Im Zuge der coronabedingten europaweiten Grenzschließungen waren auch hier über mehrere Wochen die Grenzen geschlossen. Dabei sind in der internationalen Bodenseeregion offene Grenzen für viele eine Selbst­verständlichkeit und gehören zum Alltag.
Der DenkRaumBodensee hat sich gemeinsam mit der Universität Konstanz umgehört, was diese Situation mit den Menschen rund um den Bodensee gemacht hat.

Seit Anfang des Jahres hat sich aufgrund der Corona-Pandemie die Welt grundsätzlich verändert und vieles wird nach dem Ende der Krise nicht mehr so sein wie davor. Fast alle Bereiche des wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Lebens sind von der Pandemie betroffen und müssen sich neuen Herausforderungen stellen. Für die internationale Bodenseeregion gilt dies in besonderem Maße. Die Grenzschließung dürfte an den Menschen also nicht spurlos vorübergegangen sein: Wie hat die Bevölkerung die vorübergehende Grenzschließung wahrgenommen? Haben die Menschen dies als Einschränkung empfunden und wenn ja, welche Bereiche waren besonders betroffen? Diesen Fragen sind die Universität Konstanz und DenkRaumBodensee im Rahmen einer Befragung von Bürgerinnen und Bürgern rund um den See auf den Grund gegangen. 

700 Teilnehmer

Insgesamt haben knapp 700 Personen an der Online-Umfrage im Juni und Juli teilgenommen. Viele haben die vorübergehende Grenzschließung als Einschnitt in die persönliche Freiheit empfunden, damit waren negative Gefühle wie Angst und Besorgnis verbunden. Als besonders gravierend wurde die Begrenzung der persönlichen Mobilität angesehen: Rund 50% der Befragten nahmen den Verzicht auf Besuche von Verwandten und Freunden sowie Reisen und Freizeitaktivitäten (59%) als starke oder sehr starke Einschränkung wahr. Grundsätzlich wurde die (vorübergehende) Grenzschließung als Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie aber befürwortet (52%). Allerdings hätten sich viele mehr Rücksicht auf individuelle Bedürfnisse – insbesondere von Familien dies- und jenseits der Grenze – und eine frühere Öffnung der Grenzen für bestimmte Personengruppen gewünscht. Auf der rationalen Ebene haben die Bürgerinnen und Bürger die Schließung der Grenze vor dem Hintergrund der politischen Herausforderungen akzeptiert, auf emotionaler Ebene überwogen die als gravierend empfundenen persönlichen Einschränkungen. 

Länderunterschiede

Länderunterschiede gibt es hinsichtlich der Aussage „Die Schließung der Grenzen war unnötig“. Während über die Hälfte der Befragten aus Österreich (53%) und knapp die Hälfte der Befragten aus Deutschland (49%) dieser Aussage vehement widerspricht, stimmen 38% der Schweizer und 30% der Liechtensteiner Befragten der Aussage sogar eher oder voll und ganz zu. Auch Grenzgänger standen der Grenzschließung eher skeptisch gegenüber: 40% bewerteten die Grenzschließung als unnötig.

Auch das Bild von Grenzen veränderte sich durch die vorübergehende Schließung, die die Grenze verstärkt ins Bewusstsein der Menschen rückte: Für viele, insbesondere der unter 30-Jährigen, war es die erste und schockierende Erfahrung geschlossener Grenzen, die die Freiheit und Selbstbestimmtheit im öffentlichen und privaten Raum massiv beeinträchtigte. Viele von ihnen schätzen nun ein Europa mit offenen Grenzen wieder deutlich mehr und möchten sich dieses hohe Gut bewahren.

Das Gute der Krise

Nicht nur bei den Bürgerinnen und Bürgern in der Bodenseeregion hat die coronabedingte Grenzschließung etwas verändert. Uns wurden auch die Grenzen der grenzüberschreitenden Kooperation in der Bodenseeregion und die geringen Handlungsspielräume der lokalen und regionalen Ebene gegenüber der nationalen oder gar europäischen Ebene vor Augen geführt. Insgesamt wurde deutlich, wie sehr die Überschreitung der Grenzen in der Bodenseeregion als selbstverständlich, alltäglich und unverzichtbar angesehen wird. Und wenn die Krise etwas Gutes hat: Das Zusammengehörigkeitsgefühl, das Bewusstsein und der Wille, gute Lösungen für die Bedürfnisse der Menschen in der internationalen Bodenseeregion zu finden, ist gewachsen. Hoffen wir, dass es nicht erneut auf die Probe gestellt werden muss.

www.denkraumbodensee.org 

Der Denkraum Bodensee

Im sogenannten Think Tank „DenkRaumBodensee“ engagieren sich die Universitäten St.Gallen und Konstanz, die Zeppelin Universität in Friedrichshafen, die Duale Hochschule Ravensburg, das Liechtenstein Institut, das Vorarlberger Architektur Institut in Dornbirn sowie die Internationale Bodensee-Hochschule IBH in Kreuzlingen, um den Dialog zur Zukunft der Bodenseeregion fortzusetzen. Die Finanzierung erfolgt aus Eigenmitteln der beteiligten Partner sowie aus Mitteln des Interreg V-Programms „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“ und der Internationalen Bodensee-Konferenz IBK. In unregelmäßigen Abständen berichtet der DenkRaumBodensee in akzent über verschiedene Themen.

Text: Franziska Spanner, Simone Strauf von DenkRaumBodensee