Eine der großen Aufgaben unserer Zeit ist die Nachhaltigkeit – gerade auch im Tourismus. Sind Reisen und Nachhaltigkeit aber nicht Widersprüche? In der Bodenseeregion gibt es viele gute Beispiele, wie diese Nachhaltigkeit im Tourismus und in der Freizeitgestaltung seit Langem erfolgreich umgesetzt wird.

An die schönsten Orte der Welt reisen, zu denen natürlich die Bodenseeregion gehört – das wollen viele – viele andere sorgen sich gerade um die Zukunft dieser schönsten Orte, die nicht nur gefühlt überrannt werden. Eine Untersuchung im Auftrag des Umweltbundesamtes zeigt, dass die Sorge absolut begründet ist: allein der Ausstoß von Kohlendioxid, der durch touristisch bedingten Verkehr entsteht, trage maßgeblich zum Klimawandel bei. Massentourismus ist ein ökologisches Problem geworden. Der sogenannte sanfte Tourismus soll Möglichkeiten bieten, zu reisen und dabei die Umwelt wenig zu belasten. Dabei betreffe die Nachhaltigkeit alle Bereiche von der Buchungsphase, über den Aufenthalt, die Abreise, bis hin zur Nachbereitung.

„Damit nachhaltiger Tourismus funktioniert, müssen Maßnahmen greifen, die wirtschaftliche Machbarkeit, lokale Teilhabe sowie Umweltschutz im Einklang miteinander berücksichtigen“, sagt Professor Anja Brittner-Widmann, Studiengangsleiterin am Studienzentrum Tourismus, Hotellerie und Gastronomie der DHBW Ravensburg. Zentrale Anforderungen des nachhaltigen Tourismus richten sich an Tourismusunternehmen und Tourismusdestinationen. Sie sollen Verantwortung übernehmen und Bedingungen erfüllen, die sich positiv auf Umwelt und Gesellschaft auswirken und müssen dabei gleichzeitig wirtschaftlich denken und handeln. „Das ist die Herausforderung, denn es geht um die langfristige Sicherung der Destination Bodensee“, erklärt die Professorin.

Viele gute Beispiele gibt es schon lange

Bodensee-Therme Überlingen

Die Bodensee-Therme Überlingen beispielsweise lässt ihre Besucher nachhaltig baden gehen. Seit 2020 wird dort unter anderem mit zwei Blockheizkraftwerken die gesamte Wärme für die Therme, sowie rund 80 Prozent des Stromverbrauchs erzeugt. Gegenüber der alten Heizungsanlage spart sie so jährlich 600 Tonnen CO2 ein. Die Insel Mainau organisiert ihren Umweltschutz bereits seit 1998 professionell, indem sie sich freiwillig an einem System für Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung beteiligt. Der Burgunderhof in Hagnau, ein Bio-Erwachsenenhotel mit ökologisch arbeitendem Weingut und Destillerie, gilt als Inspirationsquelle und Vorzeigebetrieb für nachhaltigen Tourismus. Unter https://www.echt-bodensee.de können Gäste Urlaub im Einklang mit der Natur buchen. Badeorte und Bootshäfen rund um den Bodensee (beispielsweise in Sipplingen, Langenargen und Unteruhldingen) haben die Öko-Auszeichnung Blaue Flagge gehisst, das Viabono-Siegel weist touristische Dienstleister vor Ort aus, die nachweislich im Sinne des nachhaltigen Tourismus arbeiten, es vereint mehr als 40 zertifizierte Betriebe in der Region Bodensee sowie knapp 30 in der Region Oberschwaben.

Drei Nachhaltigkeitsstrategien

Nicht nur Betriebe, die unmittelbar vom Tourismus profitieren – wie beispielsweise ein Hotel – sollten ein Leitbild für nachhaltige Entwicklung haben, sondern auch die Bäckerei, die das Hotel beliefert und der Lieferant, der die Bäckerei beliefert. Am Beispiel dieser Kette seien die Verflechtungen gut zu erkennen. Nachhaltiger Tourismus habe drei Nachhaltigkeitsstrategien zu beachten: Die Effizienz, die zum Ziel habe, mit geringem Ressourceneinsatz und weniger Umweltbelastungen den gleichen Output zu produzieren (beispielsweise der Einsatz erneuerbarer Energien beim Transport oder im Hotel), die Suffizienz, welche die Selbsteinschränkung zum Ziel hat (beispielsweise der Verzicht auf Fernreisen), und die Konsistenz, die sich an der Nutzung natürlicher Prozesse und Kreisläufe orientiert (beispielsweise die Verwendung von regionalem Material für Bauten, Recycling).

Wann ist Tourismus nachhaltig?

Die Nachhaltigkeit betreffe alle Themen in den Bereichen Immobilien- und Ressourcenmanagement, im Einkauf, im Personalmanagement, im Mobilitätskonzept und in der Gestaltung der Produkt- und Dienstleistungsangebote. Hotels können sich mit Fragen des Energieverbrauchs, der Umstellung auf regenerative Energiequellen, des Wasserverbrauchs und der Verpackungs- und Müllvermeidung beschäftigen. Gastronomiebetriebe fokussieren sich auf das Speisen- und Getränkeangebot mit Herkunfts- und Qualitätskriterien wie ökologischer Landbau, fairer Handel, Regionalität oder Saisonalität des Angebots. Verkehrsträger überdenken ihre eigenen Verkehrsmittel und die damit verbundenen Mobilitätsangebote oder die verwendete Antriebstechnologie. „Aus meiner Sicht ist Tourismus nachhaltig, wenn die Tragekapazitäten einer Destination nicht überschritten werden und gleichzeitig die Maßnahmen in den drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales umgesetzt werden“, erklärt Brittner-Widmann.

Gemeinwohl-Ökonomie gewinnt an Bedeutung

Serena Engel vom Selenhof in Kißlegg – dort wird Gemeinwohl-Ökonomie in Reinkultur gelebt

Nachhaltiger Tourismus sei ein Gesamtkonzept, welches Unternehmen integriere, die beispielsweise wie folgt handeln: Restaurants vor Ort, die konsequent saisonale und regionale Speisen anbieten, oder Reiseveranstalter, die keine Kreuzfahrten mehr anbieten oder die nur noch mit Destinationen und Ressorts zusammenarbeiten, in denen soziale Mindeststandards für Beschäftigte eingehalten werden. Diese Maßnahmen müssen Leistungsträger nach innen (Mitarbeiterschaft) und nach außen kommunizieren und gegebenenfalls mit Zertifizierungen zum Ausdruck bringen, die eine Transparenz und Orientierung für den Gast schaffen. In diesem Zusammenhang gewinne die aktuelle Bewegung der Gemeinwohl-Ökonomie immer mehr an Bedeutung, die sich der Umsetzung der Nachhaltigkeits-Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales im Wirtschaftsprozess verschrieben hat. Mit einer sogenannten Gemeinwohl-Bilanz können Unternehmen ihren wirtschaftlichen Erfolg einer gemeinwohlorientierten Bewertung unterziehen. „In der Vierländerregion gibt es immer mehr Betriebe und Einzelinitiativen, die den Aspekt der Nachhaltigkeit berücksichtigen“, sagt Brittner-Widmann. Letztendlich profitiere die Gesamtentwicklung der Vierländerregion Bodensee von einem qualitativen Wachstum, sowohl die Gäste als auch die Anwohner und die hohe Attraktivität der Region bleibe erhalten.

Text: Susi Donner