D/A/CH | Frauen gründen Unternehmen, leiten Abteilungen und tragen Verantwortung für Mitarbeiter und Umsatz. Manchmal steigt eine Frau auch ins oberste Management auf. Das gilt allerdings immer noch als bemerkenswert.

Frauen im Kulturmanagement

Tatsächlich bemerkenswert ist, dass Frauen in wesentlichen Kultur- und Bildungseinrichtungen der Bodenseeregion die Leitung übernommen haben. Der Weltfrauentag am 8. März ist ein Anlass, das Thema „Frauen in Führungspositionen“ in Kultur, Bildung, Wirtschaft und Politik etwas genauer zu beleuchten.

Stephanie Gräve |© Anja Köhler

„Es ist schon so: Theater, Opern und Orchester sind eher eine Männerdomäne. Noch.“, sagt Stephanie Gräve, Intendantin am Vorarlberger Landestheater. Sie fügt hinzu: „Die Frauen drängen mächtig nach, und jede Findungskommission, die heute einen Mann für die Intendanz besetzt, sieht sich der Frage ausgesetzt: Warum keine Frau? Ja, warum nicht? Sicher hängt es damit zusammen, dass viele Theater noch strikt hierarchische Betriebe sind.“ Sie meint, dass weibliche Führung anders aussieht als männliche: „Offener, eher den Konsens suchend. Frauen stellen sich mehr zur Disposition, machen sich angreifbarer. Und es gibt durchaus Menschen, die das als Schwäche werten. Es braucht ein grundsätzliches Umdenken, die Stärke darin zu sehen. Wir arbeiten dran.“

Mit Erfolg, wie man sieht: Insa Pijanka ist seit Januar 2019 Intendantin der Südwestdeutschen Philharmonie in Konstanz. Karin Becker wurde 2020 neue Intendantin am Theater Konstanz.

Ute Stuffer ist Leiterin des Ravensburger Kunstmuseums, Elisabeth Sobotka bereits seit Januar 2015 Intendantin der Bregenzer Festspiele. Anya Schutzbach hat im letzten November die Leitung des Literaturhauses Wyborada in St. Gallen übernommen. Claudia Emmert führt seit 2014 das Zeppelin Museum in Friedrichshafen. Natürlich steht an der Spitze des Frauenmuseums in Hittisau ebenfalls eine Frau: Stefania Pitscheider Soraperra. Etliche Museen und Kulturbüros, die hier nicht alle aufgelistet werden können, werden ebenfalls von Frauen geleitet. „Ich habe den Eindruck, dass es im Kulturbereich in der mittleren Führungsebene bereits viele Frauen gibt. Sie rücken jetzt auch in die oberen Positionen nach“, sagt Insa Pijanka.

Führende Frauen im Bereich Bildung

Im Bildungsbereich tragen ohnehin viele Frauen Verantwortung – beispielsweise als Leiterinnen von Schulen oder von Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Wie sieht es noch weiter oben im akademischen Bereich aus? Von den 30 Hochschulen, die im Verbund der Internationalen Bodensee-Hochschule (IHB) zusammengeschlossen sind, werden neun von Rektorinnen geleitet: Katharina Holzinger (Universität Konstanz), Ingeborg Mühldorfer (Hochschule Albstadt-Sigmaringen), Karin Schweizer (Pädagogische Hochschule Weingarten), Tanja Eiselen (Fachhochschule Vorarlberg), Barbara Fäh (Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich), Margit Mönnecke (Hochschule Rapperswil), Priska Sieber (Pädagogische Hochschule Thurgau in Kreuzlingen) und Andrea Haid (Staatliche Hochschule für Logopädie Rorschach).

Viele halten eine solche Position für ungewöhnlich. So stellt Priska Sieber fest: „Frauen sind in Schlüsselpositionen nach wie vor in der Minderheit und werden deshalb in zahlreichen Situationen als etwas Besonderes wahrgenommen. Generell müssen Frauen deshalb zuerst beweisen, dass sie trotz ihres Frauseins kompetent und zielstrebig sind. Bei Männern geht man eher vorbehaltlos davon aus, dass sie dies sind.“ Karin Schweizer lässt Zahlen sprechen: „Selbst an der PH Weingarten, an der etwa 40 Prozent der Professuren mit Frauen besetzt sind, was einen sehr hohen Prozentsatz darstellt, sitzen in den entscheidenden Gremien wie im Senat nur etwa 30 Prozent Frauen, in den Fakultätsvorständen und im Rektorat liegt der Frauenanteil nur bei 16, bzw. 25 Prozent.“

Einflussreiche Politikerinnen

Auch in Politik und Verbänden streben Frauen nach oben. Wie Verena Bentele aus Tettnang, Präsidentin des bedeutenden Sozialverbands VdK Deutschland. Im Mai 2020 wurde Anje Gering zur Hauptgeschäftsführerin der IHK Bodensee-Oberschwaben bestellt. Oder Andrea Kaufmann: Sie steht als Bürgermeisterin an der Spitze der 50.000 Einwohner zählenden Stadt Dornbirn und gilt als eine der mächtigsten Frauen in Vorarlberg. Und Maria Pappa: Sie wurde Ende letzten Jahres erste weibliche Stadtpräsidentin in St. Gallen. Mit Doris Schröter in Bad Saulgau oder Dagmar Kuster in Hettingen haben es in der mehrheitlich von Männern dominierten Lokalpolitik auch einige Frauen an die Spitze von Gemeinden in der Region geschafft. In anderen Städten am Bodensee wirken Frauen als beigeordnete Bürgermeisterin oder Vizebürgermeisterin, so zum Beispiel Monika Laule in Radolfzell, Ute Seifried in Singen und Sandra Schoch in Bregenz. Eine Landrätin gibt es auch: Stefanie Bürkle, im Landkreises Sigmaringen.

