von Claudia Antes-Barisch

Mit dem Frühling und den Corona-Lockerungen kehrt das Leben zurück. Die Menschen wollen ausgehen, sich mit Freunden treffen. Rein in die Bars, in die Restaurants und Biergärten! Und dass auch Touristen heuer zuhauf an den Bodensee strömen, steht außer Frage. Alles gut also? Kann sich das pandemiegebeutelte Gastgewerbe jetzt auf endlich mal wieder volle Kassen freuen? Könnte es – wenn da nicht das große Problem mit den fehlenden Arbeitskräften wäre. Gibt es Wege aus der Misere?

Reduzierte Öffnungszeiten, kleinere Speisekarten, zusätzliche Ruhetage: So mancher Gast dürfte sich inzwischen verwundert die Augen reiben, wenn er vor dem Lieblingsrestaurant steht. Der Grund für solche Änderungen ist eine teils dramatische Personalnot. Fast jeder fünfte Mitarbeitende hat während der letzten beiden Jahre der Gastronomie den Rücken zugekehrt. Denn: Die Pandemie legte die deutsche Gastronomie von heute auf morgen lahm, Mitarbeiter wurden in Kurzarbeit geschickt. Und als die Restaurants wieder öffnen durften, kehrten viele von ihnen nicht mehr zurück, weil sie eine andere Arbeit gefunden hatten. Schon zuvor war Personal in der Gastronomie ein knappes Gut; durch die Pandemie hat sich die Lage noch verschärft.

Prekäre Arbeitsplätze?

Das Image der Branche ist schon lange angeschlagen: niedrige Löhne, unbezahlte Überstunden, keine verlässlichen Arbeitszeiten, schlechte Ausbildungsqualität, Flucht aus Tarifverträgen. Prekäre Arbeitsplätze also, Personalmangel vorprogrammiert? Daniel Ohl, Pressesprecher des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Baden-Württemberg, zeichnet ein anderes Bild: „Die Beschäftigungsentwicklung war im baden-württembergischen Gastgewerbe bis zur Corona-Krise über viele Jahre hinweg stark positiv. Die Zahl der Beschäftigten ist seit 2010 von rund 102.000 auf 137.000 im Jahr 2019 gestiegen – Hotellerie und Gastronomie waren somit starke ‚Jobmotoren‘ der baden-württembergischen Wirtschaft.“ Im Lockdown-Monat März 2021 habe die Zahl der Beschäftigten im baden-württembergischen Gastgewerbe nur noch bei rund 116.000 gelegen – über 20.000 Beschäftigte weniger als vor Beginn der Krise. Nach der Wiedereröffnung der Betriebe sei diese Zahl bis 30.06.2021 aber wieder auf rund 120.000 angestiegen. „Wir sind also keineswegs die notorische Loserbranche“, rückt Ohl das Image gerade.

Dennoch gebe es Handlungsbedarf im Gastgewerbe. „Das Problembewusstsein ist da“, sagt Ohl. Zunächst gelte es, „das Vertrauen der Beschäftigten in die Sicherheit der Arbeitsplätze wieder herzustellen.“ Jeder Beteiligte sei jetzt gefordert, die Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitsplätze mitzugestalten. Das betreffe sowohl die Bezahlung wie auch die bessere Planbarkeit von Arbeitszeiten.

Ruhetage: Samstag und Sonntag

Manfred Hölzl, der über Jahrzehnte die Konstanzer Konzil-Gaststätten geführt hat und nach wie vor in zahlreichen (Gastro-)Verbänden, Vereinen und Projekten aktiv ist, sagt es deutlich: „Die Not ist groß.“ Es werde zu Saisonbeginn an Ostern Betriebe geben, die nicht genügend Mitarbeiter haben, insbesondere in Küche und Service. Der coronabedingte Wegfall der Jobmessen – stets eine Hilfe bei der Rekrutierung von Personal – habe die Situation noch verschärft. Eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Marketing und Tourismus Konstanz, der Deutsche Bodensee Tourismus und des Dehoga hat nun für den 9. April einen Aktionstag geplant, eine Art „Tag der offenen Tür“ in diversen Betrieben (s. Kasten). Interessierte können vor Ort an Betriebsbesichtigungen teilnehmen und direkt mit den potenziellen Arbeitgebern in Kontakt kommen. „Aber solche Aktionen alleine genügen natürlich nicht“, sagt Hölzl. Vielerorts seien Tarifabschlüsse „massiv nachgebessert“ worden. Etliche Hotelbetriebe würden auch über eine Vier-Tage-Woche versuchen, ihre Attraktivität als Arbeitsplatz zu erhöhen. Klaus Winter, der Inhaber des Lindauer Restaurants Strandhaus, hat enormen Erfolg mit seiner Idee, sein Haus an den Wochenenden geschlossen zu lassen: Er konnte sich vor – qualifizierten – Bewerbern kaum retten und darf sich jetzt über eine komfortable Personalsituation freuen. „Wir müssen viel mehr tun“, ist der erfahrene Gastronom Manfred Hölzl überzeugt. Dazu gehöre auch die Anwerbung von Azubis aus Nicht-EU-Ländern wie Indien und Indonesien.

