Klassische Musik und berührende Geschichten gehen in den Kinderhörbüchern der Edition See-Igel eine außergewöhnliche Verbindung ein. Dort, wo die Sprache endet, führt die Musik sie weiter. Die neueste Produktion des kleinen Verlags in Iznang auf der Halbinsel Höri trägt den Titel „Der Glücksengel“.  Ute Kleeberg hat sich diese poetisch-tröstliche Geschichte ausgedacht. Im Interview berichtet sie über die Entstehung ihres Verlags und ihrer Produktionen.

akzent: Was war Ihre Idee, als Sie 1995 die Edition See-Igel gründeten?

Ute Kleeberg: Mir ging es um die Musik. Ich war damals Sonderschullehrerin für verhaltensauffällige Kinder und habe eine Zusatzausbildung als Spieltherapeutin. Verheiratet bin ich mit dem Musiker Uwe Stoffel, der Solo-Klarinettist in einem Orchester ist. Als wir Kinder bekamen, suchte ich nach klassischer Musik speziell für Kinder. Ich war überrascht, wie wenig es dazu auf dem Markt gab. Und wenn es etwas gab, hat es mich nicht berührt, weil es oft intellektuell überfrachtet war.

akzent: Was wollten Sie stattdessen?

Ute Kleeberg: Ich wollte klassische Musik erlebbar und spürbar machen. Die Musik soll Emotionen wecken, Fantasie anregen und die Menschen berühren. Das ist der Schlüssel zu all meinen Produktionen. Sie schaffen eine Verbindung von Wort und Musik. Dadurch befinden sich die Kinder schon nach kurzer Zeit ganz in der Gefühlswelt der Geschichte.

akzent: Mehr als 40 Kinderhörbücher sind in den vergangenen 26 Jahren in der Edition See-Igel erschienen, viele davon sind preisgekrönt. Jüngst haben Sie sogar den Ehrenpreis der Schallplattenkritik 2021 erhalten. Wie entstehen diese Produktionen?

Ute Kleeberg: Es gibt zwei Formen. Zum einen schreibe ich viele Geschichten selbst. Zum anderen erzähle ich Märchen auf neue Weise und entstaube sie an manchen Stellen. Wenn die Geschichte feststeht, suche ich passende Musik aus. Mein Mann macht mir dabei Vorschläge und stellt auch Kontakte zu den Musikerinnen und Musikern her, die die ausgewählten Werke einspielen. Denn alle Musikaufnahmen werden von uns selbst produziert, wir übernehmen nichts von anderen Tonträgern. Bei den Texten arbeiten wir mit hochkarätigen Erzählerinnen und Erzählern zusammen. Für unsere neueste CD erzählt Katharina Schüttler die Geschichte des Glücksengels. Die Musik dazu stammt von Georg Friedrich Händel, Darius Milhaud, Claude Debussy und Robert Schumann. Und wie immer hat der Grafiker Christian Dierks die Illustrationen für das Booklet geschaffen.

akzent: Der Titel dieser CD wirkt sehr poetisch. Aber wenn man diesen Begriff mal ganz nüchtern googelt, erhält man über 80.000 Treffer. Was macht Ihren Glücksengel zu etwas Besonderem?

Ute Kleeberg: Dieser Glücksengel ist kein Gegenstand, den man kaufen kann. Jeder Mensch trägt ihn bereits in sich. Es handelt sich um eine Kraft, die in schweren Situationen trösten kann. Dieses Gefühl kennen auch Kinder.

akzent: Worum geht es in dieser Geschichte konkret?

Ute Kleeberg: Ein Mädchen namens Teresa erlebt einen schlechten Tag: Ihr Fingerring geht verloren, es regnet, niemand spielt mit ihr, und am Abend streitet sie mit ihrem Bruder. Als sie allein in ihrem Zimmer sitzt, malt sie sich Wut und Enttäuschung von der Seele. In der Nacht erwacht dieses Bild zum Leben: Es ist Teresas Glücksengel. Gemeinsam fliegen die beiden zu den Wunschsternen am Himmel, wo sich Teresas größter Wunsch erfüllt. Als sie am nächsten Morgen erwacht, beginnt ein schöner Tag. Und der Glücksengel blinzelt Teresa zu.

akzent: Wenn Corona nicht wäre, dann gäbe es jetzt nicht nur die CD, sondern auch Veranstaltungen dazu. Warum sind Ihnen Kinderkonzerte so wichtig?

Ute Kleeberg: Unser Anliegen ist es, Kindern eine direkte Begegnung mit Musik zu ermöglichen. Deshalb organisieren wir seit vielen Jahren Kinderkonzerte, bei denen die Kinder hinterher auch mit den Musikerinnen und Musikern sprechen können. Wir hoffen, dass dies bald wieder möglich ist. Denn das ist eine Erfahrung fürs Leben.

www.see.igel.de

Text: Ruth Eberhardt (Text), Fotos von Edition See-Igel

Beitragsbild: Uwe Stoffel und Ute Kleeberg