Wenn was schiefgeht, haben es bekanntlich alle vorher schon gewusst, die Sternstunde der Gscheiten und Nochgscheiteren.
Dabei ist Scheitern mittlerweile ein anerkanntes Erfolgskonzept, nicht erst seit Christopher Kolumbus bei seiner Suche nach Indien grandios gescheitert ist.
Wie unterhaltsam Scheitern sein kann, bewies etwa die deutsche Komikerin und Kabarettistin Sarah Bosetti mit ihrer gleichnamigen Bühnenshow, die ihr zum Durchbruch verhalf. Bei sogenannten „Fuckup Nights“ erzählen Menschen auf der Bühne vor anderen von ihrem Scheitern als Unternehmer, mittlerweile als Veranstaltungsreihe selbst eine weltweite Erfolgsgeschichte. Selbst am Bodensee sind sie in den Start-up-Szenen im D A CH Raum nicht mehr wegzudenken.
Doch viele Erfolgsgeschichten beginnen mit einem Scheitern – und einem nächsten Versuch oder einem ganz anderen Ansatz – aber eben mit einer wertvollen Erfahrung, was beim nächsten Mal besser laufen sollte. Nennt man Lernkurve.
Nun kann auch Silvan Paganini eine Geschichte des Scheiterns erzählen, zumindest vorläufig. Denn das ehrgeizige Jahrhundert-Projekt, aus 210 Metern Tiefe des Sees den alten Schaufelraddampfer Säntis zu heben, ist erstmal missglückt. Ein Stahl-Seil gerissen, der Sensor des Tauchroboters defekt und der sich nun erneut aufbauende Genehmigungs-Tsunami wegen des erneuten Hebe-Versuchs tut sein Übriges. Sicher ist nur: Silvan Paganini gibt so wenig auf, wie der Besserwisser Ruhe. Der „Leiter Schifffahrt & Nautik“ bei den Schweizerischen Schifffahrtsbetrieben hat mit seiner zugegebenermaßen verrückten Idee, einen Stahlkoloss aus dem vergangenen Jahrhundert dem Dunkel der Vergessenheit zu entreißen, einen Begeisterungs-Hype losgetreten. Spender aus aller Welt beteiligten sich beim Crowdfunding-Prozess, internationale und regionale Medien berichten bis heute durchgängig positiv über die verwegene Idee (ohne die Risiken zu ignorieren), und Paganini ist nach wie vor ein heißbegehrter Gesprächsgast bei Vorträgen und Talkshows. Damit rückt er übrigens den emotionalen Fokus auf „200 Jahre Bodensee-Schifffahrt“ und elektrisiert die Weiße Flotte damit mehr als starkstromplaudernde Professoren mit ihren feuchten Träumen.
Wie weit Ideen von zunächst belächelten Pionieren tragen können, sollte dabei gerade am Bodensee im kollektiven Gedächtnis präsent sein: Hat doch der olle Graf Zeppelin mit seiner für unmöglich gehaltenen Vision von Luftschifffahrt bis heute dafür gesorgt, dass sich der internationale Großraum um Friedrichshafen bis heute zu einer der prosperierendsten Wirtschaftsräume Europas entwickeln konnte. Die Pionierleistung, sich etwas auszudenken, was technisch zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht möglich war, ist das eine. Das andere ist, dafür Menschen zu begeistern und zu technischen Höchstleistungen zu bewegen.
Ein Luftschiff braucht einen effizienten und leichten Motor, Maybach machte es möglich – heute Rolls Royce Power Systems –, ein leichtes Getriebe dazu gab’s von einer Zahnradfabrik vor Ort, die sich unter diesem Namen zum zweitgrößten Automobilzulieferer der Welt mauserte. Ein aerodynamischer Visionär brachte nicht nur Zeppeline in Form, sondern auch die Weltfirma Dornier hervor (heute Airbus) und das sind nur einige wenige der Wichtigen am See.
Der flugbegeisterte Luftfahrtpionier flog dabei zunächst mal kräftig selbst auf die Schnauze und ging pleite: Doch das deutsche Volk war so fasziniert von diesem verrückten Pionier, dass sie nach dem großen Zeppelin-Unglück Millionen in Kleinstbeträgen spendeten und so auch noch das Crowdfunding entwickelten.
Bleibt also mal gespannt abzuwarten, was mit dieser Bergeaktion noch das Licht der Welt erblicken wird – dann simmer alle gscheiter …
Markus Hotz,
Herausgeber
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Beitragsbild: (c) Mirjam Schultheiß