Rekorde und Superlative

Wir haben den höchsten, den größten, den längsten …! Rekorde und Superlative kommen in jeder Tourismuswerbung vor, sie sind ein Standortfaktor, mit dem fast jede Stadt und Gemeinde versucht, sich von der Konkurrenz abzuheben. Auch im Bereich des Bauens und der Architektur wird mit Rekorden geworben, mit messbaren wie mit subjektiven.

Bei den schönsten Bauten kann man viel behaupten, aber über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Weil nicht nur für Vorarlberg die Architektur inzwischen ein Thema ist, mit dem einzelne Städte versuchen zu punkten, wird rund um den See geschaut, was das Thema hergibt. Da wird schon mal gemogelt und oft auch gelogen, dass sich die Brückenbalken biegen. Nehmen wir uns ein paar der beliebtesten Rekorde vor für einen Faktencheck.

Busbahnhof Singen

Das Größte und das Kleinste             

Das längste Gebäude in der Region ist gar nicht so einfach zu finden. Deshalb kann man zuverlässige Angaben nur für einzelne Gebäudetypen machen. Früher waren Kirchen die längsten (und die höchsten), dann die Fabrikhallen. Die Halle, in der in Friedrichshafen die Zeppeline gebaut wurden, musste mindestens so lang sein wie diese. Der längste war 270 Meter lang, die Halle also etwas länger. Der heutige Zeppelin NT ist kleiner, deshalb ist seine „Garage“ nur 100 Meter lang – gleich daneben steht die größte Messehalle (A 1), die 149,5 Meter lang ist.

Ebenfalls durch die Länge der Fahrzeuge vorgegeben sind die Dächer über den Bahnsteigen, sie sind aber nie so lang wie die Züge (vermutlich damit die Dampfloks außerhalb der Dächer stehen). Auf Bahnhöfen mit Schnellzugverkehr, wie in Bregenz oder in St. Gallen, sind die Bahnsteigdächer etwa 200 Meter lang. Busse sind viel kürzer, aber auch die Dächer über Busbahnhöfen sind oft lang (und auch breit), damit man auch bei Regen bequem von einem Bus zum anderen umsteigen kann. Das 2010 über dem Busbahnhof gebaute Dach in Rheineck ist mit gut 100 Metern für so eine Gemeinde schon beeindruckend lang, in Städten mit Busverkehr in alle Richtungen sind die Dächer natürlich länger. Das im letzten Jahr fertiggestellte Busbahnhofdach in Singen, zwischen dem Hauptbahnhof und dem im letzten Herbst eröffneten Einkaufszentrum CANO, ist fast so lang wie die Bahnsteigdächer: 160 Meter! Das CANO selbst ist über 200 Meter lang, aber die Länge und Größe von Einkaufszentren wären ein Thema für sich.

Bregenz hat eine ganze Reihe von Alleinstellungsmerkmalen, als bekanntestes die Seebühne, aber in jedem Prospekt kommt die Kuriosität des „schmalsten Hauses Europas“ vor, das nur 57 cm breit ist. Auf den Beweisfotos sieht es auch so aus, aber schon der gesunde Menschenverstand zeigt die rote Karte: Wenn das die tatsächliche Breite des ganzen Hauses wäre, würden weder Bett noch Tisch hineinpassen. Auf den Fotos ist erkennbar, dass die schmale Haustüre in der Kirchstraße 29 in einer Ecke mit einem stumpfen Winkel steht. Wenn man also davon ausgeht, dass die Nachbarhäuser einen rechtwinkligen Grundriss haben, wird das Haus nach hinten immer breiter – und die Rückseite ist sogar breiter als die benachbarten Altstadthäuser.        

Steg Altnau, Blick zum Land hin

Hoch und lang

Den längsten Landungssteg am Bodensee hatte jahrzehntelang Immenstaad (100 m) – bis Altnau 2007 den Wert fast verdreifacht hat. Schon der Immenstaader Steg war länger als das höchste freistehende Gebäude am See, und für die Länge des Altnauer Stegs müssen wir schon einen Berg zu Hilfe nehmen: Wenn dieser in Singen hochkant auf einen Platz gestellt würde, wäre er etwa so hoch wie der Hohentwiel.

Der Brückenwanderweg um St. Gallen zeigt schön die bautechnische Entwicklung der Brücken, von den gedeckten Holzbrücken unten im Tal bis zu den moderneren, mit denen die Täler einfach überspannt werden: Die Haggenbrücke (Ganggelibrugg) über die Sitter ist 98,6 Meter hoch. Auch Straßen- und Autobahnbrücken sind oft beeindruckend hoch, aber damit wird selten geworben, die Höhe der Brudertalbrücke bei Engen ist sicher in einer ähnlichen Größenordnung. Etwas weiter weg, in den alpinen Landschaften, werden noch ganz andere Tiefen überbrückt. Die Taminabrücke bei Bad Ragaz, über die in dieser Rubrik schon vor ihrer Eröffnung 2016 geschrieben wurde, ist glatte 200 Meter hoch. Sie hat 36,7 Millionen Franken gekostet, und für die Architektur auch schon einige Preise bekommen. Das sind aber fast Peanuts gegen die 1,5 Trillionen Reichsmark, die 1923 für die kleine Aach-Brücke in Singen gezahlt werden mussten.

Gebaute Rekorde und Superlative
Aach-Brücke Singen, Hinweisschild zu den Baukosten

Text + Fotos: Patrick Brauns

Beitragsbild: Steg Altnau, Blick auf den See