… Lindau hat ihn. Vor zehn Jahren ist Alexander Warmbrunn nach Lindau gekommen. Mit sanft wehender Künstlermähne, im Gepäck eine exzellente Ausbildung, ein starkes Netzwerk und den unbedingten Willen, als Kulturamtsleiter aus der Stadt den kulturellen Leuchtturm am Bodensee zu erschaffen.
Wie gut ihm das bereits gelungen ist, zeigen nicht zuletzt seine international erfolgreichen Sonderausstellungen, die in den kurzen Sommermonaten jedes Jahr zwischen 50.000 und 85.000 Menschen ins Kunstmuseum zu Chagall, Picasso, Miró, Hundertwasser und Co locken.
Auch dem Theater, vor allem dem jungen Theater, hat Alexander Warmbrunn zu einem hohen Stellenwert in Lindau verholfen: „Unser Stadttheater ist kein Vergnügungstempel für ein paar Auserwählte. Unser wundervolles und neugieriges Publikum bildet die gesamte Stadtgesellschaft und alle Generationen ab. Es gehört heute wieder zum guten Ton, ins Theater zu gehen. Wir bieten ein Programm, das dialogisch ist, auf hohem Niveau unterhalten und auch provozieren darf, berühmte Namen in die Region lockt und die Menschen mitnimmt.“
„Letztendlich ist auch jeder Mensch ein großes Kunstwerk.“
Warmbrunn ist in Göppingen geboren und aufgewachsen. Früh sei ihm klar gewesen, dass er sein Leben der Kunst widmen werde. „Schon als Kind habe ich kreativ gearbeitet. Ich habe wahnsinnig viel gemalt, Puppentheater gebastelt, gespielt und inszeniert“, erinnert sich der heute 45-Jährige an den kleinen Alexander, der es liebte, zu verzaubern, in eigene Gedankenwelten abzutauchen, Geschichten zu erzählen, Poesie, Literatur und Musik lebendig werden zu lassen. Es sei bis heute der Dreiklang aus Gestaltung, Darstellung und dem aktiven Spiel samt Vermittlung, der ihn antreibe und fasziniere. „Ich kann nicht sagen, ob mir das Theater oder das Museum wichtiger ist. Ich interessiere mich einfach für alles, was mit menschlicher, künstlerischer Äußerung zu tun hat. Ich brauche die bildende Kunst genauso wie die Musik, das Theater oder die Literatur.“
Vom Kunststudenten zum Kulturmanager
Nach seiner Ausbildung am Kulturreferat Esslingen studierte er bildende Kunst und absolvierte an der Uni in Zürich sein Masterstudium Kulturmanagement. Parallel dazu arbeitete er als Kulturmanager einer Kommune, in der freien Wirtschaft im Kultur-Sponsoring oder im Direktorium der Zürcher Oper. Der schicksalhafte Anruf eines Freundes, der ihn auf eine Stellenanzeige aufmerksam machte, erreichte ihn eines Tages im Urlaub in Barcelona. „Ich wusste sofort, dass das meine Stelle ist. Weil sie alles beinhaltet, was mich interessiert und was ich gelernt habe.“ So kam der Schwabe vom Rande der Schwäbischen Alb am 18. Oktober 2010 an das schwäbische Meer nach Lindau und wurde Leiter des Kulturamtes, Intendant des Stadttheaters, Direktor des Museums und Geschäftsführer der Lindauer Tourismus- und Kongress GmbH.
