Sommerzeit ist Eiszeit: Rund um den See locken unendlich viele verführerische Eis-Oasen. Die Herstellung und der Verkauf der schmelzenden Köstlichkeit, lapidar Speiseeis genannt, ist sehr oft noch immer eine Familiensache. Traditionelle Eis-Cafés fertigen nach Bedarf und täglich frisch. Neu ist, dass einige Manufakturen in größerem Stil produzieren und kooperieren. Stellvertretend für all die eiskalten Genussfreuden aus der Waffel, dem Becher oder am Stiel haben wir Eismacher*innen am Untersee besucht, die Lust darauf machen, die besten selbstgemachten Eissorten in der eigenen Region zu entdecken.

Von Doris Burger (Text und Fotos)

Dolce Vita in Kugeln

Kein Eis mehr an der Mole von Radolfzell. Doch wer unter dem Bahnhof durchgeht, darf sich gleich anschließen an die längste Eisschlange der Stadt. Bis auf den Seetorplatz reicht sie an diesem sonnigen Sonntag, führt am Eckhaus und der Tourist-Info vorbei bis zu Fernando. Zwanzig Jahre werden es 2025 sein, die er in Radolfzell Eis macht, sagt Fernando, der tatsächlich Marco Martina heißt. Mit seiner pfiffigen Frisur, die erste Reihe stakt steil nach oben, steht er hinter dem Eistresen. Fernando ist der Platzhirsch. Doch die Produktion hat er seit dieser Saison ausgelagert und zwar nach Ulm. Mittwochs ist er dort und leitet die neuen Mitarbeitenden an, der Laden in Radolfzell ist dann geschlossen. Vor Ort kann Marco Martina immer noch Eis fertigen, wie er betont, vor allem seine Spezialsorten: „Erdnuss-Brezel, Holunderblüten, Zirbe und Bergamotte“. Dazu bezieht Marco Frucht-Sorbet in Bio-Qualität von Peppe Gelato in Moos, denn dafür braucht es besondere Standards und eine Zertifizierung.

Marco Martina hinter seinem Eistresen

Spezialsorten im Trend

Eine Ecke weiter, in die Poststraße ist die Schlange bei Alfonso, der tatsächlich auch Alfonso heißt, genauer Alfonso Giudice, etwas kürzer, aber es staut sich wochenends im kleinen Laden. Dicke „Bubbl Waffeln“ sind hier der Hit, und die müssen erst aufgebacken werden, bevor sie gerollt und gefüllt werden können. Zwei Kugeln Eis plus zwei Toppings sind der Standard, heraus kommt eine ganze Mahlzeit. Alternativ kann man Frozen Joghurt bekommen, zum Beispiel mit frischen Erdbeeren, das klingt nicht nur erfrischend, sondern bringt auch weniger Kalorien mit. Ein modernes, buntes Konzept, auch vegane
Waffeln sind im Angebot, dazu eine tiefdunkle, fast schwarze Eis-Sorte: Vegane Zartbitter-Schokolade sei das, erklärt Alfonso. Damit Veganer nicht immer nur Fruchteis essen müssen. Er produziert selbst, im hinteren Ladenteil stehen seine Anlagen. Nach Bedarf, rund zwanzig Sorten permanent, dazu drei Sorten, die täglich wechseln. „Engelblau“ in schrillem Türkis müsse für die Kinder immer da sein. Lebensmittelfarbe, klar doch, das Eis schmecke nach Zuckerwatte. Sein Fruchteis jedoch kommt gänzlich ohne Aroma und Farbstoffe aus, 40 Prozent Frucht enthalte es. Erst die dritte Saison ist Alfonso nun in Radolfzell, zuvor war er in Engen. „Aber der Wechsel hat sich gelohnt, die Lage ist besser“, sagt er. Seine Preise hat er in diesem Jahr (im Gegensatz zu vielen Kollegen) nicht erhöht, 1,40 Euro kostet die Kugel weiterhin. Unter der Woche ist oft seine Tante mit im Laden, am Wochenende helfen seine Frau und die Schwägerin. Und die Spezialsorte? „Siciliano“ mit Mandel, Pistazie und Mandarine. Auch Whisky-Cream klingt für Erwachsene verlockend und sieht perfekt aus.

