Im Literaturhaus Thurgau, in dem seit diesem Jahr Karsten Redmann neuer Programmleiter ist, stehen im Monat März drei ganz unterschiedliche Werke auf dem Programm.
Los geht es am 6. März mit Eva Maria Leuenbergers „Die Spinne“, die 2025 mit einem Schweizer Literaturpreis ausgezeichnet wurde.
Alle Schutzhüllen werden abgelegt und der Realität fest ins Auge geblickt. Etwas Endzeitliches haftet dem Langgedicht an, wenn es die Zerstörung der Natur verhandelt. Ohne jeglichen Moralismus und mit viel Zartheit schildert der Text, was mit dem Individuum und dem Körper geschieht, wenn das eigene Bewusstsein eine kollektive Schuld der Menschen entdeckt. „Die Spinne“ tastet Gefühle von Schuld und Scham, Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit körperlich ab. Es stossen starke, mächtige Bilder der Natur und subjektiver Wahrnehmung aufeinander. Innere Empfindung und äußere Eindrücke treten in ein faszinierendes Wechselspiel – und die Spinne ist ein immer präsentes Wesen, eine Zuschauerin des Geschehens. Eva Maria Leuenberger ist bekannt für ihre unter die Haut gehenden Texte.
Der Singer-Songwriter Yannick Vogt begleitet die Veranstaltung musikalisch.
Mit einer Erzählperformance ist Meike Rötzer am 14. März zu Gast mit einem Roman von Virgina Woolf.
Die zehnköpfige Familie Ramsay verbringt jeden Sommer mit ihren eigenwilligen Gästen auf der vom Meer umspülten Isle of Skye. Dass Mr Ramsay dem kleinen James die Hoffnung auf die ersehnte Bootsfahrt zum Leuchtturm zunichte macht, wird er ihm sein Leben lang nicht verzeihen. Zehn Jahre sollen vergehen, bis er die Tour an der Seite des Vaters unternimmt. Zehn Jahre, in die der Erste Weltkrieg fällt und sich die Familie unter ganz anderen Vorzeichen wieder im Sommerhaus zusammenfindet. „Zum Leuchtturm“ hielt Woolf für das mit Abstand beste ihrer Bücher. Wie ihr Mann Leonard, der gleich nach der Lektüre wusste, „es ist ein Meisterwerk“. Es zählt es zu den wichtigsten Büchern britischer Literatur. Grund genug, diese weltberühmte Geschichte zu erzählen..
Sergej Lebedew folgt am 22. März in seinen Erzählungen „Titan oder Die Gespenster der Vergangenheit“ dem vergifteten Erbe der Sowjetunion und seinen Spuren bis in die Gegenwart: von Tschetschenien bis zur Ukraine, von Katyn bis Berlin. Ein leeres Gebäude oder Gelände, ein Rauschen in der Telefonleitung können dabei zu Auslösern der Erinnerung werden. Obwohl Lebedews Geschichten jeweils für sich stehen, verbindet sie ein gemeinsames Thema, ein gemeinsamer, poetischer Raum. In diesem Raum ziehen die Schatten der Vergangenheit ruhelos umher, und die Toten rufen fortwährend nach Gerechtigkeit.
Literaturhaus Thurgau | Bodmanhaus
Am Dorfplatz 1
CH-8274 Gottlieben
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Beitragsbild: Eva Maria Leuenberger (c) Anja Fosenka