Im April 2020 jährte sich der Todestag von Georg Elser zum 75. Mal. Er wollte mit seinem Attentat 1939 auf Adolf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller den Krieg verhindern. Der Attentäter hatte zuvor einige Jahre am Bodensee gelebt und wurde auf seiner Flucht in die Schweiz in Konstanz verhaftet. Der Kulturverein Meersburg startete im Juli eine neue Veranstaltungsreihe mit dem Fokus auf das Kriegsende vor 75 Jahren, hier fand auch ein Georg-Elser-Abend inklusive Filmvorführung statt. Grund für akzent, einen Beitrag aus 2015 über Georg Elsers Jahre am Bodensee, sein Attentat und seinen Stellenwert in der Zeitgeschichte nochmals aufzugreifen.

13 Minuten

Es sind 13 Minuten, die die Weltgeschichte verändert hätten. 13 Minuten,  die das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte frühzeitig beendet hätten. 13 Minuten, in der die Bombe Georg Elsers im Münchner Bürgerbräukeller zu spät detonierte. Nur durch Zufall entkommen Adolf Hitler und das führende NS-Regime, da sie vorzeitig ihre Propagandaveranstaltung verlassen hatten.

Georg Elser, geboren in Königsbronn, kam im Jahre 1925 über Friedrichshafen, wo er kurzfristig bei Dornier Arbeit fand, nach Konstanz. Dort sollte er die nächsten sieben Jahre wohnen. Er lebte im Herzen der Niederburg, in der Inselgasse 15. Schnell fand er Arbeit in einer Uhrenfabrik in der Fischenzstraße 1 im Paradies. Seine Tätigkeit dort ermöglichte es ihm, die Zeitzünder seiner Bombe zu konstruieren. Der gelernte Schreiner Elser hatte großes handwerkliches Geschick, was von Vorteil bei Durchführung und Planung des Anschlags war. Nachdem die Uhrenfabrik schließen musste, wurde er als Geselle in einem Schreinerbetrieb in Bottighofen tätig. Seine letzte Anstellung am Bodensee war schließlich in einer Uhrenfabrik in Meersburg.

Zwei Uhrenwerke, die er anstelle seines ausstehenden Lohns erhalten hatte, sollten in seinem Leben noch von großer Bedeutung sein, da er aus ihnen die Zeitzünder für seine Bombe baute, die er liebevoll „Höllenmaschine“ taufte.

Elser war ein geselliger und politisch aktiver junger Mann. So wurde er 1928 Mitglied des Trachtenvereins „Oberrheintaler“ und des kommunistischen Roten Frontkämpferbundes, einem paramilitärischen Kampfverband unter der Führung der KPD. Elser hatte in Konstanz ein Verhältnis mit der jungen Kellnerin Mathilde Niedermann, die Mutter seines einzigen Sohnes Manfred. Er zahlte nur sporadisch Alimente und zog schließlich 1932 aus Konstanz weg, ohne Begleitung von Frau oder Kind. Letztlich ging er über Königsbronn nach München, um seinen Plan in die Tat umzusetzen. Elser erkannte, was vermeintlich keiner sah oder sehen wollte: „Ich stellte allein Betrachtungen an, wie man die Verhältnisse der Arbeiterschaft bessern und einen Krieg vermeiden könnte. […] Die von mir angestellten Betrachtungen zeitigten das Ergebnis, dass die Verhältnisse in Deutschland nur durch eine Beseitigung der augenblicklichen Führung geändert werden könnten.“

„Ich hab den Krieg verhindern wollen“

Nachdem Deutschland in Polen einmarschiert war, wusste Elser, dass er schnell handeln musste. Über Wochen erkundete er die Hallen des Bürgerbräukellers in München. Er ließ sich nachts dort einschließen, um ein Loch in eine Säule zu hauen, in dem später seine Bombe platziert werden sollte. Alles schien perfekt. An dem Sprengsatz brachte er einen Zeitzünder an, was ihm einen Vorsprung bei seiner Flucht verschaffen sollte, wenn die Bombe mitsamt NS-Führungsstab in die Luft gehen würde.

Mit einem lauten Knall explodierte am 8. November 1939 um 21.20 Uhr Elsers „Höllenmaschine“ und hinterließ –  abgesehen von einem komplett zerstörten Bürgerbräukeller –  8 Tote und 68 Verletzte. Zu diesem Zeitpunkt befand sich kein ranghoher Offizier im Raum, geschweige denn Hitler. Elser, der die Tat akribisch geplant hatte, bekam davon nichts mit. Er hatte München schon längst verlassen und wollte sich auf seiner Fluchtroute über Friedrichshafen und Konstanz schließlich in die neutrale Schweiz absetzen.