Alfonso macht sein Eis selbst, in der Poststraße in Radolfzell: auch das Engelblau für die Kinder

Tradition und bestes Handwerk

An der Ecke Seestraße/Bahnhofstraße, die kleine Stadt Radolfzell bietet wirkliche Auswahl, kehren wir auf den Tipp einer wahren Kennerin bei Lazzara ein: „Nuss nehme ich dort immer, dazu ein Tages-Eis zum Probieren. Sonntag war das Joghurt-Eis mit Honig und Granola ganz köstlich.“ Marco Lazzara, der Eis-Macher, nimmt sich spontan Zeit, seine Sorten zu erklären. Bereits seit 1990 ist der gebürtige Sizilianer in Radolfzell, seine Frau kommt aus dem Veneto. Marco Lazzara arbeitet viel mit Gewürzen, die er teils sogar in Bioqualität bezieht: „Sie müssen zunächst aufbereitet werden“, erklärt er. Aus Zimt macht er eine Infusion, einen wässrigen Auszug, damit nur das Aroma bleibt. Sein Zimteis werde auch im Sommer gerne genommen. Kürbiskerne röstet er selbst, stellt dann eine Paste her, bevor er sie weiterverarbeitet. Sein Hit, die „Crema Lazzara“ mit Tonkabohnen, Wacholderbeeren, Kardamom, Vanille und mehr, zunächst ebenfalls für den Herbst gedacht, muss er inzwischen stets anbieten. Die Vanille bezieht er tatsächlich
als Schoten, welche Arbeit! Etwa 160 Sorten Eis hat er über die Jahre schon kreiert, frisch in die Theke kommt natürlich immer nur eine Auswahl. Er tüftelt gerne, probiert aus und er ist der Erste, der mich auch in seine Küche lässt: Perfekt aufgeräumt und geputzt, der Pasteurisierer strahlt und wartet auf den nächsten Einsatz. Die Gewürze und weitere trockene Zutaten sind im Ausziehschrank zur Hand wie in einer Backstube. Herrlich – und eine wirklich ehrliche Sache.

Handgemachtes Eis im Eiscafé Lazzara in Radolfzell – von Marco Lazzara

Nachwuchs bei den Eisfamilien

Seit fünf Jahren stellen Giuseppe Scarpello und seine Frau Mona in Moos Bio-Eis her, Peppe Gelato heißt die Company. Peppe war der Spitzname, den ihm einst sein Opa gegeben hat. Eine klassische Eisfamilien-Geschichte: 1970 kamen Großvater Luigi Fradella und seine Frau nach Deutschland und machten einen ersten Eisladen auf: „Eiscafé Mondello“ in Saarbrücken. Dann wurde das Geschäft mit 23 VW-Verkaufswagen ausgebaut und später nach Villingen-Schwenningen verlegt. Seit über fünfzig Jahren fertigen sie in der Familie Eis, „nur die Maschinen wurden moderner“, so die Firmenlegende. Doch auch die Zutaten haben sich geändert: Ei, das der Großvater noch als Bindemittel im Milcheis verwendete, wurde durch Johannisbrotkernmehl ersetzt, im Sorbet, also im Fruchteis, durch Guarkernmehl. So wurde das Eis vegan. Wichtigste Änderung: Nur Zutaten aus kontrolliert biologischem Anbau, viele sogar aus Bioland-Anbau, kommen ins Eis. Alle sind auf dem kleinsten Becher akribisch aufgelistet. Die Portionsbecher enthalten 135 Milliliter, das entspricht zwei Kugeln, die großen 500 Milliliter, also etwa acht Kugeln für die Familie zu Hause.

Giuseppe und Mona Scarpello vor ihrer Eismanufaktur in Moos

Nachhaltig, auch bei der Verpackung

Bei Peppe Gelato steht rund um die Uhr ein Automat bereit – sollte man mitten in der Nacht Appetit auf Eis verspüren. Tagsüber hat auch der „Werksverkauf“ geöffnet, was vier Mooser Jungs wissen, die gerade anrücken: Etwa acht Jahre sind sie alt, sie lassen sich in die Holzsessel fallen wie die Routiniers und schlecken ihr Eis. Ein Holzlöffel gehört bei den kleinen Bechern zur Ausstattung, schlau unter dem Deckel verpackt. Apropos Verpackung: Wer das Eis online bestellt, erhält es in einer recycelten Hanfpackung aus Bayern, in Trockeneis und per express verschickt. So sollte es noch gefroren beim Kunden ankommen.
Peppe Gelato liefert an Endkunden, an die Gastronomie auf der Höri und anderswo, für Hochzeiten und große Feiern, auch manche Bio-Supermärkte führen sein Eis. Etliche kleinere Eis-Cafés ebenso, zum Beispiel Da Bennardo in Singen oder eben Fernando in Radolfzell. Zu den drei Vollzeitkräft en rund ums Jahr kommen im Sommer zahlreiche Saisonkräft e und Aushilfen, 24 Leute sind es dann insgesamt. Nein, meint Giuseppe Scarpello, sie seien noch nicht am Limit der Geschäftsentwicklung. Alleine die Lagerkapazitäten müssten dann nochmals erweitert werden.

Wie es der Zufall so will, kommt an diesem Nachmittag Gero Lins vorbei. Mit seiner Frau Saskia und Bruder Lars ist er Gründer von Froobie, der Start in Konstanz gelang mit einem fruchtigen Eis am Stiel. Ohne Zucker, nur mit Agavendicksaft gesüßt. Veganes Eis im Becher liefert Peppe Gelato an Froobie, umgekehrt wandert das Eis am Stiel zu Peppe Gelato. Kooperationspartner auch hier. So lässt sich das Sortiment erweitern und jeder macht das, was er am besten kann.

