Schweizer Bundesmittel für SUP-Angebote in den vier Buchten Altenrhein, Rorschach, Arbon und Romanshorn? Warum nicht. Aber für deutsche Fahrradwege? Das Schweizer Agglomerationsprogramm macht es möglich. Statt auf Territorialgrenzen schaut das Programm auf miteinander verflochtene Siedlungsräume – auch in der Großstadt Bodensee.
Bei Nacht kann man es deutlich sehen. Hell leuchtende Siedlungsbänder ziehen sich am Ufer des Bodensees entlang. Ländergrenzen spielen bei diesem schönen Anblick keine Rolle. Agglomerationsprogramme fördern diese Entwicklung politisch und finanziell. „Die ganze Idee kommt aus der Schweiz“, erklärt Klaus-Dieter Schnell. Der Geschäftsführer der Internationalen Bodensee-Konferenz (IBK) hat an der ETH Zürich Raumplanung studiert und war im Bereich regionaler Entwicklung, Raumordnung und grenzübergreifender Entwicklung an der Universität St. Gallen tätig. Er sieht die Agglomerationsprogramme auch aus der Sicht eines Raumplaners. „Der Bund stellt zusammenhängenden Gemeinden, sogenannten Agglomerationen, Geld für Infrastrukturprojekte in Aussicht – aber nur, wenn sie sich abstimmen und einig sind.“ Ob sich die Gemeinde innerhalb einer Agglomeration auf Schweizer Boden befindet, ist dabei zweitrangig – solange auch Schweizer*innen davon profitieren. Ein einzigartiges Konzept, das am Bodensee besonders zum Tragen kommt.
Funktionale Räume
Im Fokus stehen dabei Bildung, Gesundheitswesen, Wirtschaft sowie Raum- und Mobilitätsentwicklung unter Berücksichtigung aktueller Klimaaspekte. Letztendlich eine Raumentwicklungspolitik mit Blick auf reale Bedingungen: „Es geht hier um funktionale Räume. Eine effiziente Infrastruktur fördert die Vernetzung und verhindert Zersiedlung“, erklärt Klaus-Dieter Schnell. „Gleichzeitig werden Lebensqualität und Wirtschaftskraft in der Region gestärkt.“ Denn am Bodensee wird nicht nur grenzübergreifend eingekauft, gearbeitet und die Freizeit gestaltet. Auch Freundschaften, Familien- und Paarbeziehungen bestehen über die Ländergrenzen hinweg. „Für die Menschen hier am See waren die Grenzen – mit einer kurzen zwangsläufigen Unterbrechung während Corona – von jeher eher nebensächlich“, stellt Klaus-Dieter Schnell fest. „Die grenzübergreifenden Agglomerationsprogramme nehmen dieses Bedürfnis ernst und planen die Infrastruktur entsprechend.“
Gemeinsam stark
Anstatt allein aufzutreten, bündeln die Gemeinde ihre Kräfte. 2023 startet das mittlerweile fünfte Agglomerationsprogramm und lädt die Gemeinden der einzelnen Agglomerationen dazu ein, sich optimal auf die Siedlungs- und Verkehrsentwicklung abzustimmen. Bis Juni 2025 können Agglomerationsprojekte beim Schweizerischen Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) eingereicht werden. Mit Resonanz: Die politischen Akteure der Agglo Kreuzlingen haben ihren Willen zur Zusammenarbeit mit der Unterschrift einer selbstverpflichtenden Charta kürzlich bekräftigt. Projekte wie durchgehende Fahrradwege und die S-Bahn Konstanz-Kreuzlingen, auch Agglo-S-Bahn genannt, sollen vorangetrieben werden. Eine hochkomplexe Angelegenheit: „Es gibt die kommunale Ebene, die kantonale oder Länderebene, die Bundesebene. Je nach Projekt muss sich die Agglomeration mit all diesen Stakeholdern abstimmen, um ein Projekt zu verwirklichen“, führt Klaus-Dieter Schnell die Rahmenbedingungen an. Nichtsdestotrotz sieht er in den Programmen einen Sparringspartner auch für das 2021 aufgesetzte „Zielbild Raum und Verkehr“ der IBK. Dieser Orientierungsrahmen für die Regionen rund um den Bodensee formuliert gemeinsame Stoßrichtungen unter Berücksichtigung eines grenzüberschreitend abgestimmten Raumverständnis. Das Ziel ist klar: Der Kulturraum Bodensee als prosperierende Wirtschaftsregion und zukunftsfähigen Lebensraum für Mensch und Tier – über die Grenzen hinweg.
www.bodenseekonferenz.org | www.are.admin.ch
Agglomerationen rund um den See
Amriswil-Romanshorn | www.raumentwicklung.tg.ch
Arbon-Rorschach | www.regio-stgallen.ch
Frauenfeld | www.regiofrauenfeld.ch
Kreuzlingen | www.regiokreuzlingen.ch
Rheintal | www.agglomeration-rheintal.org
Schaffhausen | www.sh.ch
St. Gallen | www.regio-stgallen.ch
Foto: Lichtermeer über dem Rheintal © AdobeStock | matterhorn62