Frauen vom Bodensee machen aber auch überregional Politik: Karin Keller-Sutter aus Niederuzwil im Kanton St. Gallen ist seit Januar 2019 Schweizer Justizministerin. Oder Birgit Homburger: Sie stammt aus Singen und war vor einigen Jahren Vorsitzende der FDP-Fraktion im deutschen Bundestag. Agnieszka Brugger aus Ravensburg ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen und Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Ravensburg. Ihrer Einschätzung nach ist beim Thema „Frauen in Führungspositionen“ schon viel erreicht, „aber leider gibt es auch Rückschritte“, so Brugger. Sie selbst habe als Frau im Bereich der Sicherheitspolitik gute Erfahrungen gemacht. Sie erlebe aber auch, wie Frauen in der Politik teilweise anders behandelt werden als Männer. Bei Politikerinnen werde oft zuerst das Aussehen kommentiert, während das bei Männern in der Politik keine so große Rolle spiele.

Marie-Sophie Reck aus Friedrichshafen ist UNO-Offizier für humanitäre Angelegenheiten und hat 14 Jahre lang die humanitären Hilfsprogramme der Vereinten Nationen koordiniert bevor sie nach New York ging, um im Büro des Generalsekretärs der UN0 zu arbeiten.

Chefinnen in Wirtschaftsunternehmen

Frauen an der Spitze von Unternehmen: Wie sieht es da aus? Die Akzeptanz wachse, allerdings müssen sich Frauen in ihrer Position „viel stärker behaupten und meiner Meinung nach mehr leisten als ein Mann in einer solchen Position“, sagt Sonja Meichle, Geschäftsführerin des Kressbronner Unternehmens Ultramarin.

„Zu Beginn habe ich erlebt, dass ich von oben bis unten gemustert wurde. Da musste ich mich sehr klar positionieren“, berichtet Marion Reichart. Sie ist Geschäftsführerin des Feldkircher Reinigungsmittelherstellers Uni-Sapon, Mutter, Hausfrau, Ehefrau und Unternehmerin des Jahres 2019 in Österreich. „Frauen können stolz sein, auf das, was sie leisten“, spricht sie anderen Frauen Mut und Selbstbewusstsein zu.

Es gibt noch viele weitere erfolgreiche Unternehmerinnen – stellvertretend seien hier ein paar Namen genannt: Maria López (Geschäftsführerin bei Holenstein Konstanz), Dorothee Buhmann  (Geschäftsführerin Buhmann Systeme GmbH in Weiler-Simmerberg), Dagmar Fritz-Kramer (Geschäftsführerin des Erkheimer Holzhaus-Herstellers Baufritz) und Antje von Dewitz (Geschäftsführerin des Tettnanger Outdoorausrüsters Vaude). Von Dewitz hält geeignete Rahmenbedingungen für eine Grundvoraussetzung der Gleichstellung. Ihrer Wahrnehmung nach „haben Frauen eher Bedenken, dass sie durch eine Führungsposition ihr Berufs- und Privatleben schlechter miteinander vereinbaren können. Aus diesem Grund sind sie oft weniger bereit, Führungsverantwortung zu übernehmen. Hinzu kommt, dass Frauen durch Kinderbetreuungszeiten häufiger weniger Arbeitserfahrung haben und sich dadurch zum Teil nicht für Führungsaufgaben qualifizieren konnten“, erklärt Antje von Dewitz.

Auch bei der Genossenschaft Olma Messen St. Gallen gab es jüngst einen Führungswechsel : Christine Bolt hat neben ihrer Beschäftigung als stellvertretende Leiterin des St. Galler Tagblatts die Position der Direktorin bei der Genossenschaft inne. Im Sommer 2021 wird Sandra Banholzer CEO der Thurgauer Rausch AG.

Martina Schmidt, Leiterin der Kontaktstelle „Frau und Beruf“ in Ravensburg, bringt es so auf den Punkt: „Frauen haben so lange Chancengleichheit, bis Kinder ins Spiel kommen.“ Wenn Frauen dann im Beruf zurückstehen, wirke sich dies nicht nur auf Führungspositionen aus, sondern später auch auf die Rente. Ursula Sauter-Heiler, Gleichstellungsbeauftragte das Landkreises Lindau, bestätigt: Den Karriere-Knick durch die Erziehungszeit können Frauen hierzulande nur ganz schlecht aufholen. Allerdings beobachtet sie, dass immer mehr Frauen in einer Art Doppelspitze über die Finanzschiene zu einer Führungsposition kommen. Ricarda Netzhammer, Präsidentin des Frauennetzwerks Zonta-Club Hegau-Bodensee, verweist ebenfalls auf die klassische Rollenverteilung, stellt aber fest: „Es hat sich schon viel zum Positiven gewandelt.“

Beitragsbild: Maria Pappa, Stadtpräsidentin in St. Gallen