Viele Kirchen aus früheren Jahrhunderten haben eine Doppelturmfassade, Hochhäuser treten oft paarweise auf, und so manches Gebäude antwortet auf ein anderes oder steht im Dialog mit einem, wie die Architekten es gerne ausdrücken. Das Thema ist also sehr vielschichtig oder vielseitig.

Gebaute Zweisamkeit

Die am engsten zusammenhängenden Paare der Architektur sind Kirchen mit Doppeltürmen, die aussehen wie siamesische Zwillinge. Eine Kirche braucht traditionell einen Turm, damit die Glocken weiter zu hören sind und man die Kirche aus größerer Entfernung sehen kann, als Landmarke – beides ist heute nicht mehr so wichtig, aber es gehört zum Bild. Für diese Zwecke reicht ein Turm, zwei sind ein Luxus, also früher auch ein Zeichen dafür, dass die Gemeinde oder das Kloster es sich leisten konnte. Beispiele dafür sind die Schlosskirche in Friedrichshafen und die Stiftskirche in St. Gallen, das Münster (zwei ungleiche Türme) in Überlingen, die Herz-Jesu-Kirche in Bregenz und die Stadtkirche in Winterthur.

Bei weltlichen Bauten ähnlicher Höhe sind es oft die Wohnhochhäuser ausden 1970er-Jahren, die paarweise gebaut wurden – ein einzelnes Hochhaus kann sich sonst alleine fühlen, aber es hat sicher auch ökonomische Gründe, wenn eines geplant wurde, noch eine Kopie daneben zu stellen: das Duo „Romulus und Remus“ in Singen und die Ferienwohnungshochhäuser am Yachthafen von Bottighofen. Nach diesem Modell wurden auch Großprojekte wie die Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt und die Twin Towers in New York gebaut. Letztere haben auch am Bodensee einen kleinen „Namensvetter“: Die beiden Hochhäuser mit den Personalwohnungen für die Mitarbeiterinnen des Konstanzer Krankenhauses werden von diesen intern „Twin Towers“ genannt. 

Weniger auffällig, aber an prominenter Stelle des Bodensees stehend sind die Bauten der Fähre Konstanz – Meersburg aus den 1950er-Jahren auf beiden Seiten des Überlinger Sees, die das erste größere Werk des bekannten Bauhaus-Schülers Hermann Blomeier sind. Entsprechend der Größe der beiden Städte sind die auch die Rundbauten an den beiden Fährhäfen unterschiedlich groß: auf der einen Seite das zweistöckige Lände-Café, auf der anderen der kleine Pavillon mit dem Café Möwe.

Ungleiche Nachbarn

Eines der spannendsten Themen der Baugeschichte am Bodensee sind die Kirchen im Thurgau, die im Lauf des 20. Jahrhunderts gebaut wurden, nachdem die bisher paritätisch (von beiden großen Konfessionen) genutzten Kirchen zu klein waren. In manchen Fällen hat eine der beiden Gemeinden die alte Kirche behalten und die andere in der Nähe eine neue gebaut, was einen deutlichen stilistischen Kontrast ergibt, so beispielsweise in Bussnang (bekannt durch die Zugfabrik der Stadler Rail AG): eine schlichte rechteckige Kirche aus dem 15. Jahrhundert mit 100 Metern Abstand zum frühmodernen Rundbau der katholischen Kirche. In der benachbarten Kleinstadt Weinfelden hat dieser Prozess schon Anfang des 20. Jahrhunderts stattgefunden, in der stilistischen Übergangszeit vor dem Ersten Weltkrieg, und es sind zwei bemerkenswerte Neubauten entstanden: Die Protestanten ließen an der Stelle der früheren paritätischen Kirche einen Zentralbau mit sehenswerten Jugendstilelementen errichten, die Katholiken waren stilistisch konservativer und haben seitdem eine Kirche im Stil des Neobarock, aus der Spätphase des Historismus, als die Architekten noch längst vergangene Stile kopieren mussten.                                                                    

Ungeplante Paare

Die dritte Kategorie von architektonischen Paaren sind solche, die völlig unabhängig voneinander geplant wurden und erst später als korrespondierende Objekte wahrgenommen werden. Wer vom Obersee aus mit dem Schiff oder auf einem Boot auf Konstanz zufährt, sieht geradeaus die Skyline der Altstadt mit den Kirchtürmen, dem Konzil und dem Bahnhof. Weiter rechts, auf der anderen Rheinseite, sticht das Telekom-Hochhaus heraus – und mit einem Blick nach links über die Grenze fällt mit dem Freieck-Hochhaus eine Landmarke der frühen 1970er-Jahre auf. In dieser Zeit war es vor allem in der Schweiz üblich, dass kleine Städte mit solchen Wohntürmen zeigen wollten, dass sie in der Moderne angekommen waren.

Zu dieser Kategorie gehören auch Bauten, die sich stilistisch und von der Funktion her ergänzen. Bei der im November abgebrannten Singener Scheffelhalle ist das vielen erst danach aufgefallen, welchen Verlust die Stadt damit erlitten hat. Als 2007 die Stadthalle fertiggestellt wurde, meinten einige Singener noch, jetzt könne man ja die hässliche Scheffelhalle abreißen – nachdem sie jahrzehntelang nicht gepflegt oder modernisiert worden war. Der Denkmalschutz verhinderte das, aber sie blieb das „Schmuddelkind“ der Stadt, in dem Veranstaltungen wie Fasnacht, Boxkämpfe und Tangobälle die passendere Atmosphäre als in der Stadthalle hatten.

Text + Fotos: Patrick Brauns