Seit 25 Jahren ist „Schmeck den Süden“ ein Synonym für Genuss aus Baden-Württemberg. Heute liegt die Vermarktungsinitiative mit ihrer Gewichtung von Regionalität haargenau im Trend, was auch die steigende Anzahl ihrer Mitglieder belegt.

1996, im Gründungsjahr, wurde die Initiative noch milde belächelt. Inzwischen schmücken mehr als 380 Gastgeber im Ländle ihren Betrieb mit einem, zwei oder sogar drei Löwen. Je mehr Löwen, desto regionaler das Angebot auf der Karte. Alblamm, Niederwälder Rind, Kraut von den Fildern, Äpfel vom Bodensee, Wein von den Rebbergen in Baden und Württemberg: Gastronomen, die sich „Schmeck den Süden“ anschließen, legen Wert auf die regionale Herkunft ihrer Produkte und damit auf kurze Wege, Frische und Qualität. Die lückenlose Herkunftskette wird einmal im Jahr durch das Landwirtschaftsministerium überprüft.

Die meisten angeschlossenen Betriebe können die Zertifizierung mit zwei Löwen aufweisen, was heißt: Mehr als sechs Gerichte sind mit Produkten aus der Region zubereitet. Bei drei Löwen ist auch die Getränkekarte regional. Nicht selten leben durch die Bindung an das Regionale alte Rezepte und typische Gerichte wieder auf. Ein weiteres Plus: Die Küchenchefs arbeiten eng mit den Erzeugern zusammen und leisten damit einen wertvollen Beitrag zur Sicherung der heimischen Landwirtschaft.

Aus der Idee des regionaltypischen Angebots und der Verantwortung für Natur und Landwirtschaft sind verschiedene Regionalinitiativen entstanden: die Naturparkwirte und die Biosphärengastgeber, Gutes vom See, Schwäbische Albwirte, Mahlzeit-Hohenlohe-Betriebe und viele andere kleine Zusammenschlüsse. Eine schöne „Wertegemeinschaft“.

Das Erfolgsrezept zieht also weite Kreise. Mittlerweile stellen sich immer mehr Gemeinschaftsverpfleger, Kliniken, Kindertagesstätten, Pflegeeinrichtungen und Schulen den regionalen Kriterien und zeigen damit auch Wertschätzung gegenüber Mitarbeitern, Patienten, Kunden.

Mehr Regionalität geht nicht

Der Alte Mesmer auf der Reichenau ist eines der Restaurants, die sich mit drei Löwen schmücken dürfen. Das bedeutet, dass hier 90 Prozent der verarbeiteten Produkte nachweislich aus Baden-Württemberg stammen. Zudem ist die heimische Weinvielfalt durch die Klassifizierung „Haus der Baden-Württemberger Weine“ gewährleistet. Wobei: Für Christine Hauser, die zusammen mit ihrem Mann als neue Generation das Traditionslokal übernimmt, ist „Baden-Württemberg“ nicht unbedingt ein  Maßstab. „Wir beziehen die meisten Produkte direkt vor der Haustür. Schließlich  leben wir hier im Paradies.“ Der Alte Mesmer gehört zu denen, die von Anfang an dabei waren; Regionalität steht hier schon immer im Mittelpunkt. Ihr Vater Martin Meuser habe das Koch-Handwerk noch „von Grund auf“ gelernt, sagt Christine Hauser. So etwas wie Convenience und Geschmacksverstärker hätten in seiner Küche einfach nie eine Rolle gespielt. „Bei uns steht die Natur im Vordergrund. Wir kochen, was die Jahreszeiten und unsere lokalen Produzenten uns anbieten.“ Gemüse und Fleisch vom Bauern nebenan, Fisch aus dem See. Der Gedanke, kleine Produzenten zu unterstützen, schlägt sich auch in der Wahl des Kaffee- und Teeangebots nieder: Beide Produkte bezieht die Familie Meuser/Hauser von GEPA, dem Fairtrade-Pionier.

