Die weltweite Erderwärmung schreitet voran, ein Rückgang der CO2-Emissionen ist bisher nicht in Sicht – die Klimakrise wird sich weiter verschärfen, und ein rascher Rückgang der Treibhausgase ist dringender denn je. Der Transportsektor insgesamt ist für rund 16% der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Hierin enthalten ist die Schifffahrt mit einem Anteil von 1,7%. Bezogen auf die CO2-Intensität pro Personen-km übersteigt sie jedoch die Emissionen von Bus, Bahn und auch der PKWs um ein Vielfaches. Grund genug, dass sich die Schifffahrt – auch auf dem Bodensee – dem Ziel der Klimaneutralität verschreibt.

Auf dem Bodensee waren Ende 2020 laut Bodensee-Schiff-Statistik mehr als 40.000 Motorboote zugelassen, darunter rund 38.500 mit Verbrennungsmotoren und lediglich knapp 2000 Boote mit Elektromotor. Auch wenn die Anzahl der mit Elektromotoren betriebenen Boote in den vergangenen Jahren gestiegen ist, bleibt deren Anteil sehr gering. Um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, gibt es neben der Elektrifizierung weitere technische Möglichkeiten, wie beispielsweise CO2-neutrale Treibstoffe wie Methan, Methanol, Ammoniak, Wasserstoff oder synthetischen Schiffsdiesel oder auch hybride Mischformen. Der Wirkungsgrad ist jedoch teilweise deutlich niedriger und bis zum Einsatz dieser Antriebe braucht es abgesehen von den noch zu erarbeitenden Zulassungsbedingungen viel Grundlagenarbeit. Auch eignen sich nicht alle aufgrund ihres Platzbedarfs und Gewichts für größere Distanzen. Dennoch sollte es auch für die Schifffahrt das erklärte Ziel sein, Innovationen voranzutreiben und Alternativen zu fossilen Brennstoffen zu suchen, um einen Beitrag zur Klimaneutralität zu leisten.

Das Problem ist erkannt

Das Thema einer umweltverträglichen Mobilität auf Gewässern ist in der Bodenseeregion nicht neu. Bereits 1993 wurden auf Initiative der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee einheitliche Abgasnormen eingeführt – die erste derartige Vorschrift für Bootsmotoren weltweit. Mit der E-Charta Bodensee hat sich die Internationale Bodensee-Konferenz zum Ziel gesetzt, die Elektromobilität in der Region zu fördern. Dabei werden Mobilitätsanbieter, Energieversorger, Tourismusorganisation, Arbeitgeber und die Öffentliche Hand einbezogen. Mittlerweile haben mehr als 50 Institutionen rund um den Bodensee die E-Charta unterzeichnet. Und auch der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann sprach sich jüngst dafür aus, den Verkehr auf dem Bodensee bis 2035 klimaneutral zu machen.

Erste Elektroschiffe in 2022

Schifffahrtsunternehmen am Bodensee setzen sich für eine klimaneutrale Zukunft der Bodenseeschifffahrt ein und gehen mit gutem Beispiel voran. Die Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) haben ein vollelektrisches Fahrgastschiff für 300 Personen in Auftrag gegeben. Die „Artemis“ soll 2022 ihren Betrieb aufnehmen und die Linie Meersburg-Uhldingen-Mainau bedienen. Die Inbetriebnahme eines zweiten Elektroschiffes ist für 2025 geplant. Elektroantriebe eignen sich am besten für kleinere Schiffe und kurze Distanzen. Welche umweltfreundlichen Antriebe für die mittleren und großen Schiffe infrage kommen, wird noch untersucht. Ziel ist es, mittelfristig die gesamte Flotte und auch insbesondere die denkmalgeschützten historischen Schiffe auf synthetische Kraftstoffe umzurüsten.

Auch die Schweizerische Bodensee Schifffahrt (SBS) macht sich Gedanken, wie sie CO2-Emissionen reduzieren kann. Aufgrund der langen Strecken und Einsatzzeiten kommen für sie Elektroschiffe aber nicht infrage. Vielmehr soll geprüft werden, ob alternative Antriebe beispielsweise über Brennstoffzellen eingebaut werden können.

© BSB: Elektroschiff Artemis

Solarzellen für Freizeitschiffe

Nicht nur für die Kursschifffahrt, sondern auch für den Freizeit- und Sportbereich gilt es, emissionsfreie Alternativen zu entwickeln. Sport- und Segelboote lassen sich mit Elektromotoren ausstatten, auch der Einsatz von Photovoltaik zur Energiegewinnung ist denkbar. Solarzellen können beispielsweise im Dach oder auf dem Laufdeck eingebaut werden. Insbesondere im Freizeitbereich ist jedoch wichtig, dass die Infrastruktur an Land entsprechend angepasst wird und ausreichend Ladestationen in den Häfen zur Verfügung stehen.

Auch auf Schweizer Seen klimaneutral unterwegs

Nicht nur auf dem Bodensee, auch auf Schweizer Seen gewinnt der Einsatz von Elektromotoren in der Schifffahrt zunehmend an Bedeutung. Die Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft (ZSG) will das erste CO2-neutrale Schifffahrtsunternehmen der Schweiz werden und hat den Bau von drei Elektro-Fahrgastschiffen in Auftrag gegeben. Die Schifffahrts-Genossenschaft Greifensee (SGG) plant, die 90 Jahre alte „MS Heimat“ als erstes Passagierschiff der Deutschschweiz ab 2022 mit vollelektrischem Antrieb einzusetzen. Auch die Stiftung „Quinten lebt“ will investieren und ein wasserstoffbetriebenes Schiff auf dem Walensee einsetzen.

Die Schifffahrt auf dem Bodensee auf klimaneutrale Antriebe umzurüsten, ist eine komplexe Aufgabe. Bei der Auswahl klimaneutraler Antriebe spielen nicht nur technische Voraussetzungen, sondern auch die Einsatzbereiche und Strecken der Schiffe sowie die vorhandene Infrastruktur an Land eine wichtige Rolle. Mit dem Einsatz neuer Elektroschiffe ist ein erster Schritt getan, die Umrüstung der vorhandenen Flotte wie auch der zahlreichen Sportboote ist eine noch größere Herausforderung. Politische Unterstützung und ein über die Grenzen hinweg abgestimmtes Vorgehen können den nötigen Rückenwind verleihen und die Bodenseeregion zum Vorreiter in Sachen klimaneutrale Mobilität auf dem Wasser machen.

www.denkraumbodensee.org

Text: Simone Strauf & Dr. Roland Scherer

Beitragsbild: © Thomas Geiger: Solarfähre Reichenau Mannenbach