D – Ravensburg | Die Gynäkologin Monika Hauser reiste 1993 mitten in den Krieg nach Bosnien, um sich für durch Kriegsgewalt traumatisierte Frauen einzusetzen. Aus diesem mutigen und spontanen Engagement heraus entstand die Organisation Medica Mondiale e.V., die bis heute weltweit Hilfsorganisationen und Projekte in Krisengebieten betreibt. Aber leben wir hier eigentlich in einer Friedensgesellschaft?

In Deutschland gibt es täglich über 20 Fälle von sexueller Gewalt an oder Nötigung von Frauen, in der Schweiz und Österreich ist die Lage ähnlich. Was die Gewalttätigkeit im Krieg noch fördere, sei der Zusammenfall von Strukturen und die Straflosigkeit der Täter. Die Voraussetzungen für Gewalt an Frauen gebe es aber überall, ist Monika Hauser überzeugt: „Es sind die patriarchalen Strukturen in der Gesellschaft, die es Männern ermöglichen, Gewalt gegen Frauen auszuüben.“ Die Ärztin leitet Medica Mondiale mit Sitz in Köln seit 25 Jahren. Regelmäßig besucht sie die Hilfseinrichtungen in Krisengebieten, doch auch hier bei uns gibt es viel zu tun: Werbung, die überall auf den Straßen oder in Medien zu sehen ist, evoziert ein Frauenbild, das suggeriert, dass weibliche Körper jederzeit verfügbar sind. „Was macht das mit einem jungen Mann?“, fragt die Frauenrechtlerin. „Es gibt viele verletzte, gekränkte oder unsichere Männer, die alles Weibliche zu verachten beginnen, um sich so ihre Identität aufzubauen“, und von dort aus sei es kein weiter Weg mehr zur Gewalt.

Welche Frau kennt es nicht: In der Disco spürt man plötzlich eine fremde Hand am Po – spricht frau den Mann mit der entglittenen Hand an, erfährt sie selten Verständnis für ihre Ablehnung: „Feministische Zicke!“ oder „Das ist doch ein Kompliment!“ sind gängige Reaktionen. Es ist aber kein Kompliment, sondern eine Respektlosigkeit, eine Degradierung zum Objekt; Nährboden für weitere Übergriffe und Ausdruck eines Machtgefälles. „Jungen und Mädchen wachsen heute immer noch mit den gesellschaftlichen Stereotypen auf, dass Frauen Männern gefallen müssen, sich anpassen sollen und nicht aufbegehren dürfen. Die Erwachsenen machen ihnen das vor.“

Neben vielen weiteren Auszeichnungen erhielt Hauser 2008 den Alternativen Nobelpreis für ihr Engagement mit Medica Mondiale. Besonders freute sie sich, als sie 2017 von der Uni St. Gallen den Ehrendoktortitel in Staatswissenschaft „Transformation gesellschaftlicher Strukturen“ verliehen bekam; doppelt erfreulich, da sie im Kanton St. Gallen aufwuchs. Sie findet: „Es muss in Gesellschaft und Politik ein Umdenken in großem Maße stattfinden: was häusliche Gewalt betrifft, die allgegenwärtige sexistische Werbung, verblödende TV Sendungen oder Internetbeiträge.“

„Die #MeToo Debatte hat sehr wichtige Arbeit geleistet“, betont sie, „hier gab es einen Aufschrei, der viele Frauen zum Nachdenken brachte, warum sie nicht angezeigt haben.“ Denn es werden in Deutschland weniger als 10 Prozent der Vergewaltigungen zur Anzeige gebracht, und davon wiederum nur ein Minimum der Täter verklagt. „Die Justiz ist nicht pro Frau“, so die Begründerin von Medica Mondiale. Nach dem Prinzip „Blame the Victim“ wendet sich das Gericht oft gegen die Klägerin. „Häufig werden sie gedemütigt – siehe ,Kachelmannprozess‘“, frauenfeindliche Sprüche hielten erst viele von einer Anzeige ab, und für die Frauen, die es dennoch tun, ist der Prozess meist „schwer durchzuhalten“.

