… als Chance für demokratische Prozesse
Die Digitalisierung ist Treiber und Resultat des technologischen Fortschritts und der digitalen Transformation der Gesellschaft, die auch vor der Politik nicht Halt macht. Die „Politik der Digitalisierung“ und die „Digitalisierung der Politik“ gehen Hand in Hand. Die Digitalisierung bietet auch für die Politik Chancen, birgt aber auch Risiken.
Digitalisierung ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Hiermit sind zahlreiche Herausforderungen verbunden, die Einfluss auf Politik und Verwaltung, demokratische Prozesse und die Beteiligung der Bevölkerung an politischen Entscheidungsfindungsprozessen haben. Viele Städte und Gemeinden bieten heute ihre Leistungen (auch) online an. Um als smarte Verwaltung die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, braucht es jedoch mehr als Online-Formulare. Big Data und algorithmische Entscheidungsfindung können beispielsweise für eine Realtime-Steuerung und persönliches Feedback genutzt werden. Zwischen dem, was bereits möglich ist, und der Realität in Städten und Gemeinden, aber auch auf Kantons-, Länder- und Bundesebene scheint jedoch vielfach noch eine grosse Lücke zu klaffen.
Chancen und Risiken der Digitalisierung
Die Chancen der Digitalisierung für die Politik liegen u.a. in grösserer Transparenz, der Einbeziehung weiterer Bevölkerungsgruppen und in neuen Kommunikationswegen. Die politischen Botschaften können breiter gestreut und mehr Menschen zugänglich gemacht werden. Informationen sind schnell und überall verfügbar, und die Vielfalt der Meinungen ermöglicht es, sich einen umfassenden Überblick zu verschaffen. Insbesondere soziale Medien gewinnen hierbei an Bedeutung. Diese verfolgen jedoch oftmals andere Interessen, sie sind kommerziell orientiert und versuchen, möglichst viele Nutzerinnen und Nutzer an sich zu binden. Digitalisierung birgt auch Risiken durch Desinformation und Fake News. Hier wäre eine größere Eigenverantwortung der Medien gefragt, da eine stärkere Kontrolle und Steuerung digitaler Medien durch den Staat Gefahr liefe, die Informations- und Meinungsfreiheit einzuschränken. Beispiele etwa aus China zeigen, wie eine politisch motivierte Zensur als Repressionstechnologie eingesetzt werden kann.
Wandel der Medienlandschaft
Die Medienlandschaft erlebte in den vergangenen Jahren eine zunehmende Fragmentierung: klassische Medien wie Zeitungen, Radio und Fernsehen geraten gegenüber Social Media und Internet ins Hintertreffen. Die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung sind vielfältiger geworden, der Zugriff ist schneller und einfacher, die Zahl der Anbieter hat sich vervielfacht. Die Konkurrenz im globalen digitalen Medienmarkt ist groß – was es auch für die Konsumentinnen und Konsumenten zunehmend schwieriger macht, sich zu orientieren. Die öffentlich-rechtlichen Medien stehen seit Jahren stark unter Druck und verlieren in Bezug auf Meinungsbildung und Meinungsführerschaft an Bedeutung. Das Stammpublikum altert und Jüngeren fehlt oftmals der Zugang zu Tageszeitungen oder den 8 Uhr-Nachrichten. Um junge Zielgruppen zu erreichen, erweitert beispielsweise auch das Schweizer Radio und Fernsehen sein Angebot und seine Kanäle, um deren Nutzungsgewohnheiten zu entsprechen.
Digitale Bürgerbeteiligung
Die Vielfalt der digitalen Kommunikationskanäle eröffnet auch Städten und Gemeinden, Ländern und Kantonen neue Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung. Der Einsatz digitaler Medien und Tools sollte aber auch in der Politik nie Selbstzweck sein, sondern einer definierten Zielerreichung und Problemlösung dienen. Beispiele nicht nur aus Vorarlberg, Vaduz oder dem Toggenburg zeigen, wie Bürgerbeteiligung mithilfe digitaler Tools gelingen kann. Über interaktive Beteiligungsplattformen können die Meinungen und Ideen zahlreicher Bürgerinnen und Bürger in politische Prozesse einfließen. Die Stadt oder Gemeinde kann schnell und einfach ein Stimmungsbild der Bevölkerung einholen oder auch über aktuelle Themen informieren. Auch hier ist Transparenz wichtig, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu gewinnen und echte Partizipation zu ermöglichen. Die Erfahrungen machen aber auch deutlich, dass es einen Mix aus digitalen und analogen Beteiligungsformen braucht, um möglichst viele dazu zu motivieren mitzudenken und sich einzubringen. Auch hier können digitale Möglichkeiten den persönlichen Kontakt und das Gespräch zwar nicht ersetzen, aber dennoch einen Beitrag zur aktiven Beteiligung der Bevölkerung leisten.
Politik und Bevölkerung gemeinsam
Wie in vielen Bereichen mangelt es auch hier nicht an technischen Lösungen. Vielmehr braucht es ein Umdenken in Politik und Verwaltung, letztlich aber auch in der Bevölkerung, um Rahmenbedingungen politischer Entscheidungsprozesse zu verbessern und die Chancen der Digitalisierung für demokratische Prozesse zu nutzen. Letztlich geht es auch für Politik und Verwaltung um einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien und digitalen Tools, bei dem freie Meinungsäußerung und freie Willensbildung nicht eingeschränkt und aktive Teilhabe und Partizipation gefördert werden.
Text: Simone Strauf & Matthias Mölleney