D – Berlin/Singen/Konstanz | Vom Comic lesenden Enkel am Kiosk seiner Oma über eine Ausbildung als Heizungsbauer zum erfolgreichen Regisseur. Wenn das mal keine Karriere ist. Der 1955 in Singen geborene Didi Danquart kehrt jetzt für einige Wochen in die Heimat zurück, um am Theater Konstanz beim Schauspieldrama „Von Mäusen und Menschen“ Regie zu führen. Der Autodidakt im Gespräch mit akzent über Kuchen und Torten, über Film und Theater und über eine Sehnsucht nach Heimat.
Die Liste seiner Werke ist lang. Didi Danquart kann mittlerweile sichtbare Erfolge verzeichnen: egal ob als Regisseur, Autor oder Filmproduzent. Und das obwohl seine einzige abgeschlossene Ausbildung die eines Heizungsbauers ist. Das Handwerk hielt ihn jedoch nicht davon ab, sich weiter seiner Leidenschaft zu widmen. „Meine Großmutter hatte einen Kiosk, an dem ich donnerstags immer alle neuen Comics gelesen habe. Ich war vernarrt, und diese gezeichneten Geschichten haben mich begeistert.“ Sein Weg führte ihn über das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg weiter nach Freiburg in ein Studium der Psychologie und Soziologie. 1978 ist er Mitbegründer der Freiburger Medienwerkstatt, die als Kollektiv 1983 gar den deutschen Dokumentarfilmpreis der Filmkritik für ihre Arbeit bekommt. 1991 bringt er als Regisseur und Autor den langen Dokumentarfilm „Der Pannwitzblick“ auf die Leinwand und beweist wieder einmal, dass er es kann: Deutscher Dokumentarfilmpreis, Film Award Chicago, Brussel Golden Award lautet die Bilanz. 1999 gelingt im schließlich der internationale Durchbruch. Die Verfilmung des Theaterstücks „Viehjud Levi“ von Thomas Strittmatter gewinnt bei der Uraufführung auf der Berlinale 1999 sofort den Caligaripreis. Gut ein Jahr später dann der erste „Tatort“, einige Folgen der „Soko Stuttgart“ und weitere erfolgreiche Kinofilme wie zuletzt die Verfilmung des Romans „Goster“ des Singener Autors Gerd Zahner (siehe akzent September), mit dem er 2018 für den Grimme-Preis nominiert ist.
Danquart erzählt einerseits sehr gelassen, als ob es das Normalste der Welt ist, dass er sich selbst das Filmemachen beigebracht hat, andererseits weiß er jedoch, dass es etwas Besonderes ist. „Das war eine Zeit, in der das ging. Die jungen Leute heute haben es schwerer. Die Welt ist nicht mehr so offen für autodidaktische Wege. Besonders im Filmgeschäft ist die Konkurrenz hart geworden.“ Und er muss es wissen. Regelmäßig kommt er in Kontakt mit dem Mediennachwuchs: Seit 2009 hat er einen Lehrstuhl für Spielfilm/Regie an der Kunsthochschule für Medien in Köln inne. Zuvor, 2001 – 2007, den für künstlerischen Film an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Doch nicht nur Kino und TV haben es dem Filmemacher angetan. Seit 1999 führte er auch immer wieder Regie am Theater. Was ist der Reiz?
Von Theater und Film
„Ich mag beides sehr gerne.“ Danquart lacht: „Das ist wie Kuchen und Torte.“ Beides lecker, aber warum solle man nur entweder/oder wählen? „Die Schauspieler sind das Entscheidende: Entweder sie faszinieren das Publikum oder eben nicht. Punkt. Ein Film lebt nicht über technische Innovationen. Wenn die Schauspieler nicht gut sind, hilft das alles nichts.“ Der Unterschied sei hauptsächlich die Vorbereitung: „Ich habe am Theater sechs bis acht Wochen, um mit den Schauspielern Figuren zu entwickeln. Im Film dagegen bedeutend weniger. Dafür ist die technische Vorbereitungszeit – ohne Schauspieler – länger. Am Theater hängt es zudem vom Publikum ab, wie die Vorstellung läuft. Da ist jeder Tag eine Art Premiere. Das ist aufregend.“ Ein Film hingegen bliebe immer derselbe, egal wie oft man ihn ansehe. Doch im Grunde sei es doch irgendwie gleich. Kuchen und Torte eben. Dazu die Freiheit der Kreativität: „Ich kann eine Couch auf die Bühne stellen und Hamlet spielen. Die Couch als Schloss, als Vorhof, als Grabstelle … Im Film funktioniert das nicht.“ Die Fantasie des Zuschauers würde im Theater mehr gefordert, im Film sähen sie nur die individuelle Interpretation des Regisseurs. Auch deshalb geht Danquart privat lieber ins Theater. Also doch lieber Kuchen als Torte? „Nein! Man kann sich im Kino schön berieseln lassen und Popcorn essen, es gibt aber auch Filme, vor allem im Arthauskino, in denen du auch intelektuell gefordert wirst.“ Also doch Kuchen und Torte.
Von Mäusen und Menschen
Danquart lebt heute in Berlin. Auf das Engagement in seiner Heimat freut er sich besonders: Es ist die erste Zusammenarbeit mit dem Stadttheater Konstanz, zudem lebt seine Mutter noch in Singen. Er wird das Stück, welches eigentlich in den 1920er-Jahren in den USA spielt, aus seinem Ursprung lösen und „in einen Kontext des derzeitigen politischen Diskurses legen“. Vor allem habe er Lust, das Stück, welches als typisches Werk des American Dream gilt, zu regionalisieren. So werden die Wanderarbeiter im Stück also nicht durch Kalifornien streichen, sondern sich in Süddeutschland ansiedeln. „Ob es gelingt, weiß ich nicht, man muss sehen. Im Stück ist die Sehnsucht nach Heimat, das ist etwas Universelles, losgelöst von einem konkreten Ort.“
ab 19.10., 20 Uhr Stadttheater | D-78462 Konstanz | +49 (0)7531 900 150 | www.theaterkonstanz.de, www.didi-danquart.de
Text: Tanja Horlacher | Fotos: Katja-Julia Fischer