„Das interessiert mich: auf hohem Niveau Kunst für alle zu machen. Niemanden auszuschließen.“
Nach seiner Ernennung fragte ihn ein Journalist, ob, bei seiner wechselhaften Biografie, Lindau nicht nur eine Durchgangsstation sei. Warmbrunns Antwort vor zehn Jahren: „Lindau ist für mich eine mittel- bis längerfristige Perspektive.“ Das haben ihm am Anfang viele Lindauer nicht geglaubt. Aber er ist noch da, obwohl ihn seither sehr viele Abwerbungsversuche aus großen Städten erreicht haben. Aber er habe allen Versuchungen widerstanden. Denn „es ist schön, Projekte nicht nur anzustoßen, sondern kontinuierlich zu betreuen, somit nicht immer nur zu säen, sondern auch die Früchte zu ernten.“ Das sei für ihn eine beglückende Erfahrung gewesen. „Ich fühle mich in Lindau zu Hause und wertgeschätzt. Das liegt an den besonderen Menschen und an der wunderschönen Region“, schwärmt Warmbrunn. Ihm gefalle es außerdem, wie sich am See die Kulturen mischen. Dass Stuttgart, München und Zürich schnell erreichbar sind, die drei Orte, in denen er viele Freunde und Netzwerke habe. Der Kulturraum Bodensee sei wie eine Großstadt. Nehme man die Gesamtheit der Museen, Theater, Einrichtungen, Festivals und Veranstaltungen, stehe die Bodenseeregion dem Kulturprogramm der Metropolen in nichts nach.
Lindau als Kulturstadt
Lindau habe sich in den vergangenen zehn Jahren zur Kulturstadt gemausert. Zu einem Kultur-Leuchtturm mit großer Strahlkraft. Sich selbst sehe er dabei als Impulsgeber. Er sei Teil eines wundervollen Teams – der Kopf zwar und verantwortlich – aber: „Mein Team und ich bilden eine spannende Synergie. Humorvoll, energiegeladen und auch gesund kontrovers. Ich brauche meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir setzen in vertrauensvoller Interaktion, in einer schlanken, effektiven Struktur große Projekte um“, lobt Warmbrunn.
„Ich sehe mich als eine Art Lustmacher.“
Wichtiges Projekt für die Zukunft sei die Festigung Lindaus als kulturtouristische Destination. „Zusammen mit dem Einzelhandel, der Gastronomie und der Hotellerie ist die Kultur Markenbotschafter. Der Kulturtourist bleibt oft mehrere Tage, nutzt die gesamte Infrastruktur. Wir bringen über die Kultur Wertschöpfung in die Stadt.“
Herausforderung Cavazzen
Eine schöne Herausforderung sei die Sanierung des Stadtmuseums Cavazzen. „Gemeinsam mit der Bundesrepublik Deutschland und dem Freistaat Bayern dieses Museum neu aufzubauen ist eine wunderbare Aufgabe, die nicht jeder Kulturchef innerhalb seiner Amtszeit erfüllen darf.“ Das neue Haus wolle er mit guter und anspruchsvoller Kunst füllen, die alle Menschen erreiche – vor allem auch Kinder und Jugendliche. Das sei sein Credo, auch wenn ihm von manchen Kritikern hinter stiller Hand vorgeworfen werde, ein sehr populäres Programm zu machen. „Ich bin geholt worden, um etwas für die Menschen der Region zu leisten, ihnen Lust zu machen auf die Pluralität der Künste“, betont er. Kultur sei existenziell für jeden und das Band, das die Gesellschaft im Innersten zusammenhalte. Voller Spannung blicke er auf das kommende Jahr. In „Lindau 2021“ drehe sich alles um das Thema Grün, mit Gärten, Gartenschau, Mythos Natur und einer großen Ausstellung zum 80. Geburtstag von Professor Roland Doschka, im Kunstmuseum am Inselbahnhof.
„Es braucht beides, die Ordnung und das Chaos.“
Bleibt die Frage, wie der leidenschaftliche Künstler seinen eigenen künstlerischen Ausdruck befriedigt? Neben persönlichen Projekten, oft sind das Regiearbeiten, sehe er das so, wie er leichthin erklärt: „Auch darin, die Kultur gut zu verwalten und zu managen liegt ja eine gewisse Kunst und Befriedigung.“
Text und Fotos: Susi Donner