Neue Arbeitszeitmodelle gefragt

Auf der deutschen Seeseite hieß es lange Zeit im Gastgewerbe: „Kein Wunder, dass uns das Personal fehlt. Die gehen alle rüber in die Schweiz, weil sie dort mehr Geld bekommen.“ Tatsächlich ist die Situation jetzt aber in der Schweiz auch nicht besser als am deutschen Bodensee. Weil nämlich, so der der Gastro-Thurgau-Präsident Ruedi Bartel, während der Pandemie einige Betriebe „trotz des Instruments der Kurzarbeit“ Angestellte entlassen hätten, um Sozialversicherungsbeiträge zu sparen. Und auch hier viele der Entlassenen inzwischen in anderen Branchen tätig sind – mit freien Abenden und Wochenenden.

Dass Not aber eben auch zu spannenden Maßnahmen führt, zeigt das Beispiel der Kartause Ittingen. Hier versucht man, das Personalproblem zusammen mit der Küchen-Neugestaltung zu lösen. Hoteldirektor Valentin Bot erklärt: „Die Kapazitätsgrenzen in der alten Küche einerseits und der latente Fachkräftemangel andererseits haben uns zu einer optimalen Lösung geführt: Im ersten Stock wird eine reine Produktionsküche installiert, in der – beispielsweise Kuchen – mit Unterstützung von moderner Kühltechnik vorproduziert werden kann. In der neuen Küche wird weiterhin frisch gekocht. Das führt dazu, dass wir unseren Köchen ein neues Arbeitszeitmodell anbieten können. Vier Tage 10,5 Stunden arbeiten, drei Tage frei. Die Arbeitszeiten sind von kurzen Pausen durchzogen, die lange Zimmerstunde entfällt, weil diese Zeit für die Vorproduktion genutzt wird.“ Das neue 4/3-Modell hat, obwohl noch in der Testphase, jedenfalls schon mal zu einem Mehr an Bewerbungen geführt.

Den Nachwuchs nicht vergessen!

Aber es geht nicht nur um die Besetzung offener Stellen im Gastgewerbe, sondern auch darum, den Nachwuchs bei der Stange zu halten. In Vorarlberg hat man daher vor einigen Jahren das Ausbildungssystem für den Gastro-Nachwuchs verändert. Mit der GASCHT (Gastgeberschule für Tourismusberufe) wurde ein neues, attraktives Bildungsangebot geschaffen, das den Auszubildenden andere Zugänge zum Beruf ermöglicht. Herbert Motter, Pressesprecher bei der Wirtschaftskammer Vorarlberg, zählt noch weitere Initiativen auf, die helfen sollen, die Personalnot in den Griff zu bekommen:

  • Alle Mitarbeiter der Tourismusbranche erhalten die „Starcard“ und damit zahlreiche Vergünstigungen, kulturell, infrastrukturell etc.
  • Die Website Tourismusjobs.at zeigt potenziellen Mitarbeitenden die Möglichkeiten verschiedener Jobs auf.
  • Bei Events wie Landeslehrlingswettbewerben und JuniorSkills zeigen Jungköche ihr Können.
  • Im Herbst 2022 soll es eine Tourismuswoche geben, bei der auch Workshops zu verschiedenen Detailbereichen der Gastronomie für Jugendliche angeboten werden.
  • 2023 wird es wieder eine i-Messe geben. Dabei handelt es sich um die größte Ausbildungsmesse des Landes, bei der auch Lehrberufe vorgestellt werden.
Wirtschaftskammer Vorarlberg Gastron

Zudem, so Motter, wolle man bei der Gestaltung der Arbeitsplätze neue Wege gehen und Mitarbeitenden die gleiche Wertschätzung entgegen bringen wie den Gästen. Und auch in Vorarlberg – hier fällt ja auch die Wintersaison noch zusätzlich ins Gewicht –  ist man auf der Suche nach praktikablem Saisonbeschäftigungsmodellen, die auch Arbeitskräfte aus Drittstaaten mit einbeziehen.

Der Mangel ist da, ihn zu beheben verlangt nach Kreativität und dem Willen, wirklich neue Wege zu gehen. Oder, wie Daniel Ohl sagt: „Die Herausforderung, an der Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitsbedingungen im Gastgewerbe zu arbeiten, bleibt für die Branche eine Daueraufgabe.“

Jobsuche leicht gemacht

Eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Marketing und Tourismus Konstanz, der Deutsche Bodensee Tourismus und des Dehoga hat für den 9. April einen Aktionstag geplant, um potenzielle MitarbeiterInnen im Gastgewerbe anzusprechen. In den teilnehmenden Betrieben in der Bodenseeregion sind jeweils um 11, 13 und 15 Uhr Führungen für alle Interessierten, bzw. Jobsuchenden, vorgesehen. Mehr unter www.bodenseewest.eu/careerday

Der Bodenseekreis plant einen Aktionstag für den 13. Mai.