wohl auch nicht zu Vettels Haltung.
An seine früheren Erfolge konnte Vettel in den letzten Jahren nicht mehr anknüpfen. Seine aktuelle Saison wird die letzte sein. In seiner Abschiedstour darf er sich noch zehn Rennen stellen, bevor der Formel-1-Motor für immer abgestellt wird. Trotzdem ist er weiterhin immer für eine Schlagzeile gut. Zuletzt wurde spekuliert, ob er sich eine großzügige Alpe in Vorarlberg kaufen würde. Wünschenswert wäre es, wenn Vettel seine Bekanntheit zukünftig für weitere Klimaschutz-Aktionen einsetzen würde. Im September findet am Bodensee der Rhine CleanUp statt. Wer würde nicht gerne an der Seite des Vierfachweltmeisters Müll am Ufer sammeln?
Text: Leona Remler
Beitragsbild: © Zak Mauger