CH – Weinfelden | Der Regisseur Jean Grädel ist 1943 in Hefenhausen im Thurgau geboren und lebt nach vielen Stationen heute wieder im Kanton, in Landschlacht. Im Juni 2018 ist er 75 Jahre alt geworden, gut 50 davon widmete er dem Theater – und ist bis heute des Inszenierens nicht müde.

Mit 16 Jahren hegte Jean Grädel bereits den Wunsch, Schauspieler zu werden. „Mein kluger Vater brachte mich aber dazu, erst mal etwas ,Sicheres‘ zu lernen“, erzählt er. So besuchte der junge Jean zunächst das Lehrerseminar in Kreuzlingen, bevor er sein Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft in Zürich aufnahm. Während des Seminars hatte er bereits gemerkt, dass ihn Regie mehr reizt, als selbst auf der Bühne zu stehen. In seiner Ausbildung hatte er dann auch „hervorragende Regisseure“.

Mindestens 180 Stücke brachte er auf die Bühnen. Grädel gründete Theater wie „die claque“ oder das „Spatz & Co“ in Baden/Aargau, war mehrfach Theaterdirektor in Zürich, Stiftungsrat bei Pro Helvetia, der Thurgauer Kulturstiftung oder der Fondazione Dimitri. Bis heute präsidiert der schaffenswütige Thurgauer die Armin Ziegler Stiftung, die angehende Schauspielerinnen und Schauspieler unterstützt. 2004 wurde er zum „Chevalier de l’Ordre des Arts et des Lettres“ ernannt, eine Auszeichnung des französischen Kulturministeriums, 2007 erhielt er den Kulturpreis des Kantons Thurgau. Doch dies sind nur einige Abschnitte aus der reichen Vita.

Geschichten zum Verstehen

Theater bedeutet für Grädel, Geschichten zu erzählen, das Publikum zum Nachdenken und Lachen zu bringen. „Aber denken strengt an“, bemerkt der Regisseur mit Blick darauf, dass viele Menschen gar nicht ins Theater gehen. Das könne aber auch damit zu tun haben, dass die Leute nicht verstünden, was auf der Bühne passiere. In den letzten 50 Jahren hat sich viel gewandelt. „Die institutionelle Kunst öffnete sich, was Ästhetik und Formales betrifft, gegenüber der freien Szene. Es hat eine Befruchtung stattgefunden.“ Gleichzeitig arbeiten heute viele freie Gruppen immer mehr mit Perfomances. „Ich möchte das nicht kritisieren. Sie sind auf der Suche, das waren wir damals auch.“ Als er um 1968 angefangen habe, glaubte Grädel, man könne mit Theater die Welt verändern. Heute sieht der Thurgauer Künstler das anders: „Die Welt verändern kann man mit Theater nicht. Aber man kann Denkanstöße geben.“ Er versucht in seiner Kunst gesellschaftliche Inhalte so zu verpacken, „dass ich die Leute reinziehe“.

Bis die Fassade bröckelt

In der Farce „Cash – Und ewig rauschen die Gelder“ bringt Eric Swan es nicht übers Herz, seiner Frau zu gestehen, dass er arbeitslos ist. Stattdessen sucht Eric andere Lösungen, an Geld zu kommen, und findet dafür zahlreiche Lücken im Sozialstaat. Bis eines Tages Mr. Jenkins vom Sozialamt den Lügenturm ins Wanken bringt. „Diese Komödie ist an der Grenze dessen, was Amateure schaffen können“, so der Regisseur. Die schnellen Wortduelle seien unheimlich schwierig zu lernen. „Es kommt zu Monty Python ähnlichen Verstrickungen“, was eine wahnsinnige Gedächtnisleistung für die Schauspieler sei. „Cash“ ist Jean Grädels dritte Silvesterproduktion mit dem Ensemble der Bühni Wyfelde, das hauptsächlich aus Laien besteht. „Aber da sind gute Spieler dabei und wir haben bisher jedes Mal reüssiert.“ Also darf man sich auch dieses Jahr auf einen Abend voller Wortwitz und Situationskomik freuen: „Das Stück zielt auf die Lachmuskeln und darunter gemischt ist eine sozialkritische Färbung.“

31.12.-26.01. | Theaterhaus Thurgau, Bahnhofplatz, CH-8570 Weinfelden | +41 (0)71 622 20 40 | www.buehniwyfelde.ch, www.jeangraedel.ch

Text: Judith Schuck | Fotos: Irene Sabel, Theaterhaus Thurgau