damals – heute – zukünftig

Welchen Stellenwert hat die Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg in der Bodenseeregion? Werden Kirchtürme und Grenzzäune wieder höher? Mit welchen Herausforderungen ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit aktuell und zukünftig konfrontiert, und wie sieht eine wünschenswerte Struktur einer grenzüberschreitenden Governance für die Bodenseeregion aus? DenkRaumBodensee hat zwölf Expert*innen aus vier Ländern und unterschiedlichen Fachbereichen gefragt.

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit hat in der Bodenseeregion eine lange Tradition. Bereits im 19. Jahrhundert sind Vereinbarungen und Institutionen entstanden, die teils noch heute Bestand haben – wie etwa der Staatsvertrag zur Regulierung des Abflusses aus dem Bodensee. Wie auch in anderen Regionen steht die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Bodenseeregion jedoch vor zahlreichen Herausforderungen.

Eine Vielzahl loser Netzwerke

Das Niveau der grenzüberschreitenden Vernetzung in der Bodenseeregion ist hoch. Es wird vielfältig und zu ganz unterschiedlichen Themen grenzüberschreitend kooperiert. Oftmals wird in eher losen Netzwerken projektbezogen zusammengearbeitet, manche sind institutionell verankert. Die rund 600 grenzüberschreitend aktiven Institutionen decken nahezu alle Themenfelder ab und reichen von interkommunalen Infrastrukturprojekten bis hin zur Regierungschefkonferenz der Internationalen Bodensee-Konferenz. Diese Struktur kann eine Stärke sein, aber gleichzeitig auch eine Schwäche.

Zahlreiche Herausforderungen

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit stand und steht bis heute – nicht nur in der Bodenseeregion – vor zahlreichen Herausforderungen. So fehlt es teilweise an einer gemeinsamen Vision, wohin sich die Bodenseeregion entwickeln soll. Auch müssen immer wieder der Nutzen und der Mehrwert grenzüberschreitender Zusammenarbeit aufgezeigt werden, um den teilweise recht hohen Koordinationsaufwand zu rechtfertigen. Nicht nur für Außenstehende ist es oft schwierig, den Überblick über die Vielzahl der Institutionen und deren Zuständigkeiten zu behalten. Trotz und gerade wegen der Vielzahl der Institutionen und erfolgreich durchgeführten Projekte ist es wichtig, die bestehenden Strukturen weiterzuentwickeln und zukunftsfähig zu machen.

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit lebt vom persönlichen Austausch

Akteur*innen, die bereits seit vielen Jahren grenzüberschreitend in der Bodenseeregion aktiv sind, nehmen zwar eine nach wie vor aktive Zusammenarbeit wahr, vermissen dabei aber eine gewisse Dynamik und wünschen sich, dass aus einem „nice to have“ wieder ein „need to have“ wird. Die Unterschiede produktiv nutzen, voneinander lernen und eine gemeinsame Identität schaffen: Das ist vielen wichtig. Der Erfahrungs- und Wissensaustausch hat einen hohen Stellenwert, auf der persönlichen Ebene ebenfalls. Dass es gerade Personen und nicht Institutionen sind, die die Zusammenarbeit durch ihr persönliches Engagement voranbringen, zeigt sich auch in der Bodenseeregion. Durch Köpfe, die für die gemeinsamen Ziele stehen und sichtbar sind, wird die Wahrnehmung in der Bevölkerung verbessert und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mehr Sichtbarkeit verliehen.

Grenzen als Chancen

Grenzen bieten immer auch Chancen – als Orte des Austauschs, um gleiche oder gemeinsame Probleme zu erkennen, voneinander zu lernen und tragfähige Lösungen zu entwickeln. Auch die Grenzen zwischen Gemeinden, Teilregionen, Nationalstaaten, aber ebenso zwischen thematisch ausgerichteten Institutionen in der Bodenseeregion als Kontaktzonen zu nutzen, ist eine Chance. Das Bewusstsein für diese Chance zu stärken, bleibt weiterhin eine wichtige Aufgabe aller Akteur*innen, die sich für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit einsetzen. Voraussetzung hierfür ist eine Offenheit gegenüber den Unterschieden, den verschiedenen Rationalitäten und Rahmenbedingungen und kreativen Lösungen, die auch Bestehendes infrage stellen können und Raum für Neues schaffen. Die Ausgangslage in der Bodenseeregion, um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit weiterzuentwickeln und zukunftsfähig zu gestalten, ist gut.

www.denkraumbodensee.org

Text: Roland Scherer, Simone Strauf

Beitragsbild: (c) Lars NIssen