Immer noch werden hierzulande mehr als 45 Millionen Küken Jahr für Jahr gleich nach dem Schlüpfen getötet – weil sie männlichen Geschlechts sind. Sie sind das Nebenprodukt einer effizienten Legehennen-Haltung, unnütz, weil sie keine Eier legen können und für die Mast nicht wirklich taugen. Aber es geht auch anders: Der Hönig Hof in Mühlingen setzt sich zusammen mit regionalen Eierproduzenten für die Aufzucht männlicher Küken ein. Ein landesweites, ambitioniertes Projekt, die Huhn & Hahn Initiative.
Komplette Umstellung als Ziel
„Wer seine Hühner Eier legen lässt, darf die männlichen Küken nicht vergessen und sollte sie nach dem Schlüpfen nicht aussortieren und töten.“ Christoph Hönig findet, dass diese Überlegung im Sinne des Tierwohls künftig idealerweise eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Bereits 2013 begann er, zusammen mit dem Hoßkircher Landwirt Konrad Halder, zunächst 900 männliche Küken aufzuziehen und mit der Fleischverwertung der sogenannten Bruderhähne zu experimentieren. Inzwischen darf sowohl in der Freiland-, wie auch in der Biohaltung des Hönig Hofs und seiner Partnerbetriebe für jedes Huhn ein Hahn überleben. Im kommenden Jahr sind die Hühner aus Bodenhaltung dran und bis Ende 2021 soll die Umstellung komplett sein. Zwei weitere Mobilställe für die Hähne hat Christoph Hönig bereits bestellt.
Ein sehr ambitioniertes Projekt, das, wie Hönig betont, nur zusammen mit den Partnern der Huhn & Hahn-Initiative und dem Verbraucher realisierbar ist. Der Kunde muss jetzt seinem vielfach geäußerten Wunsch nach besseren Haltungsbedingungen Taten folgen lassen und tatsächlich für ein Ei drei Cent mehr ausgeben. Denn da die Mast der männlichen Hybriden unwirtschaftlich ist, die Eier der weiblichen aber gut vermarktet werden, kann die Legehenne ihren Bruder subventionieren und ihm damit ein Leben ermöglichen. Christoph Hönig hofft, „dass der Kunde beim höheren Eierpreis mitgeht“.
Gesunde Tiere, ausgezeichnetes Fleisch
Gut dreimal länger als die üblichen Masthähnchen leben die Hähnchen auf den an der Initiative beteiligten Höfen (s.u.): Ein erheblicher zeitlicher und finanzieller Mehraufwand für den Landwirt. „Das sind schlanke, vitale Bruderhähne, die wegen des langsamen Wachstums sehr gesund sind“, freut sich Christoph Hönig. Das Fleisch der Hähne ist fest im Biss und schmeckt ausgezeichnet. Bisher geht das Fleisch aus ökologischer Aufzucht an einen Hersteller von Babynahrung, das der Freilandhähnchen steckt in den „Maultaschen mit Hähnchenfleisch“ von Bürger. Anstelle sinnloser Kükenvernichtung steht hier die sinnvolle Verwendung in der Nahrungsmittelproduktion. Die seit einiger Zeit diskutierte geschlechtliche Früherkennung im Ei gehe für ihn und seine Partner nicht in die richtige Richtung, sagt Christoph Hönig. „Zu diesem Zeitpunkt ist das Ei schon so weit entwickelt, dass es nur um einen ins Ei verlagerten Tötungszeitpunkt geht.“
Bis zum Jahresende, so der Plan, werden auch ganze Hähnchen dort erhältlich sein, wo es bisher die Huhn & Hahn-Eier gibt: bei Edeka, Rewe, Kaufland, Landmarkt und auf Bauern- und Wochenmärkten, für den Anfang erst mal als Tiefkühlware. Natürlich kann man sie nach Absprache derzeit direkt ab Hof beziehen. Zwei Restaurants haben die Hähnchen bisher auf der Karte: das Staader Fährhaus in Konstanz und das Felders in Friedrichshafen. Dort können Skeptiker schon mal die Geschmacksprobe machen.
Christoph Hönig und seine Kollegen der Huhn & Hahn-Initiative sind dankbar für das wachsende Bewusstsein der Verbraucher in der Region für gute Nahrungsmittel und betonen die Notwendigkeit, im stetigen Dialog zu bleiben, „um gemeinsame Lösungen zu finden“. Daher auch die zwei Sprechblasen im Logo des Unternehmens. Die gleiche Dankbarkeit gelte aber auch für den regionalen Einzelhandel und dessen Bereitschaft, die Initiative zu ermutigen und zu unterstützen.
Landesweite Kooperation
Die einzigartige Kooperation mit anderen Höfen, in der Regel bäuerliche Familienbetriebe, erleichtert die von Christoph Hönig gesteuerte gemeinsame Vermarktung. Huhn & Hahn ist auf Wachstum angelegt. „Bei einem Eier-Selbstversorgungsgrad in Baden-Württemberg von 35 Prozent ist noch viel Luft nach oben“, sagt Hönig. Und ja, besser Eier aus nachhaltiger Haltung als aus norddeutscher oder niederländischer Eierindustrie. Letztlich entscheidet immer der Verbraucher, ob er durch den Kauf der einige Cent teureren Huhn & Hahn-Eier das Miteinander von Mensch und Tier ein Stück gerechter macht.

