Vielfalt des Wohnens

Als Marian Schreier 2015 Bürgermeister von Tengen im Hegau wurde, war er 25 Jahre alt und damit der jüngste Bürgermeister Deutschlands. 2020 wollte er Stuttgarts Oberbürgermeister werden und ging erneut durch die Medien. Nun ist er wieder überregionales Gesprächsthema, weil er in Tengen neue Wohnformen ausprobiert.

In diesen Tagen ist der „Summer of Pioneers“ auf Schloss Blumenfels zu Ende gegangen. Das Schloss, das seit Anfang 2017 leer steht, sollte wiederbelebt werden. Die Gemeinde wollte dazu im vergangenen Sommer auf einen neuen Weg setzen – auf eine experimentelle und kooperative Form der Stadtentwicklung: 20 Menschen, vorrangig aus der Digital- und Kreativbranche, waren eingeladen, im Schloss zu wohnen und zu arbeiten. Das Ziel war, das Schloss für sechs Monate zu beleben, sowie Ideen für eine dauerhafte Nutzung zu entwickeln und zu testen. Beides ist gelungen. In den sechs Monaten haben über 50 Veranstaltungen stattgefunden – vom Schlosskino bis zum Tag des offenen Denkmals.

„Außerdem haben wir fünf Nutzungscluster identifiziert, die wir weiterentwickeln wollen. Dazu zählt zum Beispiel das temporäre Wohnen oder CoWorking“, sagt Marian Schreier.

Was wird aus dem „Summer of Pioneers?“

Zu dieser Weiterentwicklung des „Summer of Pioneers“ gehört die Idee des „KoDorfs“. In einer öffentlichen Veranstaltung im Oktober 2021 wurde das neue Wohnkonzept vorgestellt. Der Gemeinderat signalisierte mehrheitlich Offenheit. Eine Beschlussfassung steht noch aus. Wichtig ist dem Bürgermeister zu sagen, dass es nicht eine Wohnform gibt, die für alle richtig ist. „Wir wollen in Tengen die ganze Vielfalt des Wohnens in der ländlichen Region ermöglichen.“ Denn die Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raums zu stärken, sehe er als seine wichtigste Aufgabe an. „Wo wollen wir eigentlich hin als Gemeinde?“ war nicht von ungefähr die Leitfrage für das „Leitbild Stadt Tengen 2030“.

Gemeinsam lassen sich die Dinge verändern

Marian Schreier sagt, dass er früh politisch interessiert war. „In der Schule war ich in der SMV aktiv und später Jugendrat in Stuttgart-West. Angetrieben hat mich immer die Überzeugung, dass sich Dinge gemeinsam verändern lassen, dass nichts einfach gegeben ist. Das gilt im Kleinen wie im Großen.“ Heute, in der Kommunalpolitik, zeige sich das ganz konkret darin, was Gemeinderat, Verwaltung und Bürgerschaft schon gemeinsam in Tengen verändert haben: vom Bau des ersten Windparks im Landkreis Konstanz bis zur Gründung der Genossenschaft Ärztehaus Stadt Tengen.

Die wichtigsten Menschen in meinem Leben sind meine Freundin, meine besten Freunde und meine Eltern.

Marian Schreier

Zieht seine Jugend die Jugend an?

Ob sein jugendliches Alter dazu beiträgt, andere junge Menschen für die Politik zu interessieren? „Das kann ich nicht sagten“, meint Marian Schreier.  Auffällig sei, dass sich momentan viele Junge engagieren: Von Fridays for Future bis zu jungen Leuten in Parlamenten und Regierungen. „Ich glaube, das ist kein Zufall. Meine Generation – die von unseren heutigen Entscheidungen, sei es mit Blick auf den Klimaschutz, die Mobilität oder die digitale Transformation, am stärksten betroffen sein wird – wird in den kommenden Jahren Verantwortung übernehmen müssen.“ Eine Verantwortung, die er schon lange trägt. Hat er dafür ein politisches Vorbild? „Es gibt nicht ein politisches Vorbild für mich, sondern es sind einzelne Eigenschaften, die ich für vorbildhaft halte: die Entschlossenheit und Entscheidungsfreude von Helmut Schmidt zum Beispiel oder die Empathiefähigkeit von Barack Obama“, verrät Marian Schreier.

Privat lese ich gerne – sowohl Sachbücher (gerne Politik und Geschichte) als auch Romane. Außerdem gehe ich gerne joggen oder wandern, treffe Freunde.

Marian Schreier

Was ist ein KoDorf?

KoDörfer bestehen aus einer Ansammlung von kleinen Holzhäusern und großzügigen Gemeinschaftsflächen, beispielsweise einem gemeinschaftlichen Essbereich, aber auch Werkstätten oder einem Dorfladen. So sollen der Wunsch nach den eigenen vier Wänden und das Bedürfnis nach gelebter Gemeinschaft in Einklang gebracht werden. Und das in ökologischer Bauweise (Holzbau und begrünte Dächer) und mit einem Finanzierungsmodell, das breiteren Schichten Wohneigentum ermöglichen soll. Wenn sich der Gemeinderat dazu entschließt, könnte Tengen die erste Kommune werden, bei der sich ein KoDorf an einen „Summer of Pioneers“ anschließt.

www.tengen.de

Text: Susi Donner

Beitragsbild: Marian Schreier | Foto: (c) Ansgar Wörner