Die Zeit des Corona-Stillstands wurde im Alten Mesmer für Umbauarbeiten genutzt. Der Zukunft sieht Christine Hauser mit der Gewissheit entgegen, an den richtigen Stellschrauben zu drehen. Als Mitglied bei „Gutes vom See“ ist sie stets auf dem Laufenden, was neu an regionalen Produkten angeboten wird – beispielsweise Quinoa und Linsen –, und lässt sich im Sinne der Gäste zu vegetarischen und veganen Gerichten inspirieren. Regionalität wirklich zu leben, ganzheitlich zu denken: Beides ist ihr ein großes Anliegen. Das drückt sich in der Wahl der Energiequellen (ausschließlich erneuerbare) ebenso aus wie in der Vermeidung von Plastik: Möchte ein Gast Reste seines Essens mitnehmen, erhält er sie entweder in einer Verpackung aus Zuckerrübenschalen – oder auf angeschlagenem Geschirr, das bei Tisch nicht mehr verwendet werden kann. Eine schöne Idee.

Der Weg ist das Ziel

Als Hendrik Fennel vor einigen Jahren das Hotel Maier in Friedrichshafen-Fischbach übernahm, setzte er mit seinem Restaurant unmittelbar auf die regionale Karte. Wurde Mitglied bei „Schmeck den Süden“ – dafür wurde er inzwischen mit zwei Löwen ausgezeichnet –, „Gutes vom See“ und Slow Food. „Da wir am Rande von Baden-Württemberg liegen, wollte ich aber auch die benachbarte Region nicht außer Acht lassen, beispielsweise die Weine vom bayrischen und Vorarlberger Bodensee.“ Er durchforste kontinuierlich jede Warengruppe, auch im Hotelbereich, auf Authentizität, sagt der Gastronom. Und durchsiebe Lieferanten nach Regionalität und Qualität. Die Speisekarte ist komplett an der Region ausgerichtet, an der engeren wie beim  „Gutes vom See“-Menü. Oder an der weiteren, wenn er Hohenloher Rind oder Produkte aus dem Schwarzwald aufnimmt. „Eine  strukturelle Neuausrichtung ist nie das Ziel, sondern immer eine Reise“, erklärt Hendrik Fennel sein Konzept. Bio setzt er ein, wo es ihm sinnvoll erscheint, aber wichtiger sind ihm die gute Beziehung zu den Lieferanten und kurze Transportwege.

In der Krise habe er „einiges wiederentdeckt, beispielsweise die Nudelmaschine“. Im Wesentlichen habe man die Zeit genutzt, um das Speisenangebot zu straffen und zeitgemäßer zu gestalten. Da freut sich Hendrik Fennel wie Christine Hauser über die Vielfalt neuer Produkte aus der Region: Ingwer von der Reichenau, Miso aus dem Schwarzwald, regionales Soja, Pilze, Trüffel. „Eine ganz neue Welt, der man sich öffnen muss.“

Ein großer Schritt in die Zukunft ist für kommendes Jahr geplant: Im November 2022 wird die Familie Fennel das Diakonissenhaus in Fischbach übernehmen. „Wir wollen das Haus von Anfang an als plastikfreies Hotel betreiben und es Gemeinwohl-Ökonomie-zertifizieren lassen.“ Und wie sieht er die Zukunft der Gastronomie? „Mehr Handwerk, ein größeres Gewicht auf Produkte, Ästhetik, Regionalität. Viele haben in den letzten Monaten gemerkt, wie viel Aufwand hinter gutem Essen steckt. Mehr Wertschätzung also. Aber auch Takeaway wird bleiben.“

Regionalität auch im Großen

Ursula Haas, Leiterin des Akademie Hotels in Karlsruhe, dem Bildungszentrum des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV), hat normalerweise mehrere hundert Gäste am Tag im Haus. Jetzt: Stille. Das Tagungszentrum ist seit 2013 EMAS-zertifiziert, der Beitritt zu „Schmeck den Süden“ im vergangenen Jahr war also nur

folgerichtig. „Wir haben neue Konzepte hinsichtlich der Verpflegung erarbeitet, denn der Anspruch der Gäste geht eindeutig in Richtung Regionalität“, sagt Ursula Haas, und ist damit sehr zufrieden. Einen Löwen gab es immerhin schon für die neue Ausrichtung. In dem am Rande eines kleinen Naturschutzgebietes gelegenen Hotel hat man die Zeit des Stillstandes genutzt, um die Frage „was können wir besser machen?“ zu klären. Dazu zählt neben dem Willen, den Gästen frische regionale Produkte anzubieten ein weiteres spannendes  (Zukunfts-)Thema: die hybride Veranstaltungstechnik.

Die „Schmeck den Süden“-Gastronomen sind offensichtlich bestens aufgestellt für „die Zeit danach“.