In Februar und März wird es laut: Das Theater Konstanz lädt mit „NINA Mother of Punk“ zu einem rasanten Abend entlang der Musik von Nina Hagen, die in Deutschland die erste feministische Punkhymne lieferte. Ihre Musik steht seit Beginn ihrer Karriere vor rund 50 Jahren für Radikalität, Individualität und Toleranz mit schrillen Outfits und großem Tonumfang. Regisseur Wulf Twiehaus und der musikalische Leiter Rudolf Hartmann, beide große Nina-Fans, verraten im Interview, auf was sich das Publikum freuen kann. Premiere ist am 21. Februar.
„Einen recht schönen guten Abend, meine Damen und Herren“
Nina Hagen „TV-Glotzer“
akzent: Nina Hagen ist und singt unbeschreiblich weiblich. Regie und musikalische Leitung sind in männlicher Hand. Was war Ihre Intention, sich mit Nina Hagens Musik zu befassen?
R. Hartmann: Dass Nina Hagen ein Phänomen ist, ein musikalisches und ein gesellschaftliches als Frau, die sich keineswegs in irgendeiner Art einschränkt oder unterordnet, nehme ich mal als bekannt und gesetzt. Mich „draufgelupft“ aufs Thema als Theater-Konzert hat der Gitarrist Stefan Gansewig, der leider krankheitsbedingt nicht mitspielen kann. Er hat mich immer wieder angerufen: „Ihr müsst einen Nina-Hagen-Abend machen!“ Recht hat er! Manchmal muss man einem guten Rat folgen!
W. Twiehaus: Nina Hagen ist eine Ikone des Feminismus, des Punk. Trotzdem wird der Abend kein Biopic über Nina Hagen, sondern ein Konzert mit Nina-Hagen-Songs, flankiert und unterstützt durch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Punk. Punk, wie er uns interessiert, ist zutiefst privat und gleichzeitig zutiefst politisch. Genau wie die Songs von Nina, der Mother of Punk.
R. Hartmann: „Leitung“ in „männlicher Hand“? Ach, es machen doch auch weibliche Leitungs-Teams Abende über Männer. Wir sind also noch nicht so weit, dass das keine Rolle spielt? Schade …
akzent: Natürlich sind wir so weit. Ich wollte Sie nur ein bisschen aus der Reserve locken und hege nicht den geringsten Zweifel daran, dass Sie das können.
W. Twiehaus: Gerade interviewen Sie allerdings auch ausgerechnet zwei Männer. Die Verantwortung für Text und Bühne liegt bei zwei Frauen, Isabell Twiehaus und Katrin Hieronimus, die Dramaturgie übernimmt Sabrina Toyen, und auf der Bühne stehen drei Frauen und ein Mann.

Punkröhre
akzent: Im Osten war Nina noch eher brav mit Schlagern, im Westen dann aufmüpfig. Sie hat die deutsche Musiklandschaft aufgemischt. Ende der 1970er griff sie Tabu-Themen in ihren Songs auf, sang über Schwangerschaftsabbruch und weibliche Sexualität. Können Sie sich noch erinnern, wie Sie diese Musik als Heranwachsende fanden?
R. Hartmann: Ja klaro: Nina! Sag es, sing es! Genau! Druff! Und, was für geile Bands …
W. Twiehaus: Ich kannte bis vor Kurzem ehrlich gesagt nur die großen Hits wie „Farbfilm“, „TV Glotzer“, „Unbeschreiblich weiblich“ und „Auf’m Bahnhof Zoo“. Und natürlich die Kunstfigur Nina Hagen aus Talkshows. In ihre Musik vertieft und verliebt habe ich mich erst jetzt in der Vorbereitung. Da gab und gibt es unglaublich tolle Songs zu entdecken, die nichts an ihrer Kraft und Aktualität eingebüßt haben. Im Osten war sie übrigens auch durchaus schon in gewisser Weise punkig. Sie nannte das selber mal die „Zerstörung des Schlagers durch Schlager“ was sie da z.B. mit „Farbfilm“ gemacht hat.
„Ich kann mich gar nicht entscheiden, ist alles so schön bunt hier“
Nina Hagen „TV-Glotzer“
akzent: Nach Schlager und Punk und einem wilden Ritt durch andere musikalische Genres war Nina auch mit Brecht-Liederabenden auf Tour. Was davon kommt in Konstanz auf die Bühne?
W. Twiehaus: Unser Titel ist ja „NINA Mother of Punk“ und um den Punk als (auch) feministische Befreiung, als gemeinschaftsstiftende Freiheitssehnsucht und nicht mehr nur Jugendbewegung geht es bei uns textlich. Musikalisch versuchen wir ein relativ großes Spektrum. Das ist alles musikalisch natürlich nicht alles Punkmusik, aber die Haltung zur Welt entstammt einem punkigen Grundverständis.
R. Hartmann: Wir spannen einen großen Bogen, aber ein Theaterabend ist zu kurz, um alles mal angetönt zu haben. Mehr wird nicht verraten!