Um 20.40 Uhr kam er mit einem Dampfer aus Friedrichshafen in Konstanz an, sein Weg sollte von da an wie folgt verlaufen: Marktstätte, Rosgartenstraße, vorbei an der Dreifaltigkeitskirche zum Bodanplatz, weiter durch die Hüetlinstraße und Kreuzlingerstraße und dann über die Schwedenschanze in die Schweiz. Zudem hatte sich Elser zuvor vergewissert, dass die Grenzkontrollen seit 1932 nicht verschärft worden waren. Alles war detailliert geplant. Nahezu unachtsam will er an der Schwedenschanze in die Schweiz übertreten. Er war sich seiner Sache wohl zu sicher, vergaß sich nach Wachen umzuschauen und wurde an der Grenze von deutschen Zollbeamten angehalten. Seine abgelaufene Übergangskarte und Gegenstände, die er bei sich trug, machten ihn für die Zöllner sofort verdächtig. Er wurde vorläufig  festgenommen, obwohl die Bombe bis dahin noch nicht explodiert war. Doch die Beamten stellten den Bezug zu einem künftigen Anschlag schnell her: In seiner Tasche befanden sich eine Ansichtskarte des Bürgerbräukellers, ein Abzeichen des Rotfrontkämpferbundes und Teile eines Zeitzünders. Er wurde in die Gestapo-Zentrale in der Mainaustraße 29 gebracht und bis in die frühen Morgenstunden verhört. Als dann die Meldung des Anschlags Konstanz erreichte, verschärfte sich sein Verhör. Unter Folter gestand Elser schlussendlich seine Tat. Er wurde zunächst in das KZ Sachsenhausen gebracht und danach ins Lager Dachau verlegt, in dem er am 9. April 1945 erschossen wurde. 20 Tage bevor die Alliierten in Dachau eintrafen.

Elser in der heutigen Zeit

Der Regisseur Klaus Maria Brandauer setzte sich mit dem Film „ Georg Elser – Einer aus Deutschland“ bereits 1989 mit der Person hinter der Tat auseinander. Brandauer kritisierte etwa, dass Elser für die Deutschen keinen so großen Stellenwert hatte wie andere Attentäter, beispielsweise Graf von Stauffenberg. Damals erinnerte noch wenig an Elsers Verbleib in Konstanz, lediglich eine kleine Holztafel an der Schwedenschanze. Elser war den Deutschen suspekt, da es ihm als einfachem Mann beinah gelungen war, die NS-Führung auszuschalten. Er passte nicht in Nachkriegsrechtfertigungen des Volkes, in denen stets beteuert wurde, dass es unmöglich gewesen wäre, allein etwas gegen die allmächtige Führung zu unternehmen. Stattdessen kreisten die wildesten Gerüchte. So wurden ihm Mittäter oder Verbindungen zum britische Geheimdienst unterstellt. Viele KZ-Mithäftlinge verbreiteten die Gerüchte, da Elser im KZ Sachsenhausen ein Einzelzimmer und Sonderbehandlung erhielt. Die Führung wollte rund um Elser nach gewonnenem Krieg einen Schauprozess veranstalten.

Die neue Geschichtsschreibung ist von seiner Alleintäterschaft jedoch überzeugt. Endlich gab es immer mehr Denkmale und Gedenktafeln zu Ehren Elsers, seit 2009 auch in Konstanz. Auch zahlreiche Straßen und Plätze wurden in ganz Deutschland nach ihm benannt.

Zum 70. Gedenktag seiner gescheiterten Flucht beauftragte die Stadt Konstanz den Bildhauer Markus Daum mit der Anfertigung einer Ehrenbüste von Elser für die Schwedenschanze. Außerdem wurde der Georg-Elser-Platz am Treffpunkt Petershausen nach ihm benannt. Noch mehr mediale Aufmerksamkeit bekam Elser durch den SWR-Film „Elser – Er hätte die Welt verändert“ mit dem englischen Titel „13 Minutes“. Der oscarnominierte Regisseur Oliver Hirschbiegel – bekannt für die Filme „Das Experiment“ und „Der Untergang“ – porträtierte Elsers Leben. Dargestellt wird Elser durch Christian Riedel, der unter anderem in dem preisgekrönten Film „Die weiße Wand“ eine Hauptrolle spielte. Lindau fungiert in diesem Film übrigens als Double von Konstanz, da dem Regisseur der historische Hafen von Lindau bild-gewaltiger erschien. Das Werk wurde mit dem Bayrischen Filmpreis ausgezeichnet. Eine Hörspielproduktion des SWRs wurde identisch besetzt. Film und Hörspiel geben beide tiefe Einblicke in das Seelenleben Elsers und stellen eindrucksvoll nicht nur deutsche Vergangenheit dar, sondern auch ein kleines Stück Bodenseegeschichte.

Text: Elias Frank; Bild: Wikipedia