Gero Lins, Gründer von Froobie Eis am Stiel, ist zu Besuch in Moos

Hausgemachtes Eis vom Thurgauer Bauernhof

Von der Expansion zur Reduktion: „Wir haben unser Eis immer im Kleinen gehalten“, sagt Elisabeth Stäheli, die seit rund zehn Jahren Eis produziert. „Es soll etwas Besonderes bleiben für unsere Gäste.“ Die Familie Stäheli betreibt einen Bauernhof mit Strohhotel und dem Eis-Café Chärnhuus direkt am Bodenseeradweg in Frasnacht. Elisabeth Stäheli ist inzwischen Oma von vier Enkelkindern und die Eischefin der Familie. Ihr Anliegen ist es, mit regionalen Früchten und Kräutern besondere Aromen zu zaubern. Gravensteiner-Sorbet beispielsweise passt gut zu „Mostindien“, dem Kanton mit den vielen Streuobstwiesen. Fior di Latte Birnel entsteht aus Milch und eingedicktem Birnensaft, dem Birnel. Elisabeth arbeitet mit Holunderblüten, Lavendel, Süßkirsche, Wildpflaume und Minze, Ananassalbei und Sanddorn. Gerade die Wildfrüchte machen sehr viel Arbeit, was die Mengen natürlicherweise einschränkt. Statt eines Pasteurisierers hat sie eine große Pfanne und ein Thermometer, immer zwei Liter Milch werden zugleich verarbeitet, die passen dann genau in die Eismaschine. Kleine Mengen wie im normalen Haushalt. Aber eine über die Jahre entwickelte außerordentliche Kennerschaft , die man schmecken kann – wenn man den Bezug zum feinen Aroma hat. Weniger Fett und weniger Zucker als üblich enthält ihr Eis, und nur natürliche Zutaten. Da gehen auch mal zwei Kugeln ohne schlechtes Gewissen.

Elisabeth Stäheli zaubert besonders
aromatisches Eis aus regionalen Früchten
und Kräutern

Elisabeth Stäheli zaubert besonders aromatisches Eis aus regionalen Früchten und Kräutern © Corina Stäheli

Lieblingseis: Empfehlungen der Redaktion

DEUTSCHLAND

ALLENSBACH
Eis Schuhmacher | Konstanzer Straße 2 | www.facebook.com/eisschuhmacher

HAGNAU/ FRIEDRICHSHAFEN/ IMMENSTAAD
Kibele Eis | Seestraße 38 | www.kibele-eis.de (Filialen in Friedrichshafen, Seestraße 3 und Immenstadt, am BSB-Landungssteg)

KONSTANZ
Nicoletti | Marktstätte 5 | www.eiscafe-nicoletti.de
Pampanin | Theodor-Heuss-Straße 33 | www.eisdiele-pampanin.de
Anelu Eishandwerk | Zollernstraße 17 | www.anelu-eishandwerk.de
Froobie food | www.froobie.de (vegan und bio, Eis am Stiel)

MOOS
Peppe Gelato – Bio-Eis | Gewerbestraße 4 | www.peppe-gelato.de

MÜHLINGEN BEI STOCKACH
Bauernhofeis von Andreas Deyer | www.deyers-hofeis.de
(auch bei Gastronomen der Gegend erhältlich und sehr begehrt!)

RADOLFZELL
Lazzara | Bahnhofstraße 8 | www.radolfzell-tourismus.de/gastronomie/eiscafe-lazzara
Alfonso | Poststraße 32 | www.facebook.com/eiscafealfonso
Fernando | Seestraße 28 | www.fernando-eis.de

ÜBERLINGEN
Yammi Bioeis | handgefertigtes Bio-Eis | www.bioeis.eu

OCHSENHAUSEN
Gran Cafe By Rino | Beliebtes Eis in Oberschwaben | www.byrino.de

ÖSTERREICH

BREGENZ
Eiscafé Kolibri | Rheinstraße 61 | eismanufaktur-kolibri.at

BEZAU
Café Natter | Ellenboden 450 | hausgemachtes Konditoren-Eis | www.bezau-bregenzerwald.com/poi/cafe-natter

EGG
Suzi Eiscafé | Eisdiele im KDW, Kaufhaus der Wälder | Eis von Suzana Marceta | www.suzi-eiscafe.com

LANGEN BEI BREGENZ
Lena’s Eis im Hofladen Elbs | Gschwend 64 | 24 h geöffnet, Automat | www.langen.at/Lena_s_Eis_Elbs_Anna-Lena

SCHRUNS
Eisplatzl | Kirchplatz 17 | www.eisplatzl.at

SCHWEIZ

FRASNACHT
Stähelihof mit Eis-Café Chärnhuus | Kratzern 39 | www.strohhotelbodensee.ch

LANGRICKENBACH
Tomela-Glace| Obergreut 10 | www.tomela.ch