Wenn die Christo-Ausstellung jetzt in Lindau enthüllt wird, dann ist das auch ein wenig wie „nach Hause kommen“; denn die Verpackung des Reichtags beispielsweise wäre nicht möglich gewesen, ohne die Ingenieursleistung eines Planungsbüros aus Radolfzell.
Das Künstlerpaar Christo und Jeanne-Claude vertraute bei ihren spektakulären Verhüllungsprojekten auf die Ingenieure von IPL, die sich jahrelang in diese Mammut-Projekte reingehängt haben. 1994 haben sie, bei den damals sehr hohen Gebäudebereichen der ebenfalls einstmals innovativen Computer-Gesellschaft Konstanz, ein paar hundert Meter Testbahnen des Verhüllungsstoffes probehalber in die Tiefe fallen lassen. Denn neben der Konstruktion, war auch die Beschaffenheit des sogenannten technischen Gewebes enorm wichtig. Ein großes Abenteuer! IPL war, wie wir heute wissen, nicht nur beim Reichstags-Wrap erfolgreich, sondern auch Jahre später bei der Verhüllung des Arc de Triomphe.
Triumphal wird sicher auch wieder die alljährliche große Kunst-Ausstellung, die das Kulturamt Lindau jeweils spektakulär in Szene setzt und damit die schöne Inselstadt überregional positioniert.
Nicht unweit von Lindau hat denn auch die Firma Dornier mit Webmaschinen für genau solche technischen Gewebe, die nicht nur das Werk der Christos erst ermöglichten, Erfolgsgeschichte geschrieben. Und auch im Raum St. Gallen sind technische Gewebe ein Exportschlager; etwa solche, auf die die Feuerwehren rund um den Globus vertrauen, wenn sie im silbernen Astronautenlook durch die Flammen schreiten.
Der Bodensee ist heute noch weltweit ein führendes Cluster, wenn es um technische Stoffe und die Ingenieursleistung in diesem Bereich geht. Sämtliche namhafte Fußball- und Sportarenen etwa, beginnend mit dem Olympia-Stadion in München 1972, haben mittlerweile die „spannenden“ Zeltdächer, die auf- und -zuschiebbar konstruiert sind, leicht, wetterfest und stabil das Erscheinungsbild dieser Großbauten prägen. Die Ingenieursleistung stammt oft vom Bodensee; auch wenn Sie das deutsche Kanzleramt in den Nachrichten wieder mal sehen – das Zeltdach entworfen natürlich hier!
Die geschwungenen Zeltbahnen hängen zusammen mit dem einstmals größten Zeltbauer der Welt, Stromeyer in Konstanz. Heute ist immerhin noch die Ingenieurskompetenz erhalten. Zum anderen hängt es mit dem anderen großen Namen zusammen, der den See industriell geprägt hat wie niemand: Zeppelin. Denn die fliegenden Riesen hatten ebenfalls eine Herausforderung zu meistern: sie brauchten eine leichte, extrem stabile Hülle aus – erraten – technischem Gewebe.
Und so steht der internationale Bodensee in Fachkreisen heute noch weltweit für den Stoff, aus dem technisch herausfordernde Träume sind. Wenn Sie also bald den dritten Zeppelin über den großen Teich huschen sehen, dann ist das auch in dieser Hinsicht „ein spannender Stoff“.

Markus Hotz,
Herausgeber
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Beitragsbild: (c) Mirjam Schultheiß
Markus Hotz,
Tags: Bodensee