von Patrick Brauns
Nicht nur die Coronakrise hat gezeigt: In der Gastronomie genügt es nicht, gut zu kochen und auf die Gäste zu warten – auch in einer Tourismusregion wie dem Dreiländersee wird der nicht-kulinarische Aspekt immer wichtiger. Das reicht vom gut aufgestellten Personal bis zur Inneneinrichtung. Aber was ist schon vor dem Betreten eines Lokals eindrücklicher als seine Architektur? Alles andere kann man ja erst wahrnehmen, wenn man schon drin ist.
In Vorarlberg weiß es jedes Schulkind: Die Baukultur im Ländle ist einzigartig. Und auch die Gastronomen und Hoteliers wissen, dass es sich durchaus lohnt, einen Neubau von einem der renommierten einheimischen Architekten entwerfen zu lassen. Fangen wir also in einem der neueren Gasthäuser in Vorarlberg an.
Vorarlberger Baukultur
Lauterach war bisher kaum durch neuere Architektur bekannt, und die Gastronomie außer einem Gourmetrestaurant kaum erwähnenswert. Die südliche Vorortgemeinde von Bregenz gilt überhaupt nicht als bemerkenswert – im Baedeker Bodensee kommt sie mit keiner Zeile vor. Das hat sich inzwischen gründlich geändert, und dazu hat auch das vor fast vier Jahren eröffnete Gasthaus Johann beigetragen. Von Bregenz her fährt man direkt auf den markanten, auf den ersten Blick etwas abweisend wirkenden Neubau zu, der sich auch durch seine rotbraune Farbe von der Umgebung abhebt. Nur wer direkt davor steht, erkennt durch die Lamellen hindurch die Fenster. Von innen aus den Zimmern sehen die Gäste allerdings gut nach draußen. Der Name Johann ist nur lesbar, wenn man schräg auf die Ecke schaut – ein interessantes Spiel mit den Perspektiven. Er bezieht sich nicht auf den „Patron“ des Hotels und auch nicht auf eine Kirche in der Nähe, sondern auf den Gründer der heute in der ganzen Region tätigen Baufirma, die am Ort ihren Sitz hat und die auch der Bauherr war. Johann-Gastgeberin Rafaela Berger bestätigt, dass viele Gäste wegen der Architektur kommen, sogar ganze Architektengruppen. Regional ist hier aber nicht nur die Architektur, sondern auch die Küche: die Fische kommen aus der Bregenzer Bucht, der Käse natürlich aus dem Bregenzer Wald, ebenso das Wild – außer, wenn der Koch etwas Selbsterlegtes aus seiner oberösterreichischen Heimat mitbringt.
Schweizer Minimalismus
Das Thema Architektur ist in dieser Rubrik nicht neu, es gab schon im Mai 2013 und 2004 mal eine Geschichte mit dem Titel „Modern speisen“. In der Geschichte vor neun Jahren war das Freiberger Restaurant Mammertsberg der „Star“ der Geschichte. Es war gerade frisch eröffnet, nachdem es umgebaut, modernisiert und durch einen Anbau, der mit seinem einfachen Satteldach etwas minimalistisch wirkt, erweitert wurde – von keiner geringeren als der inzwischen 79-jährigen „Stararchitektin“ Tilla Theus, die schon durch einige markante Bauten wie das FIFA-Hauptquartier und das Gipfelrestaurant auf dem Weisshorn von sich reden gemacht hat. Inzwischen hat sich das Pächterpaar, August und Luisa Minikus, mit einem Michelin-Stern zur Ruhe gesetzt, und der Mammertsberg soll mit einem neuen Pächter auf ähnlichem Niveau weitergeführt werden. Wie es der Zufall will, begegnen wir derselben Architektin demnächst wieder an einem anderen Ort in unserer Region: Das am Seerhein in Gottlieben wird bis 2024 (?) nach Plänen von Tilla Theus umgebaut – ein Glasbau, auch hier mit hohem Satteldach (Foto oben).
Auenwald und Uferpark
Fast gleichzeitig mit dem Mammertsberg wurde das BORA Hotel in Radolfzell eröffnet, dessen Restaurant den Namen „Rubin“ trägt. Mit dem 2013 eröffneten Hotel wurde auch optisch eine Marke gesetzt, mit der die touristische Zone vom dahinterliegenden Auenwald abgegrenzt wird – an der Fassade schön durch die schräg stehenden Latten symbolisiert. Das wäre nicht erwähnenswert, wenn es nicht ein Projekt gegeben hätte mit dem Ziel, einen großen Teil des Auenwaldes dem Tourismus zu opfern. Im April wurde das Gebiet Streuhau aber unter Landschaftsschutz gestellt; damit bleibt die Natur erhalten und den Hotelgästen die Aussicht ins Grüne.
In Überlingen hat die Landesgartenschau der Stadt einen schönen Uferpark hinterlassen, der sich über fast einen Kilometer von der Therme bis zur Kapelle Goldbach erstreckt. Das von Westen her nach der Kapelle auffallende Gebäude war ursprünglich als Infopavillon und für Ausstellungen geplant – mit der Perspektive, es danach gastronomisch zu nutzen. Man könnte es auf den ersten Blick als einfachen Quader ansehen, aber der Schein trügt: Zum einen nimmt es optisch die senkrechten Felswände vis-à-vis und die ebene Fläche auf (1944 aufgeschüttet aus den Goldbacher Stollen), zum anderen ist es an drei Seiten von einer Stahlträger- und Drahtnetzkonstruktion umgeben, an der Kletterpflanzen in die Höhe wachsen. Das Restaurant Uferpark 57 wurde Anfang Juni in Betrieb genommen.
Infos:
Johann Hotel und Gasthaus am Alten Markt, A-Lauterach, www.gasthaus-johann.at
Restaurant Rubin, D-Radolfzell, www.bora-hotsparesort.de/bora-genuss
Uferpark 57, D-Überlingen, keine Website, nur Instagram und Facebook
Drachenburg + Waaghaus, CH-Gottlieben, www.stiftung-drachenburg-waaghaus.ch