Er ist einer der Großen in der Veranstaltungsbranche. Egal ob Southside oder Hohentwiel Festival, Rock am See oder das bis heute unvergessene Zeltfestival in Konstanz: Viele bedeutende Musikevents in Süddeutschland gingen in den vergangenen 40 Jahren mit Hilfe von Dieter Bös über die Bühne. Bis er sich dann 2016 mit dem Verkauf des Konzertbüros Koko quasi verabschiedete. Doch der heute 65-Jährige hat noch viel zu viele Ideen und Projekte, als dass er sich wirklich zur Ruhe setzen könnte. Auch nach der Corona-Krise. Gut so.
akzent: 1978 Koko Entertainment ins Leben gerufen, Ende 2016 abgegeben, 2019 mit Xhavit Hyseni (37) Kokon Entertainment gegründet. Warum bist Du nicht gleich dabei geblieben?
Dieter Bös: (lacht) Das fragen mich meine Freunde auch … Es ist tatsächlich einfach eine tolle Perspektive, die mir die Partnerschaft mit Xhavit Hyseni bietet. Er ist ein aktiver, deutlich jüngerer Veranstalter, aber wir sprechen beide dieselbe Sprache. Es macht mir sehr viel Spaß, an ihn etwas weiterzugeben und von ihm zu lernen. Auch weil ich feststellen musste, dass Konstanz in den Tourneeplänen von großen Bands zu wenig erscheint. Ich finde beispielsweise, dass das Bodenseestadion hier so viel Potenzial hat, da sollte man mindestens ein bis zwei Veranstaltungen im Jahr machen – wenn es denn wieder geht. Zu dieser Idee haben wir viele positive Reaktionen – das bestätigt mich in dieser Einschätzung.
akzent: Also kein Ruhestand in Sicht?
Dieter Bös: … ich versuche allen Interessen gerecht zu werden. Klar strebe ich keine 70 Stunden-Woche an, aber wir haben noch einiges vor. Wobei Xhavit und ich uns einig sind, dass wir nicht um jeden Preis jede Veranstaltung durchführen müssen. Wir nehmen uns das Recht heraus, auf unseren eigenen Geschmack und unsere Einschätzung zu hören.
akzent: Der Lockdown aufgrund der Corona-Pandemie hat auch die Veranstaltungsbranche hart getroffen. Wie geht es Kokon Entertainment?
Dieter Bös: Es ist momentan eine sehr undankbare Aufgabe, alles verschieben zu müssen, aber eben notwendig. Doch es gibt viele positive Impulse, die Leute sind unheimlich verständnisvoll. So behalten die meisten auch bislang ihre gekauften Karten und sämtliche Bands versuchen alles möglich zu machen. Das Open Air in Markdorf etwa steht bereits. Nico Santos, Gentleman, Beatrice Egli, Spider Murphy Gang – alle haben auch für 13.bis 16. Mai 2021 zugesagt. Das Campusfestival in Konstanz konnten wir ebenso bereits für 14.und 15. Mai 2021 festmachen. Und fürs Hohentwiel Festival haben ebenfalls bereits drei der für dieses Jahr geplanten Künstler auch für 2021 zugesagt: Flogging Molly für 22.Juli und Lea und Lotte für 23.Juli.
„Es gibt momentan viele positive Impulse.“
akzent: Stichwort Hohentwiel: Du übernimmst nach einer Pause jetzt auch wieder dieses Festival, welches zwar coronabedingt ins nächste Jahr rückt, dennoch: Rückkehrer an allen Orten sozusagen – kommt auch das legendäre Zeltfestival wieder nach Konstanz?
Dieter Bös: Das treibt mich natürlich auch um. Vor einiger Zeit hat mich eine ältere Dame auf die Schulter gehauen (lacht) und geschimpft: ‚Herr Bös, warum haben sie das Zelt abgebaut!‘. Es sind wirklich viele Emotionen, die mir da entgegenströmen. Und da habe ich, ganz ehrlich, auch ein schlechtes Gewissen über den Abgang des Zeltfestivals damals. Mein Nachfolger hatte mir vollmundig versprochen, dass es bleibt – und nichts war. Das ist sehr, sehr schade … Du siehst, da berührst Du einen wunden Punkt! Es war eine tolle Sache und viele Künstler und viele aus dem Publikum schwärmen heute noch davon. Das werden wir sicher in nächster Zukunft durchsprechen. Es müssen eben viele Leute dazu gehört werden, allen voran die Stadt. Ich will das Zeltfestival noch nicht ganz aufgeben …
„Ich kann versprechen, dass wieder einige große Namen kommen.“
akzent: Konstanz, der größten Stadt am Bodensee, wird oft nachgesagt, dass es musikalisches Brachland sei in Sachen Pop und Rock – spätestens seit dem Aus der von Rock am See und dem Zeltfestival. Warum ist das so?
