In Deutschland landen jedes Jahr 18 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Drei Millionen Tonnen davon entfallen auf Restaurants, Kantinen und dergleichen. Die enorme Nahrungsmittelverschwendung – neudeutsch: food waste – missfällt immer mehr Menschen.
Ein sehr aktuelles Thema, das verstärkt auch von der Gastronomie aufgegriffen wird.
Im Gastgewerbe liegt es ja eigentlich in der Natur der Sache, Einkauf und Wareneinsatz so zu kalkulieren, dass mit der richtigen Portionsgröße und einer professionellen Einkaufspolitik Lebensmittelabfälle vermieden werden. Die effiziente Verarbeitung von Lebensmitteln gehört zur Ausbildung der Köche, schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen. Dennoch gibt es reichlich Nachbesserungsbedarf in Sachen Restevermeidung bzw. -verwertung in der Gastronomie. Und da ist einiges passiert in der letzten Zeit.
Bereits verarbeitete Speisen dürfen nicht gespendet werden, nicht mal mehr an Schweine. Das ist seit 2006 per EU-Lebensmittelschutzgesetz verboten. Stichwort Tierseuchenrecht. Wobei: In der EU-fernen Schweiz ist es auf dem Lande (außer im Kanton Appenzell-Innerrhoden) immer noch möglich, bestimmte Küchenabfälle den Schweinen des benachbarten Bauern zukommen zu lassen. Zwar schrumpft auch hier wie überall die Zahl der kleinen Bauern mit Schweinehaltung und das, was früher im Schweintrog landete, geht heute in die Abfallwirtschaft, aber generell haben die Schweizer Gastwirte weitgehende Entscheidungsfreiheit bezüglich der organischen Abfallverwertung.
In EU-Ländern wie Deutschland und Österreich gibt es dagegen klare Vorgaben: Küchenabfälle und Speisereste kommen in die Entsorgung, sprich: Biogasanlage. Diverse Unternehmen, darunter Pigfit für die Region zwischen Bodenseekreis und Oberallgäu, sammeln die entsprechenden Behälter bei den Gastronomiebetrieben ein und geben sie an Betreiber von Biogasanlagen weiter. Landwirt Franz Weiland, der einen Hof bei Kißlegg bewirtschaftet, ist einer von ihnen. Früher habe man einen Großteil der Abfälle in Deponien gelagert, da sei es schon ein großer Fortschritt, mit ihnen Energie zu gewinnen, meint Weiland. Das gepresste Restematerial aus der Anlage geht wiederum an Landwirte, die es auf Felder und Wiesen ausbringen. So bleibt laut Weiland „der Kreislauf gewahrt“.
Aber Nahrungsmittelverschwendung bleibt Nahrungsmittelverschwendung und der Protest gegen die stetig wachsende Flut von organischen Abfällen – auch in der Gastronomie – wächst. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA versucht schon seit einiger Zeit, die Branche mit ihren mehr als 230.000 Betrieben und bundesweit fast 1,2 Millionen Beschäftigten für eine Reduzierung von Lebensmittelabfällen zu sensibilisieren, beispielsweise mit einer speziellen Checkliste zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen (www.united-against-waste.de/downloads/dehoga-checkliste).
Die Idee, verstärkt unterschiedliche Portionsgrößen anzubieten, hat Manfred Hölzle von den Konzilgaststätten in Konstanz auf seine Weise umgesetzt: „Wir versuchen, die Portionierungen nicht zu groß zu machen und lieber Nachschlag zu geben.“ Weitere Vorschläge Hölzls: frisch einkaufen und damit die Bevorratung einschränken, Abschnitte weiterverarbeiten, kleine Tageskarten für Aktuelles, beim Buffet eine umsichtige, chargenweise Ausgabe. Vor allem, so Hölzl, brauche man Leute, die gut kochen können und die wissen, wie man Lebensmittel richtig verwertet. Was, ebenso wie der Zeitdruck, heutzutage nicht einfach sei.
Eine generell höhere Wertschätzung für nahrhafte Lebensmittel würde auch in der Gastronomie das Abfallproblem reduzieren, ist Eugen Bücheler, Inhaber von Eugens bio in Konstanz, überzeugt. Er bietet Gästen, die vor ihren Portionen kapitulieren, beschichtete Papp-Boxen zur Essensmitnahme an. Und wenn in seiner Patisserie etwas übrig bleibt, geht es am nächsten Tag für den halben Preis weg.
Tatsächlich ist die Hemmschwelle der Gäste, ihr Essen „einpacken“ zu lassen, in den letzten Jahren niedriger geworden. In Zusammenarbeit von Land und Wirtschaftskammer Vorarlberg wurde zu diesem Zweck die Genuss Box entwickelt. Sie ist lebensmittelecht und besteht zu 100 Prozent aus recycelbarem bzw. kompostierbarem Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft.
Da Restaurants ihre Reste nicht an Bedürftige verteilen dürfen, wurde vor zwei Jahren die App „Too Good To Go“ in Dänemark lanciert und verbreitet sich mittlerweile in ganz Europa. Mit der App können teilnehmende Restaurants ihre Speisen vergünstigt verkaufen, statt sie zu vernichten. Das Konzept dahinter ist einfach: Man registriert sich mit seiner E-Mail-Adresse und sieht dann auf einer Karte, welche Lokale (auch Bäckereien, Geschäfte etc.) etwas übrig haben. Als Kunde bestellt man via App und holt das Essen zur vereinbarten Zeit ab. In der Region gibt es einige Restaurants, die dabei sind, seit vier Monaten auch das Heinrich und das Ignaz in Konstanz. Für Inhaber Anselm Venedey eine gute Sache. Zwischen 2,90 und 3,90 Euro zahlten die App-Nutzer pro Paket, das sei etwa ein Drittel des wirklichen Wertes. Im Vordergrund steht also nicht das Geldverdienen, sondern: das Essen vor der Mülltonnen zu bewahren. Ein weiteres Beispiel für sinnvolle Resteverwertung im Heinrich ist das aus gepresstem Kaffeesatz hergestellte Kaffeegeschirr (www.kaffeeform.com).
Weitere gute Ansätze:
- Reste-Restaurants. Hier kommt auf den Teller, was andere eigentlich wegwerfen wollten.
- Das Projekt www.zugutfuerdietonne.de. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) animiert Köche zur kreativen Resteverwertung und fordert Rezepte für „beste Reste“ ein. www.umweltbundesamt.de/publikationen/leitfaden-zur-vermeidung-von-lebensmittelabfaellen.de.
- Und noch eine gute Idee aus Vorarlberg: Die Landes-Initiative „Lebensmittel sind kostbar!“ hat ein Projekt gestartet, das Schülern erlaubt, übrig gebliebenes Essen aus der Schulkantine mitzunehmen.