Vera Hemm, Jahrgang 1935, ist es gewohnt, gegen den Strom zu schwimmen, als Tochter Konstanzer Kommunisten wurde ihr das in die Wiege gelegt. Seit 51 Jahren ist sie Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei DKP. Als Mitgründerin der Frauenkulturgruppe des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB in Konstanz hat sie wesentlich dazu beigetragen, den Internationalen Frauentag IFT in Baden-Württemberg wiederzubeleben – gegen den starken Strom des DGB-Bundesvorstandes.

Die Idee, den IFT zu feiern, war vor 50 Jahren ungefähr so exotisch wie die Vorstellung, eine Frau könnte Bundeskanzler sein, geschweige denn Bundeskanzlerin. Auch den Gewerkschaften war nicht wohl dabei; sie betrachteten den Frauentag als kommunistische Tradition, die es zu verhindern galt. Und außerdem: Wozu denn? Frauen als zahlende Mitglieder waren willkommen und auch immer irgendwie mitgemeint bei den gewerkschaftlichen Forderungen. Die mussten doch wirklich nicht lautstark auftreten und eigene Meinungen äußern zu Themen wie Lohngleichheit, Ladenschluss, Kinderbetreuung. „Die Mamme dehom“ sei und bleibe ohnehin das Ideal, dozierte ein Mundartschreiber in der Tageszeitung Schwarzwälder Bote. Das klang keineswegs fröhlich, sondern mansplainend, obwohl es zumindest das Wort damals noch gar nicht gab.

Das änderte natürlich nichts am Beschluss: Wir holen uns den Internationalen Frauentag zurück, mit oder ohne Placet der (DGB)-Herren! Vera Hemm:

„Wir wollten in Konstanz diesen Tag 1980 mit einer kulturellen Veranstaltung feiern, und ich setzte mich hin und machte meine ersten Versversuche. Es klappte und wir hatten Erfolg: ein volles Haus im damaligen Konstanzer Jugendzentrum.“

Vera Hemm

Weitere DGB-Kreise schlossen sich an. Über 30 Jahre lang gestalteten die unermüdliche Kämpferin und ihre Kombattantinnen Programme zum IFT. Die humorvollen Beiträge zu ernsthaften Themen und die zunehmend professionelle Bühnenpräsentation erwiesen sich bald als Zugpferde der Veranstaltungen. Überwiegend verfasste Vera Hemm Parodien bekannter Lieder, ferner Gedichte und Sketche zu politischen Streitthemen aus 31 Jahren Gewerkschafts- und Frauenarbeit. Auch der Kirche verpasste die nie getaufte und jahrelang mit einer Frau liierte Aktivistin mitunter einen Seitenhieb. Ihr Fazit?


„Wir haben zwar die Welt nicht verändert, aber in manchen Bereichen konnten wir kleine Erfolge erzielen

Vera Hemm

– beispielsweise dazu beitragen, in Konstanz die Stelle der Frauenbeauftragten zu schaffen. Und eben den IFT im Raum Bodensee aus der Versenkung zu holen.

Doch nun mal Butter bei die Felchen. Dem alten Volkslied „Der Jäger in dem grünen Wald“ verlieh die „fabulierende“ Aktivistin (den Ausdruck übernahm sie von Goethe) einen frischen Text:

Der 8. März ist Frauentag!
Ja, da kommen wir zusammen und wir informier’n
Und wir feiern miteinander und wir diskutier’n
Und wir fordern, wir fordern
Für Frauen Chancengleichheit und mehr Recht.

Vera Hemm

So dichtete, sang, klavierbegleitete oder schauspielerte die ehemalige Abiturientin des Ellenrieder-Gymnasiums. Und während der Originaltext des Jägerliedes glücklicherweise weitestgehend vergessen ist, kommt der IFT jedes Jahr recht lebendig daher. Da mögen die strammen Waidmannen sich zorneszitternd sonst wohin schießen. Der Frauentag wird bestehen, solange er nötig ist.

Vera Hemm
1935 geboren in Konstanz
Abitur am Ellenrieder-Gymnasium
bis 1995 Arbeit als Chemielaborantin bei Byk Gulden u. a.
Betriebsrätin
DGB- und DKP-Mitglied bis heute
Vorsitzende des Kreis-Frauenausschusses des DGB im Kreis Konstanz
Mitgründerin und führendes Mitglied der DGB-Frauen-Kulturgruppe „Menschen zufällig weiblich“
Zahlreiche Ehrenämter

Die Schriftstellerin
Vera Hemm arbeitet derzeit an einem Buch über ihr politisch-kabarettistisches Engagement für den IFT. Es soll im Laufe des Jahres erscheinen und enthält ein Best-Of der wichtigsten und beim Publikum beliebtesten Texte sowie jede Menge Hintergrundinformationen.
Bereits 2002 erschien ihr Buch „Im Zeichen der roten Nelke“, eine Doppelbiografie über sich und ihre Mutter Johanna Hemm. Pahl-Rugenstein Verlag, 648 Seiten, 24 €.

Alle wörtlichen Zitate im Beitrag stammen aus dem Buch.

Text: Anja Böhme