Der „gläserne Hühnerstall“
Wer jetzt Lust bekommen hat, sich die Tiere und die Haltungsbedingungen einmal aus der Nähe anzuschauen, der/die kann einen Termin zum Besuch des „gläsernen Hühnerstalls“ mit Lehrpfad auf dem Hönig Hof vereinbaren. Der „gläserne Stall“ wurde 2012 ausgezeichnet, als erster seiner Art in Deutschland. Viele Gruppen ab zehn Personen haben seitdem die Gelegenheit schon genutzt. Wissensdurst in Sachen Huhn stillt übrigens auch die hervorragend gemachte Website.
Nachhaltigkeitsgedanke zentral
Über das Tierwohl hinaus spielt das Thema Nachhaltigkeit auf dem Hönig Hof eine zentrale Rolle: Die Dächer aller Hühnerställe sind mit Solaranlagen bestückt. Christoph Hönig: „Die decken unseren gesamten Strombedarf, auch den unserer vier Elektroautos. Und darüber hinaus können wir noch Strom ins Netz speisen.“ Als „Nachhaltigkeits-Pionier“ hat Hönig vor zehn Jahren die Mehrweg-Eier-Box („MeiBox“) zum Selbstbefüllen auf den Weg gebracht. Dank ihr spart man beim Eierkauf Eierkartons und dank der speziellen Einsätze Energie beim Eierkochen. Sie wurden bereits 1,5 Millionen Mal verkauft, auch in der Schweiz und in Frankreich (www.meibox.de).
Visionen sind wichtig
Für Christoph Hönig und seine MitarbeiterInnen ist die Arbeit mit den Tieren verbunden mit der Vision von einer besseren Landwirtschaft. „Wir haben eine hohe Verantwortung gegenüber den Tieren und hoffen, ihr stets noch etwas mehr gerecht werden zu können. Wenn wir Kunden haben, die mit uns gehen, können wir die Tierhaltung immer weiter verbessern. Und das wollen wir.“ Mitarbeit beim Tierschutzlabel, gentechnikfreies Futter, die Verfütterung von ausschließlich europäischem Soja und diverse Zertifizierungen sind weitere Indizien für ein außergewöhnliches Engagement.
Als überzeugter Netzwerker und Verfechter des Regionalgedankens ist Hönig seit Jahren 1. Vorsitzender bei der Gruppe „Die Eierhöfe“ (www.eierhöfe.de) und „Gutes vom See“ (www.gutesvomsee.de). Sein Resumée: „Wir haben in den vergangenen Monaten gesehen, wie wertvoll es ist, sich regional versorgen zu können. Und wir können froh sein, in einer der begnadetsten Regionen Europas zu leben mit einer so großen Vielfalt an regionalen Produkten.“
Und das auch dank all der Menschen, die diese Produkte erzeugen, und derjenigen, die diese täglich kaufen.

Labels:
Die um 3 Cent teureren Freilandeier haben eine rot-weiße Banderole und das Label Huhn & Hahn auf der Schachtel. Das grüne Zeichen der Initiative steht für die ökologische Tierhaltung.
Hahn ist nicht gleich Hahn
In der Legehennenhaltung werden üblicherweise Hennen verwendet, die auf eine hohe Legeleistung hin gezüchtet sind. Die Brudertiere dieser Züchtungen finden dabei keine Verwendung, da sie als Masttiere den üblichen Masthähnchen unterlegen sind. Zudem entspricht ihr Fleisch nicht den Gewohnheiten und Erwartungen der Konsumenten. Die Masthähnchen dagegen, die oft billig beim Discounter angeboten werden, sind, anders als die Bezeichnung vermuten lässt, sowohl männliche als auch weibliche Tiere. Sie haben 32 Tage vom Schlüpfen bis zur Schlachtreife und werden in der kurzen Zeit so intensiv gemästet, dass sie kaum ihr eigenes Gewicht tragen, geschweige denn „artgerecht“ auf Stangen sitzen können. Aber sie haben etwas, was den Legehennen-Brüdern fehlt: das weiße, weiche Fleisch, das der Verbraucher schätzt. Wie die Hochleistungs-Legehennen stammen sie aus der weltweit von drei Agromultis vermarkteten Linie der Leistungshybriden.
Partnerbetriebe:
- Berghof Bucher, Hilzingen
- Sonnenbühlhof, Engen
- Engelswieser Hühnerhof
- Klett, Meßkirch
- Eier-Duttlinger, Immendingen
- Halder, Hoßkirch
Noch ein Hühnerprojekt

Text: Claudia Antes-Barisch