Alle reden übers Klima! Das tatsächliche und das politische. Doch am Bodensee ist ja bekanntlich eh immer alles besser als woanders, auch wenn’s manchmal trübe ausschauen mag.
Waren im Sommer grad noch alle am Jammern, dass der See wohl bald austrocknet, ist kaum zwei Monate später die Pfütze übervoll: Nie gekanntes Rekordhochwasser im Winter. Und wieder sorgen sich alle. Gibt es vielleicht gar Überschwemmungen?
Ein hoher Pegelstand im Winter heißt einfach nur: viel Regen am Boden(see) und parallel viel Schnee in den Bergen. Da ist das Wasser zum Glück für alle Skifahrer gebunden. Weil aber viel Wasser im See gleichzeitig auch viel Abfluss bedeutet, lohnt ein winterlicher Ausflug zum darob unfassbar großmächtigen Rheinfall: Da sieht man spektakulär, was da so sekündlich wegdonnert.
Pro Sekunde fließen im Schnitt 225.000 Liter vom Rhein in den See. In diesem nassen Winter natürlich deutlich mehr! 13 Flüsse und viele Bäche pumpen elf Milliarden Kubikmeter (11.000.000.000 Liter) Wasser in den See, also 350.000 Liter pro Sekunde. 9.200 Liter pro Sekunde verdunsten, und 5.400 Liter trinken die Seeanwohner bis weit ins Hinterland. Der riesige Rest rauscht durch den Rheinfall (sozusagen energetisch und sonst wie ungenutzt). Wenn also im April die Schneeschmelze einsetzt, ist das tatsächlich alles längst „Schnee von gestern“.
Die Frühjahrshochwasser am See sind nie ein Resultat des Winters, sondern eine Kombination von schnellem Abschmelzen der Schneemassen wegen früher hoher Temperaturen in den Bergen und gleichzeitig starken Regenfällen am See im Frühjahr. Insgesamt sind wir hier wieder Gewinner-Region, denn der viele Regen ist ein Segen für den Grundwasserspiegel. Apropos: Deutschland hat in den letzten 20 Jahren (Grund-)Wasser im Umfang des Bodensees verloren. Damit gehört es zu den Ländern mit dem höchsten Wasserverlust weltweit.
Eine vollkommene See-Trockenheit werden wir dagegen nie erleben; niedrigeres Wasser (oder auch mal höheres) dagegen schon. Die Auswirkungen der Klimaerwärmung kommen hier einfach insgesamt „moderater rüber“. Kein Wunder bei den Größenordnungen: In unserem großen Teich schwappen im Schnitt 50.000.000.000 Kubikmeter oder, nachvollziehbarer erklärt, 50.000.000.000.000 Liter Wasser. Politiker lesen derlei Zahlengrößen im Schlaf. Ihnen dagegen wünsche ich viel Vergnügen beim Nachrechnen.
Die Alpengletscher liefern mit ihrem Schmelzwasser den Löwenanteil der Wassermenge, und selbst wenn diese Quelle durch die Klimaerwärmung mal zu versiegen droht, bleibt so viel Wasser in der Rest-Pfütze, dass das noch für vierhundert Jahre reichen würde.
Bis der See tatsächlich mal – vollgepumpt mit Schlamm und Geröll vom Rhein – versandet, braucht’s ohnehin noch 40.000 Jahre. Vater Rhein nährt also nicht nur den Bodensee, er stranguliert ihn auch gaaaanz langsam. Aber da muss noch viel Wasser den Rhein runter, wie erwähnt.
Am Wasser werden wir also nicht allzu viel von den Klimaveränderungen merken. Im Wasser dagegen schon: Die Vegetation sowie die Tierwelt verändern sich. Wir werden alsbald erleben, dass aufgrund des dramatisch zurückgehenden essbaren Fischbestands der „typische Bodenseefischer“ höchstens noch als touristische Attraktion zu bestaunen sein wird.
Trübe Aussichten am See sind also gute Aussichten. Und gute Aussichten sind „per See“ gut. Nicht umsonst waren wir hier schon immer rundherum „Krisengewinner“: Egal ob politisches oder sonstiges Klima, „am See bleibt’s halt schee“.
Schöne neues Jahr, wünscht