Das Historische und Völkerkundemuseum St. Gallen hat sich gut 100 Jahre nach seiner Gründung einen neuen Namen gegeben. Es heißt jetzt Kulturmuseum. Im Zentrum steht der Mensch als Kulturwesen in unterschiedlichen Zeiten, Gesellschaften und Regionen. Dieses Konzept kommt auch in der neuen Sonderausstellung „Höhlenbären und Neandertaler im Drachenloch – Pionierarchäologie vor 100 Jahren“ zum Tragen.
Der neue Name des Museums ist mehr als Kosmetik. Kurz und knackig soll er sein und sich gut in die Reihe der St. Galler Museen einfügen, die bereits prägnante Namen tragen wie etwa das Kunst-, Natur- oder Textilmuseum. Zugleich soll der Name aber auch den inneren Gehalt des Museums beschreiben, das die drei Disziplinen Archäologie, Ethnologie und Geschichte beherbergt. „Alle drei Bereiche dienen im Kern der Erforschung des Menschseins und der Kulturgeschichte. In der Archäologie geht es um die Ursprünge des Menschen und seiner Lebenswirklichkeit. Die Ethnologie beschäftigt sich mit der Vielfalt der Kulturen. Und die Geschichte befasst sich mit den Veränderungen des menschlichen Wirkens und kulturellen Daseins“, erläutert Dr. Peter Fux, der im Sommer 2021 die Leitung des Hauses übernommen hat. „Der neue Name verbindet diese drei Disziplinen, die ineinandergreifen und zusammenspielen können“, erklärt er.
Ob Galler Stadtmodell, Himmels- und Erdgloben, Buddhafiguren oder prähistorische Grabungsfunde: In den neu strukturierten Dauerausstellungen des Kulturmuseums finden sich viele Zeugnisse menschlichen Wirkens. Ein Besuch im Kulturmuseum kann deshalb, wie Dr. Peter Fux hofft, auch zu einem Blick in einen Spiegel werden: „Wie könnten wir unseren Standpunkt besser erkennen lernen, wenn nicht über die Auseinandersetzung mit Weltanschauungen beziehungsweise Realitäten anderer Gesellschaften und Zeiten?“, sagt der Museumsdirektor.
Die spannende Erforschung des Drachenlochs
Zu diesen Überlegungen passt die neue Sonderausstellung „Höhlenbären und Neandertaler im Drachenloch – Pionierarchäologie vor 100 Jahren“ (06.05.–29.10.). Sie verknüpft verschiedene Zeitebenen und bewegt sich an der Schnittstelle von Natur- und Kulturwissenschaft. Ein bisschen Abenteuer ist auch dabei. Es geht um die Drachenlochhöhle, die sich in einer steilen Felswand oberhalb von Vättis im Taminatal befindet. Seit Generationen erzählt man sich, dass dort ein Drache hausen soll. Doch der Dorfschullehrer Theophil Nigg, der mit seinen beiden Söhnen am 7. Juli 1917 zum Drachenloch aufstieg, hatte etwas anderes im Sinn. Er war fasziniert von Ausgrabungsberichten und Funden von uralten Höhlenbärenknochen und Steinwerkzeugen in der Wildkirchli-Höhle im Alpstein. Nigg hoffte, im Drachenloch Ähnliches zu entdecken. In der Tat: Bei ihrer Sondiergrabung stießen er und seine Söhne auf Knochen und Zähne. Sie sandten diese Funde zu Emil Bächler, Konservator des Naturhistorischen Museums St. Gallen und Erforscher des Wildkirchlis, der sie als Höhlenbärenreste identifizierte. Rund einen Monat später startete im Drachenloch unter Bächlers Leitung ein mehrjähriges Grabungsprojekt, dessen Abschluss sich 2023 zum 100. Mal jährt.
Was die Niggs damals noch nicht wissen konnten: Sie entdeckten die höchstgelegene altsteinzeitliche Fundstelle Europas. Sie ist über 30.000 Jahre alt und stammt von den Neandertalern. Die Ausstellung im Kulturmuseum betrachtet die damaligen Forschungen im Kontext ihrer Zeit und geht der Frage nach, welche neuen Erkenntnisse die moderne Wissenschaft beisteuern kann. Begleitend dazu gibt es Expertenvorträge, Führungen, Veranstaltungen im Museumscafé und Exkursionen.
„Auf der Suche nach der Wahrheit“
Eine weitere Sonderausstellung ist noch bis zum 2. Juli im Kulturmuseum zu sehen. Ihr Titel lautet: „Auf der Suche nach der Wahrheit – Wir und der Journalismus.“ Sie thematisiert Veränderungen in der Medienlandschaft und wirft Fragen zum Umgang mit den Medien auf. Besucherinnen und Besucher können selbst tätig werden, beispielsweise in einem Newsroom und einem Medienquiz.
Kulturmuseum St. Gallen
Museumstr. 50
CH-9000 St.Gallen
www.kulturmuseumsg.ch