W. Twiehaus: Die Auswahl ist rein subjektiv. Was richtig toll ist und Spaß macht, kam auf unsere Liste!
Friedensaktivistin + Feministin
akzent: Nina ist als Kämpferin für Frauenrechte und Frieden politisch aktiv, hatte spirituelle Phasen, sah auch Ufos … über allem stets die Liebe. Geht es auch um die Person Nina hinter der Musik?
R. Hartmann: Ich übergebe an die Regie.
W. Twiehaus: Das hatten wir ursprünglich vor. Aber die Rechte an ihrer Autobiografie haben wir leider nicht bekommen können und der sonstige (zumeist männliche) Blick auf Nina Hagen ist eher schwierig und wirklich oft nicht mehr reproduzierbar. Deshalb haben wir uns zur Aufgabe gemacht, zu gucken, was uns denn persönlich an Nina Hagen interessiert, jenseits von Boulevard und sexistischen Zuschreibungen und da sind wir schnell beim Punk gelandet. Was macht Nina zur Mother of Punk? Was ist die Kraft des She-Punks und was hat es auf sich mit dieser Art von Ästhetik, Haltung, Wut, Überzeichnung und der Provokation? Was bedeutet das für uns heute? Wir arbeiten uns nicht an der Person Nina ab, sondern versuchen ihre Songs thematisch einzuordnen und ihre revolutionäre Kraft herauszuarbeiten.


„Rangeh’n!“
akzent: Nina Hagen verfügt über ein großes Stimmvolumen. Im Ensemble des Theaters Konstanz gibt es starke Stimmen, wer wagt sich an Nina ran?
R. Hartmann: Katrin Huke, Anne Rohde, Svea Kirschmeier und Ingo Biermann als starke Stimmen auf der Bühne, die Band im Rücken sind Frank Denzinger (Schlagzeug), Arpi Ketterl (Bass), Wolfgang Kehle (Gitarre) und meine Wenigkeit (Keyboards).
W. Twiehaus: Alle vier Spielenden werden Nina-Hagen-Songs singen.
akzent: Wie funktioniert Ihre Zusammenarbeit bei der Umsetzung?
R. Hartmann: Hoffentlich so wie immer! Nämlich miteinander. Das schließt die Leitung und Spielende gleichermaßen mit ein. Die Zuständigkeiten sind, wie sie sind, und eine gute Idee zu was auch immer– egal von welcher Seite – wird dankend angenommen oder auch wieder verworfen. Intensiv und bedingungslos.
W. Twiehaus: Im Stadttheater sind die Abläufe so, dass eine Vielzahl von Entscheidungen bereits vor Probenbeginn gefällt werden muss. Beispielsweise die Bühne, die Songauswahl oder die Textfasssung. Das funktioniert in so einem Betrieb leider unter den Produktionsbedingungen nicht anders. Aber dann ab der ersten Probe versuchen wir, wieder am gleichen Punkt zu starten und gemeinsam auf Augenhöhe diesen Abend zu entwickeln.

„Hingeh’n“
akzent: Was erwartet die Zuschauer*innen?
R. Hartmann: Viel Musik! Verschiedene Musik! Im Zweifelsfall: Noch mehr Musik!
W. Twiehaus: Gespielt von einer fantastischen Liveband und gesungen von drei großartigen Schauspielerinnen und einem Schauspieler. Dazwischen Texte über Subversion, Sehnsucht und Punk, nach denen man hoffentlich einen noch besseren Zugang zu der Musik von Nina Hagen bekommt. Mancher Text oder mancher Song wirkt vielleicht zunächst sperrig, aber mit etwas Hilfe beim Zugang ist das wahnsinnig mitreißende und geile Musik.
akzent: Daskönnte dazu führen, dass esdie Zuschauer*innen nicht mehr auf den Sitzen hält. Gibt es Sicherheitsvorkehrungen, wenn eingeschworene Nina-Fans „pogen“ wollen?
W. Twiehaus: Es gibt feste Sitzplätz, aber wir arbeiten daran, dass die Zuschauer*innen Lust auf ein Konzert bekommen und mit uns mitfeiern wollen. Gern auch tanzend!
R. Hartmann: (zwinkernd) Ich weiß nicht, ob unser Technischer Direktor Tobias Helferich ein extra Konzept hierfür hat. Ich weiß aus Erfahrung, dass die Fluchtwege immer frei bleiben müssen … Bitte pogen Sie im Rahmen des Sicherheitskonzepts, wir sind ein deutsches Stadttheater!
„Wer bist’n du?“
Wulf Twiehaus
akzent: Herr Twiehaus, was reizt Sie als Regisseur, der schon viele Ur- und Erstaufführungen moderner Klassiker und großer Klassiker inszeniert hat, an musikalischen Inszenierungen?
