D – Konstanz | Es weht ein frischer Wind an der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz Intendant Beat Fehlmann verlässt das Haus zur nächsten Saison und übergibt die Position an Insa Pijanka, die nach langjähriger Arbeit am Staatsorchester Kassel nun an den Bodensee wechselt.

Im Interview erzählen die beiden von ihrem Weg zur Musik und von ihren Plänen für die Zukunft.

Foto: Michael Schrodt

akzent: Fangen wir doch mal mit einer kurzen Einstiegsfrage an: Wie würden Sie die Arbeit als Intendant in drei Worten beschreiben?

Fehlmann: Ich würde sagen: spannend, aufregend und erfüllend.

akzent: Und jetzt noch einmal ein bisschen konkreter: Was macht denn überhaupt ein Intendant?

Pijanka: Oh, das ist spannend! (lacht)

Fehlmann: Also grundsätzlich kann man das so zusammenfassen, dass der Intendant hier in Konstanz für die gesamte Administration, aber auch für die künstlerische Ausrichtung dieses Hauses verantwortlich ist. Diese Unterscheidung ist deshalb wichtig, weil in dieser Branche die Hauptverantwortung für diese beiden Bereiche oft getrennt sind – hier ist es aber vereint in einer Person.

akzent: Das klingt nach einer großen Aufgabe.

Fehlmann: Ja, das Klischee ist ja die Unvereinbarkeit von großer Kunst und Geld – und diesen Konflikt muss hier quasi eine Person mit sich selbst austragen.

akzent: Frau Pijanka, wer Ihren Lebenslauf liest, der ist einerseits beeindruckt, aber vielleicht auch ein bisschen überrascht – Sie haben in London studiert, und zwar nicht Musik, sondern Politikwissenschaften, Wirtschaftsgeschichte und Soziologie. Wie kam dann der Übergang zur Musik?

Pijanka: Das kommt daher, dass das eigentlich nie ein Übergang war, sondern dass ich parallel immer auch im Musikbetrieb tätig war. Als junger Mensch habe ich Klavier gespielt und gesungen und hatte sogar eine Zeit lang auch den Plan, Opernsängerin zu werden – ich habe also immer beides gemacht und mich dann nur entschieden, etwas anderes zu studieren. Und heute bin ich ehrlich gesagt froh, dass ich beide Einflüsse in meiner Biografie habe und komme ganz häufig zu meinen Grundlagen zurück. Für mich war das eigentlich immer ein Nebeneinander und kein Gegensatz.

akzent: Bei Ihnen war das ja ein bisschen anders, Herr Fehlmann – Sie haben ja mit Musik angefangen, und sind schon im Orchesterbetrieb tätig, seit Sie 18 sind. Vielleicht dann die umgekehrte Frage: Was würden Sie machen, wenn Sie heute nicht bei der Musik wären.

Fehlmann: (überlegt) Oh, das ist schwierig, weil die Musik etwas ist, das mein Leben komplett und seit vielen Jahren durchdringt… Ich könnte mir schon vorstellen, beruflich irgendetwas anderes zu machen, aber dass etwas die gleiche Identität, Emotionalität und Verbundenheit mit sich bringt, das kann ich mir tatsächlich nicht vorstellen.

akzent: Nochmal zur Intendanz selbst: Sie haben es in Ihrer Zeit in Konstanz geschafft, mit neuen Formaten ein sehr breites, junges Publikum für die Philharmonie zu begeistern. Und auch Sie haben in Kassel gerne mit Formaten experimentiert, Frau Pijanka – haben Sie vor, das in Konstanz weiterzuführen?

Pijanka: Unbedingt! Ich finde das einfach toll, dass das hier gemacht wurde. Das ist nicht in jedem Haus Standard. Das ist auch eine Überzeugungssache, aber ich glaube, wir sind da absolut einer Meinung. Man sieht einfach, was für ein gemischtes Publikum kommt und wie frei die Leute werden, wenn auf einmal ein Operhaus zum Rock-Konzert-Saal wird. Ich denke, unsere Zukunft ist, dass wir breit aufgestellt sind, vom Kammerkonzert über das Symphoniekonzert bis zu neuen Formaten – und eben auch, dass wir musikalische Grenzüberschreitungen in alle Richtungen wagen. Mal schauen, wo die Grenzen sind! (lacht)

akzent: Apropos Jugend: Sie beide haben auch schon Projekte initiiert, um junge Musiker zu fördern. Warum ist Ihnen das wichtig?

