Er gilt als Wunderkind der Schweizer Literatur, als Zauberer oder als Shootingstar: Der 22-jährige Schriftsteller Nelio Biedermann aus Thalwil bei Zürich hat mit „Lászár“ jüngst seinen neuen Roman veröffentlicht. Besonders daran ist, dass dieser gleich in 19 Sprachen übersetzt wird und in mehr als 20 Ländern erscheinen soll.

Damit ist Nelio Biedermann eine Bank, er liefert zuverlässig gute Geschichten. Keiner zweifelte am Erfolg seines neuen Buchs, die Verlage rissen sich vielmehr um ihn. Schon in jungen Jahren ist er ein exzellenter Erzähler. Es ist nicht sein erster Roman, bereits 2023 gab es einen Beweis seiner großen Erzähllust mit „Anton will bleiben“. Im Mittelpunkt steht ein krebskranker Rentner, der beschließt, in der ihm verbleibenden Zeit alles zu tun, um doch noch in die Geschichte einzugehen. Das Buch, das Biedermann in nur vier Monaten schrieb, begleitet Anton, der sich als Autor, Fotograf und später als bildender Künstler versucht, in seinem letzten Lebensjahr.

Fiktion und Fakten

An „Lászár“ hingegen har Nelio Biedermann länger gearbeitet. Er schrieb eine Saga über mehrere Generationen einer adeligen ungarischen Familie – vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die Fünfzigerjahre hinein. Es ist eine Zeit, die geprägt ist von Krieg und großen politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen – von der k.u.k Monarchie und deren Zerfall, der Nazizeit und der Sowjetherrschaft bis zum Ungarnaufstand 1956. Vom Alltag im edlen Waldschloss in die soziale Mittellosigkeit bis zur Flucht begleiten die Lesenden mehrere Generationen aus Lázárs Familie. Die Figuren hüten Geheimnisse, durchleben Gefahren, glühen vor Sehnsucht, verzweifeln über die Politik, lieben, hassen und suchen nach der Antwort auf die Frage, wie man leben soll.

Wie kommt ein junger Mann auf dieses Thema? Ein Stück weit hat seine eigene Geschichte den Stoff geliefert. Biedermann selbst stammt väterlicherseits aus ungarischem Adel. Seine Großeltern flohen in den 1950er-Jahren in die Schweiz. Und auch der Roman endet nach abenteuerlicher Flucht der Figuren am Zürichsee. Hier ist Nelio Biedermann aufgewachsen und hier lebt er weiterhin. Die Geschichte seiner Familie hat zwar das Material geliefert, die konkreten Charaktere hingegen nicht. Sein Roman bleibt Fiktion, gemischt mit historischen Fakten. Der ZEIT gegenüber verriet Nelio Biedermann, dass sein Vater nach dem ersten Lesen sagte: „Das ist ja gar nicht die Geschichte unserer Familie.“ Und nach dem zweiten Lesen gemeint habe: „Das ist ziemlich genau unsere Geschichte.“

Fesselnd und fantasievoll

Nelio Biedermann begeistert am Schreiben das Eintauchen in eine ganz andere Welt und das Vergessen der eigenen Realität. So dass nur noch die Figuren auf dem Papier existieren und die Bilder, die man im Kopf erschafft. Biedermann will das Menschlichste darstellen und soweit in den Menschen hineinkriechen, wie es geht. Seine Vorbilder sind klassische Literaturgrößen wie Thomas Mann. Sehr lange Sätze kann Biedermann auch, er probiert sich gerne aus und experimentiert formal. Er scheint im Schreibprozess komplett aufzugehen, geradezu zu versinken. Dazu passt, dass er erst alles handschriftlich verfasst, bevor er es abtippt.
Schon während seiner Gymnasialzeit im Lockdown hat Nelio Biedermann so gut geschrieben, dass er einen Schreibwettbewerb gewann. Sein Roman „Verwischte Welt“ und eine Kurzgeschichtensammlung wurden damals vom Kanton Zürich ausgezeichnet.

Der erfolgreiche Literat studiert aktuell Germanistik und Filmwissenschaft an der Universität Zürich, denn seine zweite Leidenschaft gilt dem Kino. Im Film werde schließlich auch erzählt, er schreibe auch sehr filmisch und sei mit Filmen aufgewachsen. Man darf also nicht nur gespannt sein auf weiteren Lesestoff von Nelio Biedermann. Vielleicht liebäugelt er schon bald mit einem anderem Medium.

www.neliobiedermann.ch 

Roman: Nelio Biedermann, Lázár. Roman: Rowolth Berlin, Berlin 2025, 336 Seiten

Foto: (c) Ruben Hollinger