… Geschichte
Im kalten Februar ist es angenehm, gut isolierte Wände um sich zu haben. Das ist ein guter Anlass, auch mal die Mauern selbst anzuschauen.
Mauern dienen bekanntlich unterschiedlichen Zwecken: der Statik und der Sicherheit, im wörtlichen und im übertragenen Sinn. Früher wurden Mauern von Maurern Stein für Stein aufgebaut, seit der Erfindung des (Stahl-)Betons sind die stabilsten Mauern aus Beton, was auch andere Formen und Oberflächen ermöglicht. Während der Beton wie eine homogene Masse aussieht, bestehen die traditionellen Mauern aus Steinen und Mörtel, und die Steine können unterschiedlicher Herkunft sein.
Die Wege der Steine
Spannend ist es aber auch, wenn historische Mauern freigelegt werden und dadurch sichtbar wird, welche Vielfalt an Steinen hinter dem Putz verborgen war. Solche Mauern können buchstäblich Geschichten erzählen, und sie sagen auch etwas aus über den Reichtum der Bauherren. Je weiter die Steine herantransportiert wurden, desto aufwendiger und damit auch teurer war es.
Bei den großen Kirchen am See, wie dem Konstanzer und dem Überlinger Münster, ist bekannt, dass der graue Rorschacher Sandstein von einem Steinbruch oberhalb von Rorschach kommt – dort gibt es eine Firma (Bärlocher), die heute noch diesen Sandstein abbaut. Man kann sich leicht ausrechnen, wie groß die Zahl der Lädinen war, die für so eine Kirche über den See fahren mussten, und man kann spekulieren, wie hoch die Verlustrate wohl war.
Wer das Münster von Mittelzell auf der Insel Reichenau besucht, sieht eine für die Region untypische Farbe: Die romanischen Bauteile sind aus rotem Sandstein, der nicht nur einen weiteren Weg hatte, sondern vor allem auf dem Landweg transportiert werden musste, und dafür kann man ausrechnen, wie groß die Zahl der Ochsenkarrenfahrten wohl gewesen sein musste. Ohne neuzeitlich ausgebaute Straßen muss der Weg vom Schwarzwald her ziemlich mühsam gewesen sein.
Auf der anderen Seite, wenn sparsam gebaut wurde, hat man genommen, was möglichst nah verfügbar war, von großen See- und Flusskieseln oder Steinen aus den Moränenhügeln bis zu Ziegeln von eingestürzten Häusern, wie an einem Haus in der Altstadt von Überlingen zu sehen ist. Das Recycling von Baustoffen war immer eine Selbstverständlichkeit, nur heute muss es „wiederentdeckt“ werden.
Wenn Sie so eine „bunte“ Mauer sehen, wie hier die Mauer am Konstanzer Inselhotel, können Sie sich ja mal etwas Zeit nehmen und überlegen, woher die verschiedenen Steine gekommen sein könnten.
Die Mauern haben das Wort
Mauern sind auch oft ein Informationsträger, wenn sie als Schreibfläche für Graffiti dienen. Damit sind nicht die nur (bestenfalls) dekorativen Zeichnungen gemeint, die oft nur eine Art „Reviermarkierung“ darstellen – d.h.: Wir waren da!. Es geht um die Mauern, die durch eine intelligente bzw. sinnvolle Inschrift zum Träger einer Botschaft werden. Über die Graffiti des Mai 68 in Paris gab es ein Buch mit dem vielzitierten Titel „Les murs ont la parole“, und auch über 50 Jahre danach ist dieses Medium nicht überholt. Es gibt immer noch gute Graffiti, bei denen die ideelle Aussage einen höheren Wert hat als die mögliche Sachbeschädigung, wie dieses, das mitten auf einer Weide im Appenzeller Vorderland steht und den Vorbeifahrenden erklärt, was zur wahren Lebenskunst gehört.
Seeraum-Tipp:
Nach der Ausstellung über das Design der SBB, die hier im Dezember empfohlen wurde, gibt es jetzt im Vorarlbergmuseum in Bregenz eine Ausstellung über einen Designer, dessen wohl bekanntestes Werk die Stadt- und Landbusse in Vorarlberg sind, mit dem auffallenden Schriftzug „S T A D T BUS“ , darüber hinaus Logos von Städten und Gemeinden, Leitsysteme für Gebäude und öffentliche Räume und viele Plakate: Reinhold Luger. Grafische Provokation, bis 13. April, www.vorarlbergmuseum.at