W. Twiehaus: Musik spielt in all meinen Theaterarbeiten eine große Rolle und ich höre privat viel Musik, gerne daheim Vinyl mit gutem Klang, aber mindestens so gerne bei Konzerten. Meine private Leidenschaft mit meiner Leidenschaft fürs Theater zu verbinden, ist eigentlich logisch. Und wenn ich einen musikalischen Kosmos für mich entdecke, dann habe ich unglaublich Bock, den zu teilen …
akzent: Machen Sie selbst Musik?
W. Twiehaus: Ich war nie Punk, wäre aber gerne einer gewesen, ich wäre gerne Rockstar geworden, war aber nur ein mittelmäßiger Schlagzeuger, und ich liebe die Kraft, die so ein Live-Moment auf der Bühne haben kann. Egal ob bei Hamlet oder Nina Hagen.
akzent: Sie haben zusammen mit Isabell Twiehaus bereits zwei sehr erfolgreiche musikalische Annäherungen an Künstler*innen unserer Zeit auf die Bühne gebracht: „Johnny Cash“ und „Neil Young“. Haben Sie schon weitere Musiker*innen auf der Agenda, denen Sie sich zukünftig widmen wollen?
W. Twiehaus: Tatsächlich habe ich da noch keine Pläne. Aber wenn ich gerade ein aktuelles Ranking der Musiker*innen, denen ich an einem solchen Abend näherkommen wollte, versuchen soll: 1. Patti Smith, 2. Nick Cave, 3. X-Ray Spex.
Rudolf Hartmann
akzent: Herr Hartmann, Sie brillieren in Konstanz regelmäßig als musikalischer Leiter – egal ob die Musik in Stücken eher sparsam eingesetzt wird oder im Vordergrund steht. Das wirkt für Zuschauende immer alles sehr leicht und dynamisch. Wie viel Arbeit steckt tatsächlich dahinter?
R. Hartmann: Danke für die Blumen! Wie viel Arbeit? Immer mehr, als ich selbst jeweils vorab geglaubt haben möchte. Auch dann, wenn Musik nur sparsam vorkommt.
akzent: Was sind die Herausforderungen, Musik live auf die Bühne zu bringen?
R. Hartmann: Wie viele Seiten habe ich …? Nein, es ist eigentlich einfach. Den rechten Ton zur rechten Zeit. Und das Miteinander. Wer schon mal in einem Chor gesungen oder in einer Band gespielt hat, weiß, was ich meine. Lenin (oder war es Lennon?) soll mal gesagt haben, eine Band sei nur so gut wie das Mitglied, das gerade seinen schwächsten Tag hat.
akzent: Wie viele Musikinstrumente spielen Sie eigentlich?
R. Hartmann: Mein Hauptinstrument ist das Akkordeon. Alles, was Tasten hat, traktiere ich einigermaßen. Ein bisschen Rhythmus-Instrumente kann ich noch beisteuern. Alles andere lasse ich tunlichst andere Menschen machen. Ach ja, drei Akkorde auf der Ukulele kann ich an guten Tagen …
akzent: Gibt es einen Traum – ein Stück im Bereich Musiktheater, das Sie gerne einmal umsetzen würden?
R. Hartmann: Einige meiner musikalischen Träume habe ich in meinem Leben schon versucht umzusetzen. Ich bin daran regelmäßig gescheitert, manchmal wenigstens halbwegs glorios, manchmal kläglich, vor allem was den Kartenverkauf betraf. Andererseits kamen viele sehr beglückende und erfolgreiche Produktionen und Ensembles quasi zufällig zustande. Insofern habe ich gelernt: Einfach warten, was da kommt. Oder, wie Kurt Krömer sagen würde: „Wollen wir mal sehen, was uns die Katze vor die Tür gelegt hat!“
akzent: Vielen Dank für all die Einblicke, die Lust machen auf den Abend mit Nina, mit Ihnen, mit den Spielenden und mit den Musiker*innen. Da wird garantiert jeder Abend ein Fest! Passend zum 70ten geburtstag, den Nina Hagen im März feiert.
ab 21.02., 20 Uhr | Premiere
Stadttheater
Konzilstraße 11
D-78462 Konstanz
www.theaterkonstanz.de
Die TOP 3 Nina Hagen-Titel
von Rudolf Hartmann:
1. „Auf’m Bahnhof Zoo“ (wegen funky Clavinet)
2. „Unbeschreiblich weiblich“ (wegen Inhalt)
3. „Superboy“ (weil frech und …druff!)
von Wulf Twiehaus:
1. „Naturträne“ (weil wunderschön)
2. „TV Glotzer“ (weil guter Punk)
3. „Unbeschreiblich weiblich“ (weil super Text)
NINA Mother of Punk – Ein Konzert
von Isabell Twiehaus, Wulf Twiehaus und Rudolf Hartmann
Regie: Wulf Twiehaus | Bühne & Kostüme: Katrin Hieronimus | Musikalische Leitung: Rudolf Hartmann | Dramaturgie: Sabrina Toyen | Spielende: Ingo Biermann, Katrin Huke, Svea Kirschmeier, Anne Rohde
Fotos.
Beitragsbild: (c) Milena Schilling
Fotos im Text: (c) Ilja Mess