Die Schweiz entdeckt den Bodenseeraum

Ganz leise, fast unbemerkt vollzog sich eine Revolution in den gemächlichen Berner Amtsstuben. Die Ostschweizer Kantone am See klopften ordentlich auf den Busch und wirbelten mächtig viel Staub auf in der Hauptstadt-Bürokratie. Wurde die Ostschweiz doch bislang höchstens als Blinddarm der pulsierenden Zürcher Metropolregion wahrgenommen (eigentlich unauffällig, gar verzichtbar, außer er tut mal ordentlich weh!). Im wirtschaftlichen Selbstbild der Schweiz sprach man in begleitenden Studien nur von der „Nordostschweiz“, die „als klein- und mittelstädtisch geprägter Raum im Wesentlichen doch ein Satellit von Zürich“ sei.

Das tat wirklich weh und nun erhält in der Folge des lauten Wehklagens in Bern der „Bodenseeraum“ in der nationalen Raumplanung endlich eine eigene Positionierung, und zwar – Obacht! – inklusive und gar  w e g e n  der deutsch-österreichischen Grenzsituation.

Die Ostschweizer Kantone sind mit ihren Forderungen vollumfänglich durchgedrungen! (Die übrigens aus St. Gallen am längsten und vehementesten vorangetrieben wurden – Ehre, wem Ehre gebührt!)

Aus Westen betrachtet, hört die Schweiz bekanntlich hinter Winterthur auf. Und Winterthur selbst hat sich zwar vor gut zehn Jahren als „Tor zur Ostschweiz“ definiert, auf die man blicke – aber die knarzige Tür ist in eben dieser Richtung meist geschlossen; man richtet dort das geneigte Auge denn auch lieber cosmopolitisch ehrfürchtig gen Zürich.

Zumal selbst Konstanz sich der „Greater Zurich Area“ angeschlossen hat, war die Ostschweiz in einer Sandwich-Konstellation, zunehmend eine Insel der Unglückseligen in der Wahrnehmung der inter- und nationalen Wirtschaftsdestinationalisten.

Und nun taucht sie auf, die „Internationale Bodenseeregion“, nimmt formidable Gestalt an auf der Weltkarte von Planern und Machern, genauer gesagt im „Raumkonzept Schweiz“, welches ausgearbeitet von „Bund, Kantonen, Städte- und Gemeindeverband als maßgebliche Orientierungshilfe für die Planung von Siedlungen und Infrastruktur dient“.

Der „Internationale Bodenseeraum“, grenzübergreifend vernetzt, habe zwar „keine eigentliche Metropole – aber über 750.000 Einwohnerinnen und Einwohner, mehr als 400.000 Beschäftigte und eine exportstarke, innovative Wirtschaft. Überdies wird sie nicht als Zonenrandgebiet abgetan, sondern als „Teil eines internationalen Lebens- und Wirtschaftsraums“, ähnlich wie die Region Basel, die im Raumkonzept längst den Status „trinationaler Raum“ erklommen hat.

Leicht untertrieben übrigens, denn wenn man Liechtenstein und Bayern dazuzählt, sind wir hier sogar quint(essenz)nationaler Raum. Darum freuten sich die Ostschweizer Initianten besonders, dass die Raumschaft von der Kommission gar noch größer definiert wurde, als vorgeschlagen: Von Frauenfeld bis Ravensburg, von Vorarlberg bis zum Hegau – also exakt da, wo wir seit Äonen ganz bescheiden die Stadtgrenzen unserer „Groß-Stadt Bodensee“ verortet haben. Auch das Attribut „kleinstädtisch geprägt“ wurde getilgt und stattdessen durch warme Worte ersetzt wie „zählt zu den Regionen mit hoher Dynamik und großem Potenzial für weitere wirtschaftliche Entwicklung“.

Sagen wir ja schon lange an der Stelle hier als (T)Raumdeuter …