Eigentlich setzt sie sich gerne in ein Café, um Menschen zu beobachten und so Material für ihre Rollen zu sammeln. Doch das ist mittlerweile fast unmöglich. Spätestens seit ChrisTine Urspruch die Rechtsmedizinerin Silke Haller, genannt Alberich, im Münsteraner Tatort mimt, ist sie einem breiten Publikum bekannt. Dazu ihre Rollen als „Das Sams“ sowie Dr. Klein in der gleichnamigen TV-Serie.
Obwohl die in Wangen lebende Schauspielerin oft angesprochen wird, ist sie glücklich darüber. „Ich freue mich zu 99 Prozent. Das hat alles eine wunderschöne Entwicklung genommen. Den Tatort in Münster drehen wir seit 18 Jahren. Doch manchmal, dieses eine Prozent, wäre ich auch sehr gerne einfach privat unterwegs“, schmunzelt die 50-Jährige. Vor allem habe ihr der Tatort aber auch Türen geöffnet: „Durch diese gewachsene Popularität habe ich ein ganz anderes Standing bekommen.“ So engagiert sich ChrisTine Urspruch viel ehrenamtlich und wird in Jurys berufen. „Das sind Aufgaben, die auch meine Wahrnehmung erweitern – ich nehme das als Geschenk.“
Neben ihrem Engagement beim Wangener Verein Lichtblick für in Not geratene Familien hat es ihr vor allem das Lesen angetan: Sie ist Botschafterin der Stiftung Lesen und Schirmherrin für einen Bücherturm in Ravensburg – die bundesweite Bücherturm-Aktion soll Grundschulkinder für das Lesen begeistern. Für sie steht fest: „Es braucht Vorbilder: Eltern, Lehrer oder uns Lesebotschafter, unter denen auch Sportler sind. Je mehr man (vor)lesen gewohnt ist, desto neugieriger sind die Kinder, es selbst zu tun. Und es muss ohne finanzielle Abhängigkeit möglich sein.“ Sofern es die Zeit zulässt, liest sie selbst auch sehr gerne – und geht in der Natur spazieren oder probiert neue Rezepte aus.
Die große Frage
ChrisTine Urspruch, die sich als fröhlich, genussfreudig und nachdenklich beschreibt, ist zudem auf den Bühnen im deutschsprachigen Raum regelmäßig zu Gast. Eigentlich sollte sie demnächst in „Das Licht im Kasten“ im Theater Konstanz dabei sein, musste nun aber aus familiären Gründen absagen.
Das Stück der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek dreht sich um die Frage, was Mode mit uns macht, um Konsum, Glücksgefühle und Ernüchterungen und nicht zuletzt um die eigene Vergänglichkeit. Es ist komisch und tragisch zugleich. Dass es keine festen Rollenvorgaben gibt, ist eine besonders spannende Herausforderung. Es ist ein langer Monolog, der zwischen drei Schauspielern aufgeteilt wurde. „Wir haben uns lange gemeinsam mit dem Text auseinandergesetzt und Zeile für Zeile geschaut, was sie bedeutet. Bei Jelinek ist manches verworren, weil man sich oft fragt, ob sie das ironisch meint, wenn sie eine Aussage im nächsten Augenblick konterkariert“, so ChrisTine Urspruch über die Proben, die Anfang Dezember coronabedingt nur „mit angezogener Handbremse“ starten konnten und ein stetes Mäandern zwischen hoffen, ausblenden und verzweifelt sein waren. Dennoch: „Wir sind dankbar, dass wir überhaupt Proben dürfen. In der Findungsphase konnten wir uns annähern, wie wir diese vielen ineinandergreifenden Aussagen philosophisch, alltäglich oder auch sehr lustig in der Art von Modeauffassung füttern können mit uns als Persönlichkeit.“ Fragen des Modediktats wurden genauso diskutiert wie Nachhaltigkeit, Weiblichkeit oder Queer-Sein. „Kleidung macht wohl mit jedem etwas. Ich schätze es sehr, dass man sich einen anderen Anstrich geben kann, ein Aussehen, mit dem man sich schön fühlt.“
Doch egal, ob in Büchern, im Film oder auf der Bühne: „Wir brauchen die Zerstreuung, die Anregung, müssen Hoffnung schöpfen aus Geschichten – wir brauchen Geschichten als Nahrung zum Überleben.“
Text: Tanja Horlacher
Fotos: Michael Schrodt