Dieter Bös: Das sehe ich nicht so. Ich habe zum Beispiel im vergangenen Jahr zwei wunderbare Konzerte im K9 gehört, dann gibt es das Campusfestival, den Kulturladen mit vielen tollen Bands und Konzerten und und und … aber ja, es gibt in Singen das Hohentwiel Festival, es gibt den Honberg Sommer, das Kulturufer Friedrichshafen – im Vergleich dazu wäre in Konstanz das Zeltfestival, wie schon gesagt, durchaus wieder eine Überlegung wert! Aber ich glaube mit dem neuen Ansatz, den wir schon vor dem Lockdown hatten und jetzt weiterentwickeln wollen, darunter der Beginn des Vorverkaufs für ein Open Air im September 2021 – kann ich den Konstanzern versprechen, dass doch wieder einige große Namen kommen. Übrigens ist auch durchaus das Bodenseeforum auf unserer Agenda.
„Man muss, auch wenn es schwer wird, eigene Wege gehen.“
akzent: Mit dem Verkauf von Koko 2016 wurde dann damals die Vaddi Concerts GmbH in Freiburg gegründet, die wiederum eine 100% Tochter von Eventim Live ist. Die gelten als überregionale Krake, die sich alles einverleibt (Summerdays Arbon, Open Air St. Gallen u.a.). Wie gehst Du damit um?
Dieter Bös: Die Krux ist eben, dass das auch ein überregionaler Ticketanbieter ist, nicht nur Veranstalter. Damit hat man das ja selbst finanziert, dass der sich diese Bands und Festivals überhaupt leisten und damit den Markt bestimmen kann. Das ist eine schwierige Situation, die schon lange in der Branche diskutiert wird. Ein junger, unabhängiger Veranstalter aus Berlin hat vor einiger Zeit mal dazu gesagt, dass es die Großen immer geben wird, aber auch die kleinen, unabhängigen Veranstalter – man müsse einfach kreativ bleiben. Und das stimmt. Man darf sich nicht zu sehr davon beeindrucken lassen. Man muss, auch wenn es schwer wird, eigene Wege gehen. Die Anforderung an die eigene Kreativität wird erhöht.
akzent: Wie definierst Du persönlich gute Musik?
Dieter Bös: (schmunzelt) Das ist eine super Frage! Und so leicht, wie schwer zu beantworten … Einfach wenn sie mich anspricht. Wenn ich zum Beispiel bei einem Straßenmusiker stehen bleibe oder wenn ich im Radio ein Lied höre und mich dann darum kümmere, wer denn die Band ist oder wenn ich mich einfach freue, ein Lied wieder zu hören. Gute Musik muss nicht immer perfekt gespielt sein, aber der Musiker muss natürlich sein Instrument dennoch beherrschen. Auf was es mir weniger ankommt, sind die Texte. Bei den Black Sorrows aus Australien zum Beispiel, die erst kürzlich wieder in Konstanz gespielt haben. Egal um was es inhaltlich geht, man hört einfach, dass das Vollblutmusiker sind! Da kommt etwas rüber.
akzent: Und genau nach diesen Kriterien wählst Du die Bands aus?
Dieter Bös: Die müssen natürlich auch in der Lage sein, genügend Tickets zu verkaufen. Es wäre fatal, wenn kaum Leute kämen … Oder manchmal wähle ich auch einfach eine Band aus, die ich den Leuten gerne vorstellen möchte. Zum Beispiel Flogging Molly, die nächstes Jahr auf den Hohentwiel kommen. Oft sind solche Bands auch wie alte Freunde, die man wieder holt. Aber auch ganz neue Sachen, wie jetzt Lea und Lotte, die im Vorverkauf eine wahnsinnige Resonanz haben. Es ist die Abwägung zwischen den Nerv treffen und guter Musik, aber das klappt nicht jedes Mal. Wäre ja zu einfach … (lacht). Und ich vermeide natürlich nur meinen Geschmack als das Non plus ultra gelten zu lassen. Das wäre Quatsch. Ich muss wach sein und interessiert – genau wie übrigens auch das Publikum.
akzent: Stars treffen, Festivals gestalten – Konzertveranstalter hört sich nach einer Menge Spaß an. Wolltest Du je was anderes machen?
Dieter Bös: (lacht) Ich wollte als Kind Polizist werden, aber so mit 13 hatte sich dieser Berufswunsch erledigt. Ich habe in der Tat mit 16 oder 17 Jahren mein erstes Konzert organisiert, im Haus der Begegnung in Bruchsal. Es ist viel Arbeit, es ist viel Verantwortung, es ist viel Papierkram … Es ist nicht immer nur Party und Leute kennen lernen, aber es ist schon eine Seite daran, die einfach viel Spaß macht: wenn das Publikum begeistert ist und die Künstler sagen auch, es war toll heute. Wobei oft bei schlecht besuchten Veranstaltungen der Veranstalter schuld ist und bei guten der Künstler … das sollte man als Veranstalter einfach so akzeptieren.