Zwischen den Innenräumen und den Freiräumen außen (siehe Seeraum Juni) sind die Wände, von außen gesehen sind es die Fassaden. An der Gestaltung der Fassaden kann man den Baustil erkennen – und heute werden die Architekten dabei immer kreativer.
Architektur ist durch die „Dualität von Raum und Hülle“ definiert (nach Wikipedia). Der Raum entsteht erst durch die Hülle, und ohne den Raum gäbe es keine Hülle. Meistens ist ja klar zu erkennen, was die Hülle ist, was die Grenze zwischen innen und außen definiert.
Spannend wird es aber, wenn die Grenzen fließend sind, wenn es unklar ist, ob ein Raum zum Innen oder Außen gehört, etwa bei Loggien und Wintergärten. Und es gibt in der aktuellen Architektur immer wieder Bauten, bei denen es eine innere und eine äußere Hülle gibt. Oft wird eine zweite „Hülle“ als Dekoration vor die eigentliche Gebäudehülle gehängt, wie bei einigen neueren Bauten schön zu sehen ist.
Urwaldformen und Kindersicherung
Die „Bora“ in Radolfzell war jahrelang nur als Sauna bekannt, bei der man schön ins flache Wasser gehen konnte. Im Frühjahr 2013 wurde hier ein Hotel eröffnet, das die Saunagebäude buchstäblich in den Schatten stellen würde, wenn die Sonne auch mal nördlich davon stünde. Das „bora HotSpaResort“ überragt mit seinen fünf Stockwerken auch fast die Bäume der benachbarten urwaldartigen Landschaft, die sich im Aachried fortsetzt. An diese wurde es architektonisch angepasst durch die Holzstäbe, die auf die senkrecht und schräg stehenden Bäume anspielen.
Aus der Nähe gesehen, stellt es sich als stabile Holzfachwerkkonstruktion heraus, die vom 1. bis 3. Obergeschoss den Bau prägt.
Bora HotSpaResort | www.bora-hotsparesort.de
Am anderen Ende des Bodensees steht ein kleineres Gebäude, das auf den ersten Blick eine ähnlich grafisch aufgelockerte Fassade hat. Das „Nordwesthaus“ beim Hafen Rohner, ebenfalls am Übergang von einer touristischen Zone zur Naturlandschaft, hat aber eine tragende Betonwand, die durch ihre „biomorphen“ (von der lebendigen Natur inspirierten) Formen auf die Bäume Bezug nimmt.
Über einer Bootsgarage beherbergt der Bau einen fast neun Meter hohen Raum für Events. Die rechteckigen, halbtransparenten Glasscheiben sind hier nur davorgehängt und lassen erahnen, was sich abends abspielt, wenn die Bodensee-Schiffer hier ihre Feste feiern.
Hafen Rohner, Fußach | www.nordwesthaus.at
Das neueste Gebäude mit einer ähnlich aufgelockerten Fassade ist das KiKuZ (Kinderkulturzentrum) in Konstanz. Das frühere Jugendhaus am Raiteberg aus den 1950er-Jahren wurde mit einem eineinhalbjährigen Umbau ökologisch modernisiert und erweitert, sodass es jetzt auch eine Kindertagesstätte beherbergt. Die roten Latten vor den Balkonen, die der Südfassade eine heitere Note geben, haben sich in der Bauphase ergeben.
Bei Kindertagesstätten ist es heute vorgeschrieben, dass bei Balkonen ein effektiver Schutz vor dem Herunterfallen angebracht wird, am einfachsten durch Netze oder Gitter. Damit es nicht aussieht wie ein Käfig, wurde nach einer optischen Auflockerung der Fassade gesucht und in den senkrecht oder leicht schräg stehenden roten Latten gefunden. Ein Haus für Kinder muss nicht bunt sein – oft reicht so ein kleiner Farbakzent, um es von einem Haus für Erwachsene zu unterscheiden.
In manchen Fällen dient eine etwas „schräge“ Fassade aber vor allem dazu aufzufallen und dadurch eine Immobilie teurer anbieten zu können. So bekam das Bürogebäude „Gleis Eins“ in Kreuzlingen eine davorgehängte Fassade aus weißen Flächen mit einem Rautendesign.
Dieses Design soll von dem nahen Hauptbahnhof inspiriert sein, an welchem sich die Bahnlinien aus vier verschiedenen Himmelsrichtungen kreuzen. So können es die interessierten Betrachter auf der Website des Architekturbüros nachlesen, und von der Immobilienfirma wurde es als Bürogebäude mit „Spitzenarchitektur“ angepriesen.
Wenn Sie weitere Gebäude mit ähnlichen Fassaden sehen, können Sie die Kreativität der Architekten bewundern – und schauen, ob die Umsetzung auch den Benutzern dient.