Der November gilt als der graue Monat, mit Nebel und traurigen Gedenktagen. Hier machen wir ihn richtig grau. In diesem Monat passt die Farbe auf den meisten Fotos zur beginnenden Winter-Stimmung.
Betonbau-Kultur in der Schweiz
Auf einer Radtour im Thurgau nähern wir uns einem modernen Bauernhof außerhalb von Scherzingen, und einer aus der Gruppe sagt: „Also ich kann mich mit dieser Beton-Architektur nicht anfreunden.“ Der vermeintliche Beton stellt sich als Lärchenholzverkleidung eines aus Fichtenholz erstellten Stallgebäudes heraus – und als wir daran vorbeigefahren sind, kann sich die Gruppe auch mit den modernen Formen des Gebäudes anfreunden.
Vorher waren wir in Bottighofen an einer der Villen des bekannten Ostschweizer Architekten Beat Consoni vorbeigekommen, der für seine glattflächigen Betonbauten bekannt ist, wie man schön an der Pädagogischen Hochschule Kreuzlingen #2# sehen kann. Die Schweizer Beton-Baukultur zeigt sich auch an den Bahnhöfen, wo bei Neubauten die praktischen Vorteile des Materials gut genutzt werden.
Beton-Handwerk
Wie die Holzwirtschaft wirbt auch die Beton- oder Zementindustrie für den Baustoff an sich, und bei der BetonMarketing Deutschland geschieht dies seit 1985 mit einem Slogan, dem jeder zustimmen kann, der auch nur ein bisschen vom Bauen versteht: „Beton. Es kommt drauf an, was man draus macht.“ (Das gleiche Prinzip gilt natürlich auch in anderen Lebensbereichen, z.B. beim Kochen: Rosenkohl? Wirsing? – Es kommt darauf an, was man daraus macht!)
Mit Beton kann man wie mit jedem anderen Baustoff gut oder schlecht, schön oder banal bauen. Dazu kommt es beim Beton auch darauf an, wie man es macht, also wie gut er verarbeitet wird, damit er möglichst lange hält, ohne Fugen und Risse, die eine Stahlbetonkonstruktion korrosionsanfällig machen würden. Das ist dann nicht die Sache der Architekten, sondern der ausführenden Betonbauer, bei denen es ebenso auf eine exakte und saubere Arbeit ankommt wie bei den Zimmerleuten. Ein guter Architekt sucht sich für diese Arbeiten aber die besten Leute.
Eines der größten Beton-Gebäude in unserer Region ist die Universität Konstanz. Bei ihr fällt es nicht so auf wie bei anderen Hochschulen aus dieser Zeit (z.B. Bochum), weil sie großzügig mit Kunst am Bau im Stil der Pop Art dekoriert wurde. Hinter den farbigen Akzenten erkennt man aber den „Plattenbau“, bei dem die Fugen nicht so dicht sind, wie sie sein müssten – wer da studiert hat, erinnert sich an die Eimer, die in den Fluren unter den undichten Stellen aufgestellt werden mussten.
Betonbau-Kunst
Der vielleicht raffinierteste Betonbau am Bodensee ist das Kunsthaus in Bregenz von Peter Zumthor. Von außen ein Glaskasten, besteht es eigentlich nur aus drei massiven Betonwänden, die das ganze Haus tragen. Hätte man das in dieser Qualität aus einem anderen Baustoff bauen können? Eine der drei Wände ist doppelt und umfasst so das Treppenhaus, welches eine fast mystische Wirkung auf die Besucherinnen und Besucher hat.
Und bei Brücken ist Beton das Material, mit dem die elegantesten Formen hergestellt werden können, wie auf dieser Seite schon mehrfach anhand von Beispielen aus den letzten Jahren zu sehen war, wie die Schanerloch-Brücke an der Straße von Dornbirn nach Ebnit und die Tamina-Brücke oberhalb von Bad Ragaz. Eine besondere Art der Brücke ist der Stadtbalkon in Rorschach, der einen Aufzug vom Bahnhof zu einem höher gelegenen Quartier südlich davon mit einer Aussichtsplattform verbindet. Auch hier wäre kein anderes Material geeignet, um den Bau in dieser Form zu erstellen.
Rot in Graubünden
Um einen kleinen Farbakzent an das Ende zu setzen, springen wir vom Kanton St. Gallen noch über die Grenze in den Nachbarkanton, der bezeichnenderweise Graubünden heißt. In dem Dorf Scharans südlich von Chur steht das Atelierhaus des Liedermachers Linard Bardill, das von dem bekannten Bündner Architekten Valerio Olgiati entworfen wurde. Seine Wände sind aus Beton, aber in einem warmen Farbton, der durch die Zugabe von Kupferpigmenten und rötlichem Steinmehl erzeugt wurde und es gut in das Dorf einfügt – ein schönes Beispiel für das, was man aus dem Material Beton machen kann! Wer den Beton doch lieber in Grau sieht, findet vom selben Architekten etwas weiter das Nationalparkzentrum in Zernez.
BetonMarketing Deutschland, www.beton.org,
Datenbank beispielhafter Bauten: www.beton.org/objekte
Text & Bilder: Patrick Brauns