„Ich sitze hier in Markdorf, schaue über das Land, baue am liebsten meine paar Kartoffeln an und dann klingelt plötzliches das Telefon und es passiert irgendetwas Irres. Kurz gesagt: Ich bin einfach ein Glückspilz!“ Thomas Rösler, ausgebildeter Drechsler und Kunsthandwerker, der Landschaftsobjekte für Gärten, Plätze und Parks herstellt, kann sein berufliches Glück noch immer kaum fassen. Und das, obwohl er bereits seit 30 Jahren erfolgreich selbstständig ist und im vergangenen Herbst sogar das Harris Bugg Studio aus London bei dessen Goldmedaillengewinn bei der Chelsea Flower Show mit ausgewählten Objekten unterstützt hat.

Die akzent-Redaktion hat mit Rösler gesprochen – über seine Kunst, seine Heimatverbundenheit mit dem Bodensee, die Chelsea Flower Show, bei der auch die Queen jährlich zugegen ist, die Reise eines Tisches nach Los Angeles und vieles mehr.

akzent: Herr Rösler, Sie haben als Holzkunstwerker in Ihrer Vita bereits einiges vorzuweisen. Wie kam es dazu und welche Art von Holzkunst machen Sie?

Thomas Rösler: Von 1990 bis 1992 habe ich meine Drechslerlehre gemacht. Damals habe ich einen Drechslermeister kennengelernt, dessen Arbeiten ich toll fand, und er hat mich dann tatsächlich als Lehrling angenommen. Von kunsthandwerklicher Arbeit war ich schon immer sehr angetan und habe mich daher nach der Ausbildung auch direkt als Holzkunstwerker selbstständig gemacht. Am Anfang war das Ganze von viel Idealismus angetrieben, es wurde aber nach und nach immer professioneller. Seit knapp 20 Jahren mache ich nun kettengesägte Objekte aus massiven Eichen und habe mein Schaffen damit vom detaillierten, feinen Drechseln hin zu großen, relativ groben Objekten gewandelt. Ein Schritt, mit dem ich mich zeitgleich von Drinnen nach Draußen gewendet habe. Denn während sich feine Drechslerarbeiten im Innenraum abspielen, sind meine Objekte nun für die Landschaft mit ihren gewaltigen Maßstäben wie großen Gebäuden, Bäumen und Flächen geeignet.

akzent: Wie kam dieser Wandel von drinnen nach draußen denn bei den Leuten an?

T. Rösler: Sehr gut! Mit dem Wandel hin zu den Landschaftsobjekten stieg auch die Nachfrage. Meine Objekte haben mit den großen Maßstäben unter freiem Himmel immer sehr gut mithalten können, und sie kommen bei den Menschen super an. Ein Faktor, der hierbei eine entscheidende Rolle spielt, ist, dass die Objekte zwar grafisch sehr sorgfältig gestaltet sind, jedoch eher lässig und „grob“ wirken. Man sieht beispielsweise die Spuren der Kettensäge noch, was ganz bewusst so ist, da sie einen Teil des Objektcharakters widerspiegelt. Interessierte wollen sehen, dass an den Objekten von Hand gearbeitet wurde. Etwas, das bei Maschinenprodukten nicht sichtbar ist. Überhaupt haben viele Menschen eine Zuneigung zum Holz, besonders zur Eiche. Auch wer kaum eine Baumart bestimmen kann – eine Eiche erkennt fast jeder. Und ihr mythologischer Hintergrund ist ja kaum zu toppen, sie ist der Superheld unter den Bäumen. Ebenso wichtig sind natürlich die Themen. Die Muscheln zum Beispiel haben sehr außergewöhnliche, eigenständige Formen, die schwer mit Bekanntem vergleichbar sind. Es war sehr aufregend, als ich 2010 die erste Muschel gemacht und ausgestellt habe und diese prompt verkauft wurde. Das war ein Riesenglück. Danach habe ich dieses Thema mit viel Freude variiert und weiterentwickelt.

akzent: Im vergangenen Jahr haben Sie das Harris Bugg Studio aus London mit Objekten unterstützt, und es hat anschließend bei der Chelsea Flower Show, DER Vorzeige-Gartenausstellung weltweit, Gold gewonnen. Was haben Sie denn konkret zum Gesamtgartenkonzept beigetragen und was bedeutet Ihnen das?

T. Rösler: In England gibt es eine riesige Gartenbegeisterung und eine jahrhundertealte Garten- und Parkkultur. Die Chelsea Flower Show hat einen internationalen Ruf als Pilgerort für Gartenfans. Und in diesem Zusammenhang kam dann wieder so ein Moment, eine kurze E-Mail von Hugo Bugg aus London. Er schrieb mir, dass er einen Ausstellungsgarten bei der Chelsea Flower Show plane und für diesen gerne Holzsteine und Astgabel-Skulpturen von mir verwenden würde. Das sind sehr archaische, im Prinzip sehr einfache Objekte, die haben eigentlich nichts wahnsinnig Besonderes an sich. Vielleicht macht sie genau das so besonders? [lacht] Als Hugo Bugg mir nach der Ausstellung im September vom Gewinn der Goldmedaille erzählt hat, habe ich mich sehr für ihn gefreut. Und – auch wenn meine Objekte sicher nicht ausschlaggebend für den Preisgewinn waren – ist es natürlich schön, dass ich Teil dieser Geschichte sein konnte und dass ich einen gewissen mikroskopischen Anteil dazu beigetragen habe.

akzent: Gibt es denn weitere internationale Projekte, die Sie bereits umsetzen konnten?

T. Rösler: Ich arbeite zum Beispiel viel in der Schweiz, was an meiner langjährigen Ausstellungstätigkeit auf der Giardina in Zürich liegt. Überhaupt realisieren wir die meisten Projekte überregional und einige eben auch international. Ich denke, dass durch die Entfernung eine Art Anspannung entsteht, die meine Arbeit auf nicht ganz rationale Weise interessanter macht. Wir haben beispielsweise mal einen Tisch nach Los Angeles geliefert, was wirklich schräg ist, wenn man bedenkt, dass wir ihn um den halben Globus schicken, obwohl es in den Vereinigten Staaten sicherlich auch Tische gibt. Neulich haben wir eine Bank nach Madrid gesendet. Aus England und den Beneluxländern haben wir ebenfalls immer wieder Anfragen. Ein weiteres tolles Projekt haben wir mit einer sehr netten Kundin in Griechenland umgesetzt. Sie hat sich ein Objekt ausgesucht und darauf bestanden, dass wir es persönlich zu ihr bringen. Da haben wir uns gerne überreden lassen [schmunzelt]. All diese Geschichten haben etwas gemeinsam: Es geht mir dabei nicht um das Renommee, sondern um die besonderen, zwischenmenschlichen Verbindungen, die durch meine Arbeit entstehen. Um das Staunen, wie sich mein Netzwerk wie von Geisterhand bildet und langsam ausdehnt. Ohne viel Gestrecke, ohne Tamtam, ohne mich zu verbiegen. Ich finde es einfach toll, wenn mit einer einfachen, unscheinbaren E-Mail oder einem Telefonanruf eine außergewöhnliche Geschichte mit schönen Begegnungen beginnt.

akzent: Nun von der Welt nochmals zurück an den Bodensee: Welche Bedeutung spielt Ihre Heimat für Sie und hat sie einen Einfluss auf Ihre Holzkunst?

T. Rösler: Ich bin in Friedrichshafen geboren, hier aufgewachsen und 1995 wieder an den See zurückgekommen. Ich bin also auf irgendeine Art eine Heimatkartoffel. Und auch keiner, der sagt, ich muss jetzt unbedingt nach Berlin. Ob mich gerade die Bodenseeregion in einer besonderen Weise inspiriert, kann ich allerdings nicht sagen. Ich bin halt einfach da und lebe hier gemeinsam mit meiner Familie. Ich gucke aus dem Fenster und sehe die Allgäuer Berge, vorne raus den Säntis und ein bisschen vom See. Ich fühle mich hier wohl. Das macht natürlich was mit mir. Ansonsten finde ich, dass Ästhetik – und damit Inspiration – oft im Kleinen und nicht im Großen vorkommt.

Steckbrief

Geburtsjahr und -ort: 1968, Friedrichshafen
Wohnort: Markdorf
Beruf: Drechsler & Holzkunstwerker
Werke: Landschaftsobjekte aus massiver Eiche – Tische, Bänke, Muscheln, Liegen, Pavillons u.v.m.
D-88677 Markdorf
www.thomas-roesler.com

Text: Andrea Mauch