Laubbläser sind phänotypisch für eine neue Gesellschaft, die mit viel Wirbel geradezu grotesk wenig bewegt.
Als ich so durch die ruhige Spätherbst-Straße schlendere, zerreißt jäh ein ätzendes Geräusch die nachmittägliche Ruhe: ein grünes Männchen mit klobigen Ohrschützern wirbelte lautstark mit seinem Benzin-Laubbläser haufenweise Blätter vom Gehsteig auf und schob sie in Windeseile einfach – auf die Straße. Das Paradoxon „Da wedelt der Schwanz mit dem Hund“ bekommt hier ein reales Sinnbild, denn wie das geschäftige Männchen sein ungestümes Blasrohr wedelnd Sauberkeitsaktionismus zelebriert, so ist die ganze Aktion doch in der Tat nur heiße Luft und Egoismus. Ich frage also den Lautbläser, der missmutig ein Ohr unter dem Gehörschutzungetüm hervorschiebt, „was denn da nun passiere, mit dem ganzen Laub auf der Straße?!“ Er zuckt synchron mit Schulter und Augenbraue und brummelt sinngemäß, „nicht mehr mein Problem, da kommt die Stadt, ist ja jetzt Straße“…
Und so sind Laubbläser und üblicherweise sein Herrchen ein Sinnbild für die Wandlung einer Gesellschaft: „Nicht mehr mein Problem; schieb’s weg – Hauptsache bei mir vor der Tür ist sauber; der Staat wird’s schon richten.“ Ein dissonanter Dreiklang, der immer lauter durch die Lande hallt und der für die gebildeten Musiker unter uns ja bekanntlich „eine Spannung enthält und letztlich nach Auflösung strebt“. Eine Spannung spürte ich denn auch sehr wohl bei seinen Worten, und dass solch massenhaft betriebener Blöd!-Sinn tatsächlich zu gesellschaftlichen Auflösungserscheinungen führt, versteht sich. In dem Kontext ist übrigens vollkommen egal, ob Dummheit als Verbrenner oder elektrisch daherkommt.
Laubgeblase rächt sich langfristig denn auch. Dass die so oder so viel zu viel Staub aufwirbeln, ist das eine. Dass sie dabei auch auf Rasen eingesetzt Flora, Fauna, Habitat gleich mikroorganisch und kleinst-tierlich ins Jenseits blasen, ist für die gesamte Umwelt überdies belastend. Wer Wind sät, wird auf kargen Böden ernten, alles andere wäre ja auch un-gerecht. Mit der leisen, körperbetonten Rechen-Kunst dagegen werden die kleinen Tierchen geschont und können so den Boden für bessere Zeiten bereiten. Was lernen wir daraus? Frischer Wind ist technologisch falsch verstanden, nur lästig; die gute alte monoton-kontemplative Körperarbeit ist nicht nur gesund für einen selbst, sondern be-rechen-bar besser für alle; wenn alle sich gegenseitig einen Haufen auf die Straße setzen ist’s überall Scheiße (mit Verlaub!) und wenn jeder bloß viel Staub aufwirbelt, statt tatsächlich was „wegzuschaffen“, wird’s hier bald noch wüster
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Markus Hotz, Herausgeber