Im Rahmen von „One Billion Rising“ (OBR) spricht Monika Hauser am 7. Februar im Waaghaus Ravensburg zum Thema „Frauenrechte sind Menschenrechte“. „In Ravensburg und Umgebung haben 2016 245 Klientinnen Beratungsstellen aufgesucht, in Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen gab es 1680 Übernachtungen. „Daran sieht man, dass es Gewalt gegen Frauen bei Weitem nicht nur in Krisengebieten wie dem Kongo oder Afghanistan gibt, sondern genauso hier.“ Aktionen wie OBR helfen, die Gesellschaft für das Thema zu sensibilisieren. „Wir bräuchten OBR allerdings 365 Tage im Jahr“, findet Hauser, die trotz ihrer Erfahrungen nicht zur Männerhasserin geworden ist, sondern „ein sehr entspanntes Verhältnis“ zu ihnen habe.

Bei ihrer Arbeit gibt es außerdem zahlreiche Erfolge, die Mut machen: „Viele Frauen lassen sich nicht von ihrem Erlebten erdrücken und zeigen sehr viel Kraft.“ Damit die „Überlebenden“ – die Mitglieder von Medica Mondiale meiden die Bezeichnung „Opfer“ im Hinblick darauf, dass viele Frauen sehr viel Kraft mitbrächten – mit ihrem Erlebten umgehen können, sei vor allem Solidarität und Verständnis von Gesellschaft und sozialem Umfeld enorm wichtig. Die häufig erfahrenen Stigmatisierungen führten dazu, dass die Überlebenden lebenslang ihr Leid allein mit sich herumtragen müssten.

One Billion Rising

One Billion Rising ist ein weltweiter Streik gegen Gewalt an Frauen und für Gleichstellung, den die New Yorker Künstlerin Eve Ensler 2012 initiierte. „One Billion“ steht für „eine Milliarde“, denn laut einer UN-Statistik werden eine von drei Frauen weltweit, also eine Milliarde, im Laufe ihres Lebens entweder vergewaltigt oder Opfer einer schweren Körperverletzung. Am V-Day, dem Aktionstag gegen Gewalt an Frauen, tanzen Männer und Frauen gemeinsam, um ein Zeichen zu setzen und das Thema ins Bewusstsein zu rufen. OBR-Gruppen gibt es in vielen Städten, am Bodensee u.a. in Konstanz: Adrianne Waidelich und Claudia Küstner organisieren den Aktionstag: „Wir machen OBR, weil es bei aller Schwere des Themas eine sehr positive und Kraft gebende Aktion ist. Wir wünschen uns für dieses Jahr, dass sich die Konstanzer Marktstätte mit Menschen füllt, die sich für Frauenrechte und Gewaltfreiheit erheben.“

Medica Mondiale | Hülchrather Straße 4, D-50670 Köln | +49 (0)221 93 18 980 | Stiftung Schweiz: Zentralstrasse 47, CH-8003 Zürich | +41 (0)79 522 22 25  | www.medicamondiale.org

OBR-Flashmobs

Flashmob Konstanz

14.02., 15.30 Uhr & 16.02., 12 Uhr | Kaiserbrunnen, Marktstätte, D-78462 Konstanz | www.obr-konstanz.de

Flashmob Ravensburg

14.02., 17 Uhr | Marienplatz (Lederhaus), D-88212 Ravensburg | +49 (0)751 82 586  | www.ravensburg.de

Flashmob Friedrichshafen

16.02., 10.30 Uhr | Konzertmuschel am See, D-88045 Friedrichshafen | +49 (0)7541 20 32 005 | www.friedrichshafen.de

Veranstaltungen

07.02., 19 Uhr | Monika Hauser: Frauenrechte sind Menschenrechte | Schwörsaal im Waaghaus, Marienplatz 28, D-88212 Ravensburg | +49 (0)751 82 640

10.02., 9–12 ab 12 Jahren & 14–17 Uhr ab 18 Jahren | Workshops: Selbstbehauptung für Mädchen und Frauen | Gartenstraße 33 im EG, D-88212 Ravensburg | Anmeldung: info@vhs-rv.de

14.02., 20 Uhr | Vagina Monologe-Lesung mit Musik | RavensBuch, Karlstraße 42, D-88045 Friedrichshafen | +49 (0)7541 95 28 50  | www.ravensbuch.de

08.03., 13 Uhr | Markt der Möglichkeiten, Aktion Konstanzer Frauengruppen | Kommunales Kunst- und Kulturzentrum K9, Hieronymusgasse 3, D-78462 Konstanz | +49 (0)7531 16 713 | www.k9-kulturzentrum.de