Wien, Berlin, Barcelona, Monaco, San Francisco und immer wieder Konstanz… Seit den 70er Jahren werden die Werke des Konstanzer Malers Matthias Holländer international ausgestellt. Der Träger des Konstanzer Kunstpreis 1993 gehört damit zu den erfolgreichsten Künstlern am Bodensee. Im Gespräch mit akzent spricht der Fotorealist über seine Künstlerfreundschaft mit Gabriel Vormstein und die aktuelle gemeinsame Ausstellung „Konstellationen – Interferenzen“ im Konstanzer Kunstverein.  

VON ANNE MITTMANN

akzent: Herr Holländer, ein immer wiederkehrendes Bild auf Ihren Werken ist ein Wiener Jugendstil-Teller, mal mit Wachteleiern, mal mit Blut. Wie hat Sie Ihre Zeit an der Wiener Akademie in der Meisterklasse von Rudolf Hausner geprägt?

Matthias Holländer: Die Wiener Kunstwelt war in den 70er Jahren geradezu paradox. Auf der einen Seite bestimmten damals die Wiener Aktionisten wie Brus, Nitsch, Valie Export, Peter Wiebel u.a. das Feuilleton. Auf der anderen Seite stand Hausner mit seinem intellektuell wie malerisch sehr ambitionierten Angebot in der Tradition des klassischen Tafelbilds. An der Wiener Akademie haben wir gelernt zu malen wie die alten Meister, handwerklich sehr versiert. Die größte Herausforderung für mich als noch sehr junger Mensch war, meinen eigenen Stil zu finden. Der Schritt vom Phantastischen Realismus zum Realismus, der war entscheidend.

akzent: Wann ist der Knoten geplatzt?

1972 war die große documenta-Ausstellung mit den Fotorealisten aus Amerika. Die war in der Hausnerklasse in Wien eingeschlagen wie eine Bombe und hat auch mich damals sehr geprägt. Aber auch in Abgrenzung zu dieser flächigen, weichgezeichneten Malerei. Ich war immer ins Detail verliebt! Schon mein ältestes Bild in der Ausstellung, „Türen geschlossen halten“ von 1976, zeigt das. Die Selbstfindung  schritt voran, in dieser Zeit hellte sich meine Stimmung langsam auf, weil ich wusste, was ich machen will. Die 80er waren dann eine sehr gute Zeit.

akzent: Ihr Medium verweist einerseits auf Ihre Wurzeln in der Renaissance-Malerei, aber auch auf die in der Fotografie. Wo sehen Sie den gravierendsten Unterschied zwischen Gemälde und Fotografie?

Die künstlerische Fotografie ist inzwischen börsennotiert der Malerei fast ebenbürtig. Aber Turner-, Friedrich- oder Vermeer-Ausstellungen ziehen halt noch mehr Besucher an. Ausstellungs-Tickets mit Zeitfenstern wie beim Kinobesuch sind da keine Seltenheit. Denn Gemälde sind einzigartig, haben ihre eigene Geschichte und Körperlichkeit – sind auratische Kunstwerke im Sinn von Walter Benjamin. Wenn ein Gemälde verbrennt, ist es für immer verloren. Eine Fotografie kann ich endlos reproduzieren, solange das Negativ oder die digitale Datei noch existiert. Allerdings habe ich beobachtet, dass meine Gemälde immer mehr wie Fotografien und meine Fotografien immer mehr wie Gemälde wahrgenommen werden. Da gibt es eine kreative Wechselwirkung, die ich sehr spannend finde.

akzent: Apropos kreative Wechselwirkung. Was verbindet Sie mit Gabriel Vormstein?

Gabriel und ich haben uns 2009 über die gemeinsame, 2017 leider allzu früh verstorbene Freundin  Conni Brinzinger – auch eine Künstlerin mit Konstanz-Biografie – in Berlin kennengelernt. Wir waren beide Schüler von Claus Dietrich Hentschel am Heinrich-Suso-Gymnasium in Konstanz, mit zwanzig Jahren Zeitverschiebung. Uns verbindet eine Künstlerfreundschaft, und die Faszination für ähnliche Themen: Vergänglichkeit, Tod, Leben, Schichtungen, Teiltransparenzen und die Magie des Augenblicks – all das findet sich in unseren Werken. Dabei ist unsere Art zu arbeiten absolut konträr. Gabriels Werk ist schnell, geradezu von manischem Tempo getrieben, expressiv und auch vom Material viel leichter. Er arbeitet zu mehr als 80 Prozent seines Oeuvres auf bedrucktem Tageszeitungspapier, seine Kunst ist ganz im Hier und Jetzt grundiert. Ich bin am anderen Ende dieses Registers. Meist male ich Monate, manchmal auch mehr als ein Jahr an einem Gemälde.

akzent: Ihre gemeinsame Ausstellung im Kunstverein Konstanz heißt „Konstellationen – Interferenzen“. Wie darf man diese Überlagerungen verstehen?

Der Titel erscheint auf den ersten Blick etwas akademisch und kopflastig. Dabei funktioniert die Ausstellung wie ein Spiel oder eine Inszenierung: Wir haben unsere Arbeiten gemeinsam so gehängt, dass sie miteinander interagieren, dialogisieren und ‚framen‘. Das war unser Konzept. Gerne auch mit einem ironischen Augenzwinkern.

akzent: Ein Beispiel?

Ein gutes Beispiel ist Gabriels Archaeopteryx direkt neben meinem „Gelege“, den Wachteleiern auf dem genannten Wiener Jugendstil-Teller. Mich haben die Wachteleier in ihrer Einzigartigkeit inspiriert, ihre Sprenkel sind wie kleine Aquarelle der Natur. So individuell wie das Leben darin, so individuell ist auch die Schale. Neben Gabriels Urvogel rückt eine andere Ebene in den Vordergrund. Was war zuerst da? Urvogel oder Ei?

akzent: Haben Sie sich vorher abgesprochen, welche Werke Sie zusammen aufhängen?

Nein, wir hatten zwar im Vorfeld schon einige ‚Matches‘ angepeilt, aber wir haben dann beide viel mehr Arbeiten mitgebracht und dann erst vor Ort ganz neu und reduziert zusammen gepuzzelt. Wir sind uns thematisch so verwandt, dass das wunderbar funktioniert hat. Im Zentrum der Ausstellung stehen bei mir auch ältere Arbeiten. Da ist zum Beispiel eines meiner Gemälde – ein Diptychon –, die  Doppelansicht eines verfallenen Kellers, und direkt davor und darüber stehen und schweben als Installation die „Arte Povera“-Stühle  von Gabriel, wie aus meinem Bild gefallen. Das ist so eingänglich, da löst sich das Konzept der Interferenzen ganz einfach in Wohlgefallen auf.

Foto: Ausstellung Holländer Vormstein im Konstanzer Kunstverein © Stephan Postius