Fehlmann: Ich glaube, es gibt immer gewisse Dinge, die in einer Gesellschaft gut funktionieren, aber eben auch Dinge, die nicht stattfinden, die ich aber wichtig finde. Meiner Einschätzung nach zieht sich die Schule aus dem Musikunterricht eher zurück. Da sehen wir als Institution eine Ausbildungslücke, die wir mit unseren Ressourcen bereichern können, damit es auch zukünftig in unserer Umgebung junge Menschen gibt, die sich mit der Musik beschäftigen.

akzent: Gibt es dann konkret Pläne, diese Lücke in Konstanz zu füllen?

Pijanka: Ja, natürlich! Wir haben ja alle irgendwann selber in die Musik gefunden, aus ganz unterschiedlichen Gründen – und ich habe festgestellt, dass ein Musiker diese Leidenschaft und dieses Gefühl, dass Musik etwas Wichtiges ist, noch mal ganz anders vermitteln kann. Deswegen habe ich in Kassel viel an Konzepten für und mit Schulen gearbeitet, etwa Projekte, bei denen Orchestermusiker Patenschaften für Schulklassen übernehmen. Da geht es nicht nur um ein Publikum von morgen, sondern auch darum, Musik in die Gesellschaft hineinzutragen und langfristige Kontakte herzustellen. Es ist ein weites Feld und ich glaube, da sind wir alle noch nicht am Ende unserer Arbeit angelangt.

akzent: Nochmal eine ganz andere Frage: Sie sind die erste Frau, die diese Position in Konstanz dauerhaft besetzt. Gibt es Frauen in der klassischen Musik, die Sie inspirieren? Haben Sie Vorbilder?

Pijanka: Vorbilder sind Menschen, die mir begegnen, die gute Arbeit leisten und inspirierend sind – und da ist mir völlig egal, ob das ein Mann oder eine Frau ist, ich würde da keine Grenze aufmachen wollen. Ich hoffe eher, dass ich ein gutes Programm präsentieren kann und dass ich das Publikum mit dem mitnehmen kann, was ich künstlerisch leiste.

akzent: Herr Fehlmann, wo verschlägt es Sie denn jetzt eigentlich hin?

Fehlmann: Ich wechsle zu einem anderen Orchester, zur deutschen Staatsphilharmonie. Deshalb werde ich jetzt meinen Wohnsitz von Konstanz nach Ludwigshafen am Rhein verlegen. Es ist zwar eine andere Region, aber im Prinzip werde ich dort die gleiche Funktion innehaben – wobei das Gleiche ja nie dasselbe ist. (lacht) Dort einen eigenen Standpunkt zu finden und auf diesen anderen Kontext zu reagieren, das wird den Reiz der nächsten Zeit für mich ausmachen.

akzent: Und bei Ihnen, Frau Pijanka – was erhoffen Sie sich von der Zukunft in Konstanz?

Pijanka: Für mich ist das natürlich ein spannender Schritt – ich war jetzt 16 Jahre in Kassel, was für unsere Branche sehr lange ist. Diese neue Stadt jetzt erstmal kennenzulernen und dabei gewohnte Konzepte zu hinterfragen und neue Impulse zu bekommen, finde ich sehr reizvoll. Außerdem ist es für mich ein Schritt in die Eigenverantwortung. Ich möchte neugierig und offen bleiben, um die Kunst, die wir so lieben, auf die bestmögliche Weise zu präsentieren.

Südwestdeutsche Philharmonie Konstanz | Fischmarkt 2, D-78462 Konstanz | +49 (0)7531 900 810 | www.philharmonie-konstanz.